kurze Leben des Jose Antonio Gutierrez, Das

Zum Vergrößern klicken

Am 21. März 2003 wurde der Marinesoldat José Antonio Gutierrez von „friendly fire“ tödlich verwundet. Der erste von bislang 2.879 Soldaten der US Armee,  die im Irak Krieg gefallen sind, war kein Amerikaner, sondern ein sogenannter "greencard soldier“. Wie über 30.000 seiner Kameraden nutzte er das Angebot der amerikanischen Regierung, über den Militä rdienst eine schnellere Einbürgerung für sich und seine Familie zu erreichen. José Antonio Gutierrez wurde sie posthum gewährt. 

Webseite: www.antonio-derfilm.de

Deutschland /Schweiz 2006
Regie: Heidi Specogna
Kamera: Rainer Hoffmann
Länge: 89 min
Verleih: Peripher Filmverleih
Starttermin: 7.12.2006

PRESSESTIMMEN:

Pressestimmen auf film-zeit.de hier...

FILMKRITIK:

Die Schweizer Dokumentarfilmerin Heidi Specogna hat sich auf die Suche nach den Spuren von José Antonio Gutierrez, genannt Tono, gemacht. Gefunden hat sie eine Geschichte, die beispielhaft fü r das Schicksal einer ganzen Generation guatemaltekischer Kinder und Jugendlicher ist: Ende der 70er Jahre flieht Josés Familie aus dem Hochland in die Hauptstadt. Anfang der 80er schlä gt sich José alleine als Straßenkind durch und wird von Sozialarbeitern aufgegriffen. Die Betreuer des Waisenhauses Casa Alianza sagen, er sei ein cleveres Kind gewesen, street wise, und das er Architekt werden wollte. Josè  nimmt Drogen, haut immer wieder ab und kommt zurück. Mit Hilfe von Sozialarbeitern findet er endlich seine Schwester.

1996, kurz bevor seine Zeit in der Casa Alianza zu Ende geht, macht er sich auf den langen und strapaziösen Weg in die USA. Zunächst ge ht es über die mexikanische Grenze, dann folgt die über 3.000 Kilometer lange Reise nach Norden, wobei die Flüchtlinge auf fahrende Güterzüge springen und sich mitnehmen lassen. Es ist ein gefährliches Unterfangen, regelmäßig werden  die ‚train hopper’ von Banden überfallen, und viele verunglücken. José braucht Monate bis nach Tijuana. Nach drei Versuchen schafft er es tatsä chlich, dort die mexikanisch-amerikanische Grenze zu überqueren. In den USA gibt er sich als minderjährig aus und kommt in verschiedenen Gastfamilien unter. Dann meldet sich  José freiwillig zum Militär. Seinem Zugführer erzählt er, dass er dem Gastland ‚etwas zurück gebe n möchte’. D er Chef des Waisenhauses vermutet, dass ihn die Familienstrukturen der Armee gereizt haben könnten, die Sozialarbeiterin nennt den Wunsch nach einer qualifizierten Ausbildung als Hauptgrund. 
 
Die Regisseurin hat Zeugen interviewt, die José kannten: die Sozialarbeiter von Casa Alianza, die Schwester, die Gastfamilie in den USA und den Soldaten, der José  zuletzt lebend gesehen hat. Es sind erstaunlich wenige, keine Freunde, keine Liebste. Dazwischen werden immer wieder Menschen gezeigt, die dasselbe durchmachen wie José. Ein Straßenjunge wird ins Heim aufg enommen, guamaltekische Frauen haben die erste Station auf dem Weg in die USA geschafft und rufen zuhause an, junge Migranten klammern sich an die Züge, die Mexiko durchqueren …  So ergibt sich ein vorsichtiges Bild,  das Josés Geschichte ebenso illustriert wie die Gegenwart der Migration auf dem amerikanischen Kontinent. 
 
„Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez“ ist kein politisches Pamphlet. Heidi Specogna erzählt ruhig und verantwortungsvoll und bleibt dicht an ihrem Thema.  Sie respektiert die Standpunkte ihrer Gesprächspartner und zeigt weit mehr als sie kommentiert. Vor allem für die Aufnahmen aus Guatemala nimmt sie sich viel Zeit. Die politischen Groß themen, die ihre Geschichte unweigerlich streift, behandelt Specogna außerordentlich dezent. Ein sparsam eingesetzter  Off-Kommentar erwähnt die Verwicklung der USA  in den Bürgerkrieg, der Guatemala 36 Jahre lang verwüstete, in wenigen Sätzen. Eine Sequenz zeigt eine Weihnachtsfeier in einem Heim für Flüchtlinge, die beim ‚train hopping’ schwer verletzt wurden, viele Rollstuhlfahrer sind darunter. Eine Friedensdemonstration ist am Rande zu sehen und eröffnet den Film. 

Es bleibt den Zuschauern überlassen, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. 
 
Hendrike Bake