In der öffentlichen Wahrnehmung lange wenig präsent, seit der Corona-Pandemie aber offenkundig: Viele junge Menschen leiden an Depressionen, stehen nicht zuletzt den Krisen unserer Zeit immer verzweifelter gegenüber. Auch das Programm des Filmfestes München 2025 trug dieser Tatsache Rechnung, hatte gleich mehrere Beiträge im Programm, die sich mit der mentalen Gesundheit von Jugendlichen befassen. Die eben dort uraufgeführte Coming-of-Age-Tragikomödie „Danke für nichts“, das Regiedebüt von Stella Marie Markert, nimmt sich dieses Themas an und geht dabei höchst ambitioniert zu Werke.
Über den Film
Originaltitel
Danke für Nichts
Deutscher Titel
Danke für Nichts
Produktionsland
DEU
Filmdauer
105 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Markert, Stella Marie
Verleih
FOUR GUYS Film Distribution
Starttermin
23.10.2025
Der Titel klingt wie eine Anklage – und ist genauso gemeint. Adressaten sind die Erwachsenen, die die vier Hauptfiguren von „Danke für nichts“ im Grunde abgeschrieben haben. Katharina (Lea Drinda), Ricky (Safinaz Sattar), Victoria (Sonja Weißer) und Malou (Zoe Stein) leben zusammen in einer betreuten Wohngruppe und haben alle mit psychischen Problemen zu kämpfen. Wann immer möglich, stützen sie sich gegenseitig und bieten der von Regeln und Normen bestimmten Welt da draußen die Stirn. Mehr schlecht als recht wacht der windige Sozialarbeiter Ballack (Jan Bülow) über das Quartett, mit dessen anarchischer Einstellung er sich arrangiert zu haben scheint.
Alle Protagonistinnen stattet die auch für das Drehbuch verantwortliche Debütregisseurin mit reizvollen Hintergründen aus: Ricky ist ein Einwandererkind, das nach dem Weggang seiner Eltern einfach allein in Deutschland geblieben ist. Besonders in diesem Fall gelingt dem Film ein pointierter satirischer Blick auf den Wahnsinn der Bürokratie. Victoria stammt aus reichem Hause, hat aber nie echte Zuneigung erfahren. Malou wiederum spricht seit einer schockierenden Erkenntnis im Alter von fünf Jahren kein Wort mehr, ist jedoch, wie sich noch zeigen wird, das sprichwörtliche tiefe stille Wasser. Die todessehnsüchtige Katharina umweht derweil stets mehr als ein Hauch Melancholie. Eigentlich wollte sie ihren 18. Geburtstag nie erleben. Doch nun steht genau dieser vor der Tür.
Stella Marie Markert beweist Mut zum Risiko, indem sie ein so ernstes Thema wie psychische Erkrankungen mit einem poppigen, flott montierten, zuweilen die vierte Wand durchbrechenden Inszenierungsstil und reichlich schwarzem Humor angeht. Dass diese Kombination fruchten kann, beweist die Anfang Oktober 2025 bei RTL+ veröffentlichte Serie „Euphorie“, die ebenfalls auf dem Filmfest München ihre Weltpremiere feierte. Visuelle Experimente, eine flotte Musikauswahl, eine teils sarkastische Erzählweise und tolle Jungdarsteller machen die Adaption eines israelischen Formats, das durch die US-Neuinterpretation „Euphoria“ mit Zendaya international bekannt wurde, zu einem echten Gewinn in der deutschen Fernsehlandschaft.
Mit Katharina, Ricky, Victoria und Malou hat „Danke für nichts“ sympathische Charaktere zu bieten, für deren Sorgen und Ängste man sich aufrichtig interessiert. Unter dem Strich wirken sie allerdings etwas skizzenhaft, da es das Drehbuch nur bedingt schafft, ihre persönlichen Entwicklungen sauber nachzuzeichnen. Manche Wendungen und manche Einsichten geraten dann doch eine Spur zu forciert. Vor allem die Beschreibung Katharinas weckt Erinnerungen an „Harold und Maude“ (1971), einen Klassiker der schwarzen Komödie, in dem ein vom Tod faszinierter junger Mann eine unkonventionelle Beziehung zu einer eigenwilligen alten Frau aufbaut. „Danke für nichts“ rutscht allerdings gelegentlich zu sehr ins Klamottige – was die emotionale Wucht und den Bezug zur Lebensrealität schmälert.
Trotz einiger verkrampft cooler Dialoge liefert in erster Linie das junge Schauspielensemble überzeugende Leistungen ab. Lea Drinda, Safinaz Sattar, Sonja Weißer und Zoe Stein agieren mit einer erfrischenden Unbekümmertheit und sorgen dafür, dass die besondere Bindung innerhalb des betreuten Wohnprojekts von Anfang an spürbar ist. Hervorheben muss man überdies Ludger Bökelmann, der sich als Bela rührend unbeholfen um die so verschlossene Malou bemüht. Die gut austarierten, glaubwürdigen Darbietungen können einen etwas leichter über die erzählerischen und tonalen Holprigkeiten hinwegsehen lassen.
Christopher Diekhaus