Das Haus

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Der gläserne Bürger, Datenschutz, diktatorische Regime, die Allmacht der Technik – in seiner Kurzgeschichte „Das Haus“ vermengt der Journalist Dirk Kurbjuweit eine Vielzahl an hochaktuellen, spannenden Themen. Die mit einem prominenten deutschen Cast realisierte Verfilmung erweist sich nun als raffinierter Mix aus Sci-Fi, Paranoia-Thriller und alptraumhafter Dystopie. Der kammerspielartige Film profitiert von seinem ausdrucksstarken Hauptdarsteller, der unterkühlten Optik und dem ausgeklügelten Setdesign.

Website: https://www.notsold.gratis/

Deutschland 2021
Regie: Rick Ostermann
Drehbuch: Rick Ostermann, Patrick Brunken
Darsteller: Tobias Moretti, Valery Tscheplanowa, Lisa Vicari, Max von der Groeben, Daniel Krauss
Verleih: not, sold.
Länge: 92 Minuten
Kinostart: 07.10.2021

FILMKRITIK:

Deutschland 2029. Journalist Johann (Tobias Moretti) bekommt Berufsverbot, nachdem sich eine Quelle in seinem jüngsten Artikel als falscher Informant erwiesen hat. Der politische Autor sieht sich als Opfer der rechtspopulistischen Regierung. Zusammen mit seiner Frau Lucia (Valery Tscheplanowa) zieht er sich in sein abgelegenes Zweithaus, ein hochmodernes Smart Home auf einer Insel, zurück. Während sich die Situation im Land aufgrund eines Terroranschlags verschärft, fühlen sich Johann und Lucia in der Abgeschiedenheit des Hauses zunächst sicher. Doch allmählich entwickelt die Künstliche Intelligenz ein Eigenleben und beginnt, sich in das Leben der Beiden einzumischen. Die Lage spitzt sich weiter zu, als unerwarteter Besuch vor dem Haus steht: zwei als Linkextremisten gesuchte Regimekritiker (Lisa Vicari und Max von der Groeben), die bei Johann und Lucia Unterschlupf suchen.

Es ist ein unbehagliches, düsteres Zukunftsszenario, das Regisseur Rick Ostermann („Das Boot“) in seinem attraktiv besetzten Film entwirft. Unbehaglich deshalb, da vieles von dem, was wir in Sachen Technik und Künstlicher Intelligenz zu sehen bekommen, bereits heute fast möglich scheint. Und in Ansätzen längst vorhanden ist. „Das Haus“ denkt diese Entwicklungen logisch sowie glaubhaft weiter und sorgt damit für eine beklemmende Stimmung.

Von selbstfahrenden Taxi-Booten, die Johann und Lucie auf die Insel bringen, hyperintelligenter Sprachsteuerung und autonomen, smarten Möbeln und Schränken, die dem Menschen die Arbeit abnehmen – und sich im genau richtigen Moment von allein öffnen und schließen. All dies erscheint schon jetzt realistisch. Das titelgebende Haus, das sich Dirk Kurbjuweit für seine gleichnamige Kurzgeschichte ausdachte, vereint ein Sammelsurium an miteinander vernetzten Technologien und KI. Und steht damit exemplarisch für unser zukünftiges „intelligentes Wohnen“ mit allen davon ausgehenden Gefahren und Unsicherheiten.

Was, wenn sich die Technik verselbstständigt? Was, wenn sie unsere Gedanken und Gefühle manipulieren kann? Und sich, wie Johann es formuliert, als „unlösbare Einheit“ nicht mehr vom Menschen entkoppeln lässt? All diese Fragen wirft der Film auf, der außerdem aktuelle Bezüge zu intensiv diskutierten Themen wie Datenschutz, Überwachung und Manipulation herstellt. „Wer Datenschutz will, muss leiden“, lautet einer der zentralen Sätze, der auf die Gefahr anspielt, in die sich Aktivisten und Medienschaffende in autoritären Regimen begeben. Auch, weil sie sich gegen die totale Überwachung wehren. Wie Johann, der dennoch als ambivalente, mysteriöse Figur gezeichnet ist und dem Tobias Moretti Charisma und Tiefe verleiht. Eine weitere politische Note erhält „Das Haus“ durch die klug eingestreuten Verweise auf populistische, nationalistische Regierungen, die den (angeblichen) Linksterrorismus als Hauptfeind auserkoren haben.

Schwächen zeigt der Film bei der Charakterzeichnung der Nebenfiguren, genauer: der beiden Regimekritiker. Sie werden regelrecht hektisch und unvermittelt eingeführt und erscheinen bis zum Ende als kaum greifbare Figuren. Ihre Motivationen und Hintergründe bleiben unklar. Ebenso wie ihre genaue Beziehung zu Lucia.

Dafür beweist Ostermann atmosphärischen Feinsinn und sein Talent für einen harmonischen Bildaufbau. Das fein abgestimmte, unterkühlt wirkende Setdesign im Inneren des Sci-Fi-Hauses bildet eine Einheit mit den Impressionen der isoliert gelegenen Insel und den beeindruckenden Landschaften.

Björn Schneider