Der Geschmack der kleinen Dinge

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Kochen und Kino hat gemeinhin Gelinggarantie. Japan erweist sich zudem als zuverlässige Story-Zutat. Bei diesem Komödien-Menü macht sich ein frustrierter, französischer Sternekoch auf die Suche nach dem Geheimnis von Umami, jener mysteriösen fünften Geschmacksnote aus Fernost. Ganz nebenbei entdeckt der verlassene Familienvater, wie schön das Leben sein kann, wenn man sich an kleinen Dingen erfreut. Serviert wird dieses Soufflé von einem Depardieu in Bestform. Als Sahnehäubchen gibt es ein Wiedersehen mit dem Kult-Mimen Pierre Richard. Eine cineastische Delikatesse: Bon appétit!

Webseite: https://www.neuevisionen.de/de/filme/der-geschmack-der-kleinen-dinge-124

Japan / Frankreich 2022
Regie: Slony Sow
Darsteller: Gérard Depardieu, Pierre Richard, Sandrine Bonnaire, Akira Emoto, Zinedine Soualem

Filmlänge: 105 Minuten
Verleih: Neue Visionen.
Kinostart: 9. Februar 2022

FILMKRITIK:

Nackt präsentiert Gérard Depardieu seinen obelixesken, massigen Körper vor dem Spiegel eines Umkleideraums. Daneben philosophiert ein Japaner zwischen Wassergüssen über den Sinn des Lebens. Er erzählt von einem Mann, der seinen Kompass für Leben verloren habe. Der zwar viel Geld verdiene. Dessen einst leichtfüßiger Körper jedoch habe Fett angesetzt. Tief in seinem Herzen hegte er den Wunsch, sich von diesem leeren Leben zu verabschieden. Nach dieser Kurzfassung zum Auftakt wird eben jene Geschichte ausgerollt. Sie erzählt vom berühmten Star-Koch Gabriel, dem berühmtesten Küchenmeister der Grande Nation, der gerade seinen dritten Stern erhält.

„Glücklich bin ich nur über meinen Töpfen“, tönt der Maestro noch stolz bei der Preisverleihung. Seine Ehefrau hat den Appetit derweil längst verloren, sie wird den Gatten am gleichen Abend noch verlassen, um mit ihrer Affäre (ausgerechnet einem Restaurantkritiker!) durchzubrennen. Zum Glück gibt es für den deprimierten Koch den guten Ratgeber Rufus. Zum Glück fürs Publikum wird er gespielt von Kult-Mime Pierre Richard. 88 Jahre hat der „Große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ mittlerweile auf dem Buckel und er hat noch immer den Schalk im Nacken. Rufus bringt grinsend die entscheidende Wendung, er erinnert Gabriel an dessen einstige Faszination für asiatische Gewürze. Jenes Umami (so der Originaltitel) heißt „köstlich“ auf japanisch. Es gilt als fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, salzig und bitter. Der deprimierte Meisterkoch fühlt sich wie elektrisiert und reist spontan ins ferne Japan: Erleuchtung garantiert!

In einem unscheinbaren Restaurant in Tokio macht der Reisende verheißungsvolle Entdeckungen. Derweil geht es in der Heimat nicht nur mit dem feinen Luxus-Restaurant „Monsieur Quelqu'un“ rapide bergab, auch die Fassade der verbliebenen Familie bröckelt heftig. Je näher der französische Koch dem japanischen Geschmacksgeheimnis kommt, desto klarer blickt er auf die Fehler seines Lebens und zieht endlich Konsequenzen.

Zwar fällt das Sinnsuche-Süppchen des aus der Form geratenen Kochs bisweilen ein bisschen dünn aus, die Emotionen schmurgeln auf Sparflamme. Die Nebenhandlung mit dem frustrierten Nachwuchs oder einer stolzen Influencerin hätte gleichfalls etwas mehr Biss und dramaturgischen Geschmacksverstärker vertragen. Gut gewürzt gerät derweil das Verhältnis der ehemaligen Koch-Kontrahenten aus Frankreich und Japan, die ihre anfängliche Animosität überwinden und die kulturellen Unterschiede schließlich zu schätzen lernen. Als echtes Sahnehäubchen erweist sich das Wiedersehen mit Pierre Richard. Depardieu ist ohnehin stets eine Klasse für sich. Diesmal zeigt das Schwergewicht sogar eine Prise Selbstironie: Kaum hat er den Stolz seine japanischen Kollegen leicht beleidigt, fragt dieser freundlich zurück: „Würde Ihnen gefallen, wenn ich sage, Obelix ist Deutscher?“.

 

Dieter Oßwald