Die Küchenbrigade

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Die quirlige und im wahrsten Sinne des Wortes extrem appetitanregende Komödie kommt mit schönem Witz, beinahe noch mehr Herz, auf jeden Fall aber mit geballtem Charme daher – und dabei ist sie sogar noch (ein bisschen) realistisch: Die ehrgeizige, aber mittellose Köchin Cathy landet unerwartet als Kantinenchefin in einem Heim für junge Flüchtlinge.

Der Schwung aus dem GLANZ DER UNSICHTBAREN ist erhalten geblieben und wurde vielleicht sogar noch übertroffen. Die wunderbare Audrey Lamy spielt mit ganz erstaunlicher Dynymik die Hauptrolle, an ihrer Seite als Schulleiter der großartige François Cluzet mit unwiderstehlichem Lächeln sowie Chantal Neuwirth als Mädchen für alles. Die drei werden unterstützt von einer Mannschaft junger Amateurdarsteller, die mit viel Herzblut und Schwung für ordentlich Trubel in der Küche sorgen.

La brigade
Regie: Louis-Julien Petit
Drehbuch: Liza Benguigui, Sophie Bensadoun, Louis-Julien Petit (nach einer Idee von Sophie Bensadoun)
Darsteller: Audrey Lamy, François Cluzet, Chantal Neuwirth, Fatou Kaba, Yannick Kalombo
Kamera: David Chambille
Musik: Laurent Perez del Mar

Länge: 97 Minuten
Verleih: Piffl
Kinostart: 15.09.22

FILMKRITIK:

Cathy ist Köchin aus Leidenschaft. Sie träumt von einem eigenen Restaurant, stattdessen muss sie für die bekannte Fernsehköchin Lyna Deletto schuften, die nicht nur ein Biest ist, sondern auch noch Spaß daran hat, Cathy zu demütigen. Doch eines Tages hat Cathy genug von der arroganten Kollegin, sie schmeißt den sicheren Job hin. Gemeinsam mit ihrer Freundin Fatou, die von einer Schauspielkarriere träumt, macht sie sich auf die Reise zu einem Vorstellungsgespräch, das sie einer vielversprechenden Annonce verdankt: „Charmantes Restaurant für anspruchsvolle Kunden …“, stand da, doch das Etablissement entpuppt sich als abgelegenes, leicht abgeblättertes Heim für minderjährige Flüchtlinge, dessen Kantinenchef abgehauen ist. Eigentlich will Cathy sofort abreisen, aber Fatou redet ihr gut zu, sie solle den Job erstmal annehmen. Die Voraussetzungen sind denkbar mies, und die Jungs im Heim fallen vor allem durch Gleichgültigkeit und/oder schlechtes Benehmen auf. Der freundliche, aber ziemlich desillusionierte Heimleiter Lorenzo hält Cathy für ziemlich bescheuert, weil sie ihre hohen Qualitätsansprüche auch in dieser Umgebung aufrechthält. Seiner Meinung nach interessieren sich die Kids, denen allesamt die baldige Abschiebung droht, nur für Fußball und Ravioli, und deshalb bekommen sie auch Fußball und Ravioli. Immerhin schlägt er ihr vor, die Jungs um Hilfe zu bitten. Und damit geht der Film erst so richtig los, denn wie Cathy darangeht, ihre Küche mit Unterstützung der jungen Flüchtlinge umzukrempeln, ist so herzerfrischend lustig wie bewegend.

Über die überraschende weitere Entwicklung soll an dieser Stelle nicht mehr verraten werden. Nur so viel: Audrey Lamy liefert auch hier wieder ein Feuerwerk der Schauspielkunst. Diese Frau ist nicht nur sehr komisch, sondern sie hat bis in die Fingerspitzen eine unglaubliche Ausstrahlung, die auf alle anderen abfärbt. Sie kann von einer Sekunde zur anderen von ernsthaft auf witzig umschalten, und was Tempo und Timing betrifft, hält sie mit den ganz Großen ihrer Zunft locker mit. Sie ist ein weiblicher Louis de Funès, ein quirliges Temperamentsbündel, mit der Burschikosität und dem hinreißenden Charme einer Annie Girardot. François Cluzet (unvergessen z. B. aus ZIEMLICH BESTE FREUNDE) muss sich richtig anstrengen, um neben ihr zu bestehen und schafft es mit seinem unwiderstehlichen scheuen Lächeln und viel darstellerischer Disziplin, aus seiner nicht unbedingt dankbaren Rolle als überkorrekter, desillusionierter Heimleiter das Beste herauszuholen, ebenso Chantal Neuwirth als Sabine, deren Herz ebenso groß ist wie ihr Umfang. Ein bisschen zu kurz kommt Fatou Kaba, die mehr verdient hätte als die Rolle des gelegentlichen Sidekicks für Cathy. Yannick Kalombo als Gusgus erobert alle Herzen im Sturm, und auch die übrigen jungen Laiendarsteller liefern engagierte und von viel Leidenschaft getragene Auftritte. Gelegentliche Holprigkeiten machen das Ganze eher noch liebenswerter.

Wie nicht anders von ihm zu erwarten, entwickelt Louis-Julien Petit auch diesmal aus der Grundidee vom Kochen als sinnstiftende, integrative und völkerverbindende Aktion eine Sozialkomödie, die trotz ihres ernsthaften Hintergrundes für mächtig gute Stimmung sorgt. Ein bisschen märchenhaft darf es dabei zugehen, und Fans der guten Küche dürfen sich außerdem auf hübsche Seitenhiebe beispielsweise gegen durchgeknallte Chefköche und überhandnehmende Kochshows freuen. Aber letztlich geht es um Qualität, was nicht nur für die Produkte in den Töpfen und auf dem Teller gilt, sondern auch für den Erfolg beim Publikum. Und hier stimmt die Qualität in jeder Beziehung. – Bon appetit!

 

Gaby Sikorski