Die Odyssee

Zum Vergrößern klicken

Über viele Jahre hinweg arbeitete Florence Miailhe an ihrem eindrucksvollen Film „Die Odyssee“. Der mit Öl auf Glas gemalte Film ist ein Meisterwerk der Handarbeit, ausgesprochen charmant und eigen und mit einer Geschichte, die für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gedacht ist, wenn davon erzählt wird, wie zwei Kinder nach einem Angriff auf ihr Dorf eine wahre Odyssee durchmachen.

Website: https://grandfilm.de/die-odyssee/

La traversée
Frankreich / Tschechien / Deutschland 2020
Regie: Florence Miailhe
Buch: Marie Desplechin, Florence Miailhe
Darsteller: Hanna Schygulla
Länge: 84 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 28.04.2022

FILMKRITIK:

Kyona und Adriel laufen durch den Wald, als sie aus der Richtung ihres Dorfes Rauch sehen. Es wird überfallen und so sind Kyona und Adriel gezwungen, mit ihren Eltern zu fliehen. Doch schon bald wird die Familie getrennt, woraufhin die Geschwister auf sich allein gestellt sind. Auf ihrer beschwerlichen Reise einem unbestimmten Ziel entgegen schließen sie neue Freundschaften, entfliehen immer wieder den Wirren des Krieges und werden schneller erwachsen, als ihnen selbst lieb sein kann.

Wie erzählt man eine Geschichte von Vertreibung und Flucht, von Hunger und Angst, von Krieg und Verheerung für ein junges Publikum, ohne dass man Kompromisse eingehen und abschwächen muss, was gezeigt wird? Die Antwort darauf hat Florence Miailhe gefunden, die mit „Die Odyssee“ einen Film abgeliefert hat, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat. Denn die Animation besteht aus Ölbildern, die auf Glas gemalt wurden. Das ist, als würde man ein bewegliches Ölgemälde vor sich sehen – ausdrucksstark, farbintensiv und ganz unverwechselbar.

Miailhe hat mit „Die Odyssee“ nicht dezidiert einen Kinderfilm erschaffen, aber er funktioniert auch für ein junges, empathisches Publikum, ebenso, wie erwachsene Zuschauer hier viel entdecken, das ihre Aufmerksamkeit bindet.

Die Geschichte kommt in etwas episodischer Struktur daher, da die beiden Geschwister von einem Abenteuer ins nächste stolpern und so u.a. auf eine Kinderbande treffen, die an jene aus Charles Dickens‘ „Oliver Twist“ erinnert, oder aber von einer Familie aufgenommen werden, die aber eigentlich nur den Jungen will. Immer wieder sind Kyona und Adriel gezwungen, erneut aufzubrechen. Das Buch mit den Zeichnungen, das Kyona mit sich führt, ist jedoch wie ein Art Wegweiser durch diesen Film.

Die Optik ist perfekt für die Geschichte. Das Farbspiel akzentuiert immer, was sich inhaltlich gerade tut, so dass aus düster-dunklen Bildern auch urplötzlich ausgesprochen lebendige und farbstarke Motive entstehen können. Die gemalten Bilder fangen die Stimmung auf eine Art ein, die weder in einem Realfilm, noch einem klassischen Animationsfilm so möglich gewesen wäre.

„Die Odyssee“ ist auf der DOK Leipzig 2021 mit dem Sonderpreis Gedanken-Aufschluss ausgezeichnet worden.

Peter Osteried