Dust of time

Zum Vergrößern klicken

Der Autorenfilm hat gegenwärtig wieder mal einen schweren Stand und soll sogar den Niedergang des Kinos beschleunigen. Dabei können viele der gescholtenen Regisseure auch heute locker mithalten. Theo Angelopoulos gehört jedoch nicht unbedingt dazu. Auf seinen jüngsten Film „Dust Of Time“ trifft zu, was Kritiker dem Autorenfilm insgesamt attestieren: dass die Zeit über ihn hinweggegangen ist.

Webseite: www.dustoftime.de

Griechenland, Italien, Deutschland, Russland 2008
Buch und Regie: Theo Angelopoulos
Kamera: Andreas Sinanos
Darsteller: Willem Dafoe, Bruno Ganz, Michel Piccoli, Irene Jacob, Christiane Paul
Länge: 125 Minuten
Verleih: NFP
www.nfp.de
Kinostart: 9. Juli 2009

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Theo Angelopoulos interessiert sich für die großen geschichtlichen Linien. Nichts weniger als die Bestandsaufnahme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nimmt der griechische Regisseur in den Blick. „Dust Of Time“ ist der zweite Teil einer Trilogie, die 2004 mit „Die Erde weint“ begann und sich um das Flüchtlingskind Eleni rankt. Im zweiten Teil hält Elenis Sohn, ein Filmemacher mit dem knappen Namen A. Rückschau auf das Leben seiner Mutter Eleni (Irene Jacob) und seines Vaters Spyros (Michel Piccoli), das durch die politischen Verwerfungen der Zeit geprägt wurde.

Die lebenslange Liebe zwischen den beiden beginnt während des Zweiten Weltkriegs. Spyros verschlägt es alsbald in die USA, Eleni in die Sowjetunion. Nach Stalins Tod will Spyros Eleni retten. Der Plan geht jedoch schief, Eleni wird nach Sibirien verbannt. Spyros und der gemeinsame Sohn müssen das Land verlassen. Erst in den siebziger Jahren gelingt Eleni die Ausreise an der Seite ihres treuen Begleiters Jacob (Bruno Ganz), eines deutschen Juden, der mehr als freundschaftliche Gefühle für sie hegt. Die Familie findet zusammen und etliche Jahre später, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, schließt sich der Kreis. In Berlin feiert die Familie Silvester. Auch Jacob ist dabei. Das Zeitalter der im 20. Jahrhundert herrschenden Ideologien, das die Hauptfiguren formte, geht seinem Ende entgegen.

Angelopoulos rückt nach eigenem Bekunden in seinem jüngsten Werk Heimatlose in den Mittelpunkt, die Grenzen überwinden müssen. Diese Exposition wird deutlich. Doch der Film kommt nicht weiter – er bleibt gewissermaßen am Anfang stehen. Denn erstens erfährt man so gut wie nichts über die Figuren und ihre lebenslangen Erfahrungen und zweitens beschränkt sich die Handlung auf die Inszenierung der einschneidenden Wegmarken auf der Straße des Schicksals, das die Figuren schließlich gnädig zusammenführt. Angelopoulos, auch früher schon mehr an Stimmungen als an Handlung und Dynamik interessiert, bietet seinen Schauspielern in langen Einstellungen viel Raum zum Agieren. Das gibt ihren Figuren immerhin etwas Entrücktes: Wie unruhige Geister irren sie durchs 20. Jahrhundert.

Auf die Dauer ist dies jedoch kein visuelles Vergnügen. Allzu oft sehen die Schauspieler allein gelassen und ratlos aus – heimatlos im eigenen Film. Trister Höhepunkt ist eine minutenlang zerdehnte Szene am Berliner U-Bahnhof Wittenberger Platz. Piccoli, Jacob und Ganz sehen aus wie bestellt und nicht abgeholt. Die Darsteller-Ikonen vergangener Tage können einem leid tun. Und man fragt sich nicht zum ersten Mal, was einem der Regisseur wohl sagen will.

Zur Verrätselung trägt bei, dass der Film ständig zwischen Gegenwart und Vergangenheit springt und nicht immer klar ist, auf welcher Zeitebene er sich gerade befindet. Und wenn Regisseur A. in seinem eigenen Film auftaucht, kann irgendwie nicht alles mit rechten Dingen zugehen. Beim realen Regisseur erlahmt indes mit zunehmender Filmlänge offenkundig der Gestaltungswille. Weisen die Bildertableaus nach Stalins Tod noch Präzision und Stilwillen auf, verlieren sich die späteren Bilder im Kulissenhaften. Die Ausstattung ist bisweilen seltsam. Über Angelopoulos’ Berlin der Nachwende-Zeit etwa kann man nur den Kopf schütteln. Das Grundproblem ist jedoch das Statuenhafte der Figuren, auf die sich schwer der „Staub der Zeit“ legt, den der Filmtitel beschwört. Er trifft auch auf Angelopoulos’ Erzählstil zu, der viel stilisierten Leerlauf produziert. Die Vorfreude auf Teil drei seiner Trilogie ist sehr gedämpft.

Volker Mazassek

.