Kinder der Seidenstrasse, Die

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Sehr lose auf wahren Begebenheiten basierend, erzählt Roger Spottiswoodes Film eine jener beliebten Heldengeschichten, in denen ein weißer Mann Menschen in einem unterentwickelten Land aus der Armut befreit. Schauplatz ist diesmal China während des Zweiten Weltkrieges, ein Sujet, das sich momentan großer Beliebtheit erfreut. So banal, unhistorisch und apolitisch wie in „Die Kinder der Seidenstrasse“ dürfte ein Aspekt der komplexen Geschichte Chinas jedoch selten behandelt worden sein.

Webseite: www.3rosen.com

The Children of Huang Shi
Regie: Roger Spottiswoode
Buch: James MacManus, Jane Hawksley
Kamera: Xiaoding Zhao
Schnitt: Geoffrey Lamb
Musik: David Hirschfelder
Darsteller: Jonathan Rhys Meyers, Radha Mitchell, Chow Yun-Fat, Michelle Yeoh, David Wenham, Guang Li
Australien, China, Deutschland 2007, 124 Minuten, Format: 1:2,35
Verleih: 3Rosen Filmverleih
Kinostart: 24.9.2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Als vor gut 20 Jahren Bernardo Bertolucci die Erlaubnis erhielt in China, sogar in der Verboten Stadt, drehen zu dürfen, war das eine Sensation. Heutzutage ist die Situation eine andere, selbst ein Florian Gallenberger erhält eine Dreherlaubnis. Mit der zunehmenden Öffnung Chinas und dem absehbaren Interesse an einem Land, dass filmisch bislang wenig „abgearbeitet“ ist, darf man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren etliche Filme aus und über China folgen. Der Preis, den Filmemacher aus dem Westen (und oft auch einheimische Regisseure) dafür zahlen müssen in China – vor unverbrauchten Landschaften – drehen zu dürfen, ist eine weitreichende Kontrolle über den Inhalt der gedrehten Filme. Dass kann wie bei den letzten Filmen Zhang Yimous unverhohlene Propaganda bedeuten, aber auch, wie im Fall der „Kinder der Seidenstrasse“, eine betont antihistorische Herangehensweise.

Was der Film erzählt ist zwar nicht grundsätzlich falsch, wie so oft liegt das Problem darin, was er auslässt und was er, aus scheinbarer dramaturgischer Notwendigkeit, hinzudichtet. Im Film kommt der junge, etwas naive und sehr idealistische Oxford-Absolvent George Hogg (Jonathan Rhys Meyers) 1937 nach China. Er gerät nach Nanking und wird Zeuge des Massakers der japanischen Truppen an tausenden Zivilisten. Die Japaner verhaften ihn, wollen ihn als unliebsamen Zeugen umbringen lassen, doch ein heroischer kommunistischer Partisanenkämpfer namens Jack Chen (Chow Yun Fat) rettet ihm das Leben. In der Realität kam Hogg erst 1938 nach China und erlebte nichts dergleichen. Stattdessen schmuggelte er Waffen und Medikamente, kämpfte auf Seiten der Kommunisten in Guerilla-Aktionen gegen die Japaner und begann anschließend sich für Waisenkinder einzusetzen. Eigentlich eine spannende Geschichte, aber offenbar zu politisch für diesen Film. Das hätte schließlich bedeutet, sich mit dem Verhältnis der Kommunisten zu den von Chiang Kai-shek angeführten Nationalchinesen auseinander zu setzen, vielleicht sogar die Gräueltaten aller Seiten zu thematisieren.

Stattdessen stellt der Film Hogg eine reizende Krankenschwester an die Seite (die in Wirklichkeit, man muss es kaum erwähnen, nicht existiert hat), mit der er 60 Waisenkinder 1000 Kilometer, über schneebedeckte Berge, durch weite Wüsten in Sicherheit bringt. Auch das wäre noch eine anrührende Geschichte gewesen, unterstützt durch sympathische chinesische Laiendarsteller und eindrucksvolle, rohe Landschaften, doch die Banalität der Dialoge übersteigert jede Emotion in absurdes Pathos. „Die Kinder der Seidenstrasse“ stimmt vorne und hinten nicht, allein der Umgang mit den verschiedenen Sprachen kann nur für Kopfschütteln sorgen: Phasenweise spricht jeder für die Geschichte wichtige Chinese makelloses Englisch (bzw. in der Synchronfassung Deutsch), dann wieder muss Jonathan Rhys Meyers seine chinesischen Dialoge absurderweise selbst noch einmal auf Englisch sprechen, aus keinem anderen Grund, als dem Zuschauer Untertitel zu ersparen.

Die schönsten Momente dieses Films kommen dann während des Abspanns: Da sieht man die überlebenden, inzwischen alt gewordenen Waisenkinder, die sich an George Hogg erinnern und in wenigen Minuten mehr über diesen Menschen erzählen, als man während der zwei vorhergehenden Stunden erfahren hat. Hätten man sie doch in den Mittelpunkt eines Dokumentarfilms gestellt, statt an das Ende eines banalen, auf die angeblichen Bedürfnisse eines westlichen Publikums zugeschnittenen, biographischen Films.

Michael Meyns

30er Jahre in China. Die Japaner wollen große Teile des Landes an sich reißen, und sie erweisen sich dabei nicht nur als nicht zimperlich, sondern stellen sich als grausame Mörder heraus. George Hogg, Oxford-Absolvent und als Amateurjournalist unterwegs, wird in Nanking Zeuge schrecklicher Erschießungen von Zivilisten, fotografiert alles, wird jedoch von den japanischen Soldaten gestellt und steht vor seiner Hinrichtung.

Eine Truppe chinesischer Widerstandskämpfer unter Jack Chen befreit ihn in letzter Sekunde. Auf der Flucht bricht Hogg zusammen und erwacht Tage später in einem Feldlazarett, wo er von der amerikanischen Krankenschwester Lee Pearson gepflegt wird. In dem weit abgelegenen Huang Shi, sagt Lee, solle er sich erholen.

Dort trifft er auf ein Waisenhaus. 60 verwahrloste Jungen bewohnen es. Was hat Hogg damit zu tun? Er will sobald wie möglich wieder weg.

Doch humanistische Gefühle gewinnen in ihm die Oberhand. Nicht nur will er bleiben und die Kinder nicht ihrem Schicksal überlassen, nein, er richtet mit ihnen das Waisenhaus her, beschafft Nahrung, wird ihr Lehrer, beginnt sich mit den kleinen Chinesen eins zu fühlen.

Ab und zu kommt Lee vorbei, die mit Chen ein Verhältnis hatte, gelegentlich auch Chen. Die Liebe zwischen Hogg und Lee wächst.

Die Japaner drohen Huang Shi einzunehmen. Also fort. Über 700 Kilometer geht die Flucht, die über 90 Tage dauert. Die Gruppe muss ein hohes Gebirge überwinden. Manchmal japanischen Luftangriffen ausgesetzt, hat die Not fast kein Ende.

Ein menschlich gesinnter Bürgermeister lässt den Trupp die letzten 300 Kilometer in Lastwagen zurücklegen. Endlich an Ort und Stelle. Hogg aber hat sich bei einer Autoreparatur einen Tetanus-Infekt zugezogen. Die Konsequenz ist unausweichlich.

Das Wichtigste: Es handelt sich um eine wahre Geschichte! Wie die Japaner in den 30er Jahren in China hausten, wird erschreckend spürbar. Und was George Hogg an Humanitärem leistete ebenfalls. Das ist aller Ehren wert.

Gleichwohl ist die Machart des Films traditionalistisch – salopp gesagt nach Art der Hollywood-„Schinken“. Auch wurden in den angedeuteten Liebesgeschichten nicht alle sentimentalen Klischees vermieden. Unter Berücksichtigung dieser stilistischen wie thematischen Einschränkungen machen Jonathan Rhys Meyers (George Hogg), Radha Mitchell (Lee Pearson) und Chow Yun Fat (Jack Chen) ihre Sache aber gut.

Die humanitäre Großtat des Briten George Hogg im japanisch besetzten China der 30er Jahre, in einem stilistisch sehr traditionalistisch gestalteten Film teilweise menschlich berührend erzählt.

Thomas Engel