In Deutschland hat die Aufarbeitung der Corona-Pandemie gerade erst begonnen, in Hollywood ist sie schon Stoff für eine Satire. „Eddington“, eine fiktive Stadt in New Mexico, ist Schauplatz von Ari Asters Neo-Western, in dem Joaquin Phoenix als Sheriff einer Kleinstadt zunehmend die Kontrolle verliert, sich mit Maskenmandaten und politisch korrekten Aktivisten herumschlägt und eine Spur der Verwüstung hinterlässt.
Über den Film
Originaltitel
Eddington
Deutscher Titel
Eddington
Produktionsland
USA
Filmdauer
145 min
Produktionsjahr
2025
Produzent
Aster, Ari / Knudsen, Lars
Regisseur
Aster, Ari
Verleih
Leonine Distribution GmbH
Starttermin
17.07.2025
Ende Mai 2000 beginnt „Eddington“, als Corona schon da war, aber noch nicht überall. In der Kleinstadt Eddington im südlichen Bundesstaat New Mexico etwa. Eine Maskenpflicht gibt es dennoch, der Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) hat es so angeordnet. Die meisten Bewohner halten sich an die Vorgabe, der Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix) dagegen ist nicht überzeugt von der Notwendigkeit, schließlich gäbe es in Eddington kein Corona.
Ein Querdenker oder Corona-Leugner ist Cross allerdings nicht, die bizarren Verschwörungstheorien, die seine Frau Louise (Emma Stone) bei ihrem übermäßigen Internet-Konsum inhaliert, nimmt er nicht ernst, ebenso wenig den selbsternannten Guru Vernon (Austin Butler), der von Horden verschleppter und vergewaltigter Kinder schwadroniert und sich selbst als Missbrauchsopfer geriert.
Doch als Louise mit Vernon durchbrennt, beginnt die heile Welt von Joe Cross zusammenzubrechen. Zumal nach dem Tod George Floyds auch in Eddington junge Menschen zu Black Lives Matter-Protesten zusammenfinden, Weiße sich selbst kasteien und Geschäfte geplündert werden. Die Welt gerät zunehmend aus den Fugen und dass in den USA Schusswaffen fast in jedem Supermarkt zu kaufen sind, sorgt nicht dafür, dass die Demonstrationen friedlich bleiben.
In seinem vierten Film „Eddington“ macht Ari Aster keine Gefangenen. Falls sich Querdenker in den ersten Minuten freuen, dass Hauptdarsteller Joaquin Phoenix einen Maskenskeptiker spielt, werden sie bald eines besseren belehrt, so sie belehrbar wären. Aster teilt in alle Richtungen aus, entlarvt sowohl all die abstrusen Verschwörungstheorien, die hinter allem und jedem ein Komplott der Mächtigen sehen, aber auch die Selbstgerechtigkeit meist junger, weißer Aktivisten, die wenig Ahnung haben, das aber lautstark.
Und über allem schwebt Donald Trump, der zwar nicht namentlich genannt wird, aber fraglos einer der Nutznießer des ideologischen und moralischen Chaos ist, in das die USA seit längerem abdriften. Nicht erst seit Corona, aber durch die Extreme der Pandemie verstärkt und beschleunigt.
Anfangs bleibt oft das Lachen im Halse stecken, wirkt „Eddington“ da doch weniger wie eine Satire, als eine hellsichtige Darstellung der Absurditäten der Corona-Pandemie. Doch der Nihilist, der unzweideutig in Aster steckt, will es nicht dabei belassen und lässt seine Geschichte bald vollkommen aus dem Ruder laufen. Und hier kommen die Waffen ins Spiel, die gerade im amerikanischen Mittelwesten allgegenwärtig scheinen und unverhohlen zur Selbstverteidigung und manch anderen eingesetzt werden.
Ein zunehmend blutiger Exzess entwickelt sich, unmoralisch und nihilistisch und wenn man so will auch hoffnungslos. So extrem wie in den USA mag die Lage in den meisten europäischen Ländern noch nicht sein, aber wir befinden uns auf dem besten Weg dahin. Ob die Entwicklungen der letzten Jahre umgedreht werden können ist die Frage, die sich am Ende von „Eddington“ stellt, auch nur einen kleinen Funken Hoffnung gönnt Ari Aster seinen Figuren nicht.
Michael Meyns