Ein Sommersandtraum

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Eine Mischung aus romantischer Komödie, Beziehungsdrama und Fantasyfilm ist „Ein Sommersandtraum“ des Schweizer Regisseurs Peter Luisi. Weil Benno ein falsches Leben lebt zerrinnt er zu Sand, ein Prozess, den er mit zunehmender Verzweiflung, in zunehmend surrealen Wendungen zu stoppen sucht, bis er realisiert, was er wirklich will. Ein origineller, ungewöhnlicher Film, der mit einfachsten Mitteln große Effekte erzielt.

Webseite: www.neuevisionen.de

Schweiz 2010,
Regie, Buch: Peter Luisi
Darsteller: Fabian Krüger, Frölein Da Capo, Beat Schlatter, Florine Elena Deplazes, Sigi Terporten
Länge: 90 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 21. Juli 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Benno (Der Schweizer Theaterschauspieler Fabian Krüger) liebt die Ordnung. Den Rhythmus seines Lebens soll nichts durchbrechen, die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben, nicht gefährdet werden. Jeden Morgen vollführt Benno die gleichen Tätigkeiten, wirft nach der Dusche das Handtuch auf die immergleiche Weise um den Körper, zieht die immergleiche, Dandyhafte Kleidung an und geht ins Cafe. Dort trifft er auf die Kellnerin Sandra (Frölein Da Capo), die ihn jeden Morgen aufs Neue fragt, ob er seinen Kaffee schwarz möchte. Spätestens wenn Benno Sandra an den Kopf wirft, dass sie eine untalentierte, hässliche Person sei, an der er so gar kein Interesse hat, ist klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Doch bis es soweit ist, bis Benno einige Wahrheiten über sein Leben und sein Wesen begriffen hat, lässt ihn Regisseur Peter Luisi einen wahren Alptraum durchleben.

Es beginnt ganz unscheinbar: Auf dem Verkaufstresen des Briefmarkengeschäfts, in dem Benno seine penible Natur perfekt ausleben kann, finden sich ein paar Sandkörner. Deren Herkunft kann sich niemand erklären doch bald wird deutlich, dass Benno der Verursacher ist. Mit einiger Panik erwacht er am Morgen in zunehmend größer werdenden Sandmengen, die er anfangs noch verzweifelt zu beseitigen sucht. Doch die Menge Sand, die aus ihm rieselt wird immer größer, die Versuche sein merkwürdiges Problem zu verheimlichen immer absurder. Benno hat sich in eine Art Sandmann (so auch der schweizerische Originaltitel) verwandelt und wie es sich für einen Sandmann gehört, lässt sein Sand sofort einschlafen. Bald stellt Benno fest, dass die so verhasste Kellnerin Sandra dieselben Träume hat wie er, das es eine symbiotische Beziehung zwischen diesen so unterschiedlichen Menschen gibt, die zunächst aber nur im Traum besteht.

„Schöne Metapher“ heißt es an einer Stelle des Films, als ein Psychiater Bennos Problem anhört, aber keinerlei glauben schenkt. Und genau das ist die Grundidee von „Ein Sommersandtraum“: Eine schöne Metapher, die zudem so lose eingesetzt wird, das viel Raum für persönliche Interpretationen bleibt. Ganz behutsam spitzt Peter Luisi die Situation zu, lässt Benno nach seiner anfänglichen Verzweiflung erst eine Phase der Ruhe durchleben, in der Benno sein Problem für kurze Zeit als Vorteil versteht und für allerlei Schabernack auszunutzen weiß. Vor allem für das egozentrische Verhalten, dass er ablegen muss, um sein zerrieseln zu beenden. Eigentlich eine sehr moralische Erzählung, die Luisi aber angenehm subtil und eben ohne moralischen Zeigefinger erzählt. (Man mag sich gar nicht ausmalen wie moralinsauer eine durchaus möglich erscheinende Hollywood-Neuverfilmung des Stoffes aussehen würde.) Das fantastische Element fügt sich erstaunlich nahtlos in die Erzählung ein, der Wechsel zwischen Realität und Traumebene, in der Benno und Sandra zunehmend viel Zeit verbringen erfolgt nahtlos und die beiden sympathischen Hauptdarsteller tun ihr übriges um „Ein Sommernachtstraum“ zu einem rundum gelungenen Sommerfilm zu machen.

Michael Meyns

Eigentlich müsste es Benno bestens gehen. Er sieht gut aus, hat in seinem Briefmarkengeschäft einen festen Job, hört mit Vergnügen klassische Musik, und eine schöne Freundin fehlt ihm auch nicht.

Seinen Frühstückskaffee trinkt er allmorgendlich in Sandras Laden, der unterhalb seiner Zürcher Wohnung liegt. Sandra allerdings macht ihm das Leben – genauer gesagt das Schlafen – schwer, denn sie macht mit ihrer Trompete und ihrer Stimme nachts laut Musik – und was für welche.

Da geschieht etwas Seltsames. Aus Bennos Körper fließt Sand. Zuerst sind es kleine Mengen, und er kann es noch verbergen, doch dann wird es immer mehr. Sogar gefährlich mehr.

Der Arzt kann nicht helfen, der Fernsehwahrsager nicht, der Therapeut ebenfalls nicht. Langsam erkennt Benno, dass das Phänomen mit dem Schlaf, mit den Träumen und mit Gerüchen zu tun hat, die dem Sand entströmen. Wer den Geruch einatmet, fällt in tiefen Schlaf. So geht es Bennos Freundin, so geht es Sandra, so geht es Bennos Arbeitskollege Max.

Die Situation wird immer befremdlicher. Das Sandphänomen hat mit Bennos Körpergewicht, mit Sandra und auch damit zu tun, ob er die Wahrheit sagt oder lügt.

Einst stritt er sich ständig mit Sandra, jetzt stellt sich heraus, dass ihre gemeinsamen Träume, dass beider mögliche Liebe der Schlüssel zu allem sind.

Der Sand könnte eine Metapher sein. Aber für was? Der Autor und Regisseur verrät es nicht. Der Kinozuschauer ist sich selbst überlassen.

Ist der Sinn dieses „modernen Märchens“ auch nicht schlüssig – es geht Peter Luisi zufolge „um die Diskrepanz zwischen dem, was jeder Mensch sein könnte, und dem, was er tatsächlich ist“ – so ist doch die Inszenierung flüssig. Beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken gab es sogar den Publikumspreis.

Besetzt ist der Film erstklassig. Fabian Krüger (Wiener Burgtheater) haucht dem Ganzen ständig reges Leben ein. Irene Brügger alias Einfrauenorchester „Frölein Da Capo“ hat hier ihre erste Kinorolle, die sie äußerlich reizend und spielerisch gut meistert.

Eine sehr „sandige“ Rätselkomödie.

Thomas Engel