Eleganz der Madame Michel, Die

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Drei unterschiedliche Charaktere begegnen sich in einem edlen Pariser Wohnhaus: Die Concierge-Dame, ein junges Mädchen und ein japanischer Witwer. In ihren Gesprächen und den zarten Gesten untereinander sehen sie für kurze Zeit das Leben aus anderen Augen. Ein sehenswertes Drama, das zwar zwischen den Genres springt und eine klare Haltung zu seinen Figuren vermissen lässt, aber von seinen kleinen und liebevollen Beobachtungen lebt.

Webseite: www.madamemichel.senator.de

OT: La Hérisson
Frankreich 2009
Regie und Buch: Mona Achache (nach dem Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barberry
Darsteller: Josiane Balasko, Garance Le Guillermic, Togo Igawa, Anne Brochet, Ariane Ascaride, Wladimir Yordanoff, Sarah Le Picard, Jean-Luc Porraz, Giséle Casadeus
Länge: 99 Minuten
Verleih: Senator
Kinostart: 6.4.2010

PRESSESTIMMEN:

Wie drei Sonderlinge sich gegenseitig das Leben leichter machen, erzählt Mona Achaches Komödie mal nachdenklich, mal amüsant und immer warmherzig.
STERN

FILMKRITIK:

Die Verfilmung von Muriel Barberys Besteseller „Die Eleganz des Igels“ ist das Porträt dreier Einzelgänger, die für einen kurzen Moment den Zauber des Lebens wiederentdecken. Die kratzbürstige Madame Michel (Josiane Balasko) arbeitet als Concierge in einem noblen Pariser Appartement-Haus und erledigt seit Jahrzehnten in schnöder und wortkarger Manier ihre Pflichten. Zu den Nachbarn wahrt sie höfliche Distanz, die einzige emotionale Bindung kann sie nur zu ihren Büchern aufbauen, die sich in ihrer Wohnung bis unter die Decke stapeln. Auch die 11-jährige Paloma (Garance Le Guillermic) lebt ein paar Stockwerke höher in gefühlter Isolation. Entfremdet von der Distanz und Hochnäsigkeit ihrer bourgeoisen Eltern, will sie an ihrem 12. Geburtstag Selbstmord begehen und ihre Traumwelt des Zeichnens verlassen, in die sie sich das junge Mädchen täglich hineinträumt.

Der neue Bewohner des Hauses, der liebenswerte und gleichzeitig mysteriöse japanische Witwer Kakuro (Togo Igawa), sorgt nicht nur für willkommene Abwechslung in den alltäglichen Treppenhaus-Begegnungen, sondern entfacht mit Charme und Kultiviertheit sowohl bei der rüstigen Madame Michel als auch bei der jungen Paloma neues Feuer und Lebensmut. Den unterschiedlichen Charakteren begegnet Regisseurin Mona Achache mit dem etwas unbeholfenen Sprung zwischen den Genres: Der Liebesgeschichte zwischen Witwer und Concierge setzt sie die makabre Coming-of-Age-Story des jungen Mädchens entgegen, die auf beiden Seiten in ihrer Intensität und Tiefe nur angedeutet werden. Die zarten Annäherungsversuche und der langsame Erzählfluss entsprechen somit den Begegnungen und Gesprächen mit Nachbarn im Treppenhaus, die ein jeder selber kennt: Gepflegte Langeweile, die man trotzdem gerne kultiviert.

Den Zauber und die Fantasie, die Begegnungen zwischen extrem unterschiedlichen Charakteren und Generationen haben können, formulierte Muriel Barbery in ihrer Buchvorlage galant wie treffend. Jenen Eindruck lässt die Verfilmung auch deshalb vermissen, weil Regisseurin Mona Achache keine klare Haltung zu ihren drei Figuren einnimmt, die eher wie Geister zwischen den Etagen schweben. Dennoch bleibt der Film sehenswert, der auf dramaturgischer Ebene vielleicht enttäuschen mag, aber von seinen kleinen und detailreichen Beobachtungen lebt. Besonders die Fähigkeit, die Welt aus den Kinderaugen der 11-jährigen Paloma einzufangen, ist bemerkenswert. Ohnehin verbirgt sich hinter dem suizidären und präpubertären Mädchen doch eigentlich ein viel interessanter Charakter als hinter der titelgebenden Concierge-Dame. Doch davon in variierter Form dann vielleicht in einem anderen Film.

David Siems

Ein bürgerliches Mietshaus in Paris. Darin sind viele zuhause, aber auf drei Personen konzentriert sich der Film.

Da ist zuerst einmal die 12jährige Paloma, ein aufgewecktes Mädchen, das aber die Welt, die Menschen und die Lebensumstände nicht besonders gut findet und deshalb beschlossen hat, sich umzubringen – und zwar in 165 Tagen. Bis dahin führt sie jedoch noch genau Buch. Sie fotografiert außerdem viel: ihre psychisch angeschlagene Mutter, ihre zickige Schwester und andere.

Dann ist da Madame Renée Michel, die Concierge. Sie lebt bescheiden, fast unbeachtet, und dennoch steckt viel mehr in ihr, als es den Anschein hat. Sie ist beispielsweise sehr belesen.

Neu eingezogen ist der Japaner Kakuro Ozu, ein zurückhaltender nobler Herr, über den jedoch niemand viel weiß.

Auf beinahe schicksalhafte Weise bekommen es die drei miteinander zu tun. Zuerst begegnen sie sich nur im Flur oder im Aufzug. Dann freundet sich Paloma mit Kakuro an und besucht ihn regelmäßig. Das Mädchen entdeckt auch die Concierge, rettet sich zu ihr in deren einfache kleine Wohnung, plaudert mit ihr, trinkt mit ihr Tee. Es sieht so aus, als fange Paloma an, ihre Lebenseinstellung zu ändern.

Kakuro wirft ein Auge auf Renée, unternimmt vorsichtige Annäherungsversuche, lädt die Frau zum Essen und Ausgehen ein; die Liebe scheint im Anmarsch zu sein.

Ein kleiner Blick auf Alltägliches, Schicksalhaftes vielleicht auch, auf menschliche Berührungspunkte, insgesamt ein Schlaglicht auf drei Menschen und ihre individuellen Lebensformen sowie ihre latente Verbundenheit.

Ein Film mit atypischem, eigenem, zeitlosem, fast märchenhaftem Charakter, gestützt auf eine literarische Vorlage. Den Personen und dem Milieu zu folgen ist aber durchaus angenehm und unterhaltsam, wenn auch nicht sonderlich anspruchsvoll. Formal herrscht gute Routine vor.

Besonders geglückt ist die Besetzung der Rolle der Renée Michel mit Josiane Balasko. Sie spielen zu sehen ist immer ein Vergnügen und animierend. Aber auch die Paloma ist darstellerisch sozusagen nicht von schlechten Eltern. Das Mädchen heißt Garance le Guillermie. Den Namen kann man sich merken.

Thomas Engel