Bildnis des Dorian Gray

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Zahllose Verfilmungen des einzigen Romans von Oscar Wilde hat es im Laufe der Filmgeschichte gegeben, nun schlüpft der ausgesprochen hübsche Ben Barnes in die berühmte Rolle. Teils drastisch modernisiert inszeniert Oliver Parker die Geschichte des unmoralischen Lebemanns Dorian Gray, dessen Bildnis seine Sünden widerspiegelt, als gotisches Schauermärchen. Eine Entscheidung, die man als bedingt gelungen bezeichnen kann.

Webseite: www.doriangray-derfilm.de

GB 2009
Regie: Oliver Parker
Drehbuch: Toby Finlay, nachdem Roman von Oscar Wilde
Kamera: Roger Pratt
Schnitt: Guy Bensley
Musik: Charlie Mole
Darsteller: Ben Barnes, Colin Firth, Ben Chaplin, Rebecca Hall, Rachel Hurd-Wood, Fiona Shaw
Länge: 118 Min.
Verleih: Concorde
Kinostart: 15. April 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Oliver Parker hat Erfahrungen mit Oscar Wilde-Verfilmungen. Mit „Ein perfekter Ehemann“ und „Ernst sein ist alles“ adaptierte er zwei Theaterstücke des großen britischen Satirikers und macht sich nun an den einzigen veröffentlichten Roman von Wilde. Zigfach ist die Geschichte des schönen Jünglings Dorian Gray schon verfilmt worden, der als unbedarfter junger Mann nach London kommt, um dort von Lord Henry Wotton mit allen Möglichkeiten des Exzess bekannt gemacht zu werden. Vorher hält der Maler Basil Hallward Dorians makelloses Antlitz im titelgebenden Portrait fest. Ein beiläufig ausgesprochenes Verlangen nach ewiger Jugend setzt die Geschichte in Gang. Fortan kann sich Dorian jeglichen Exzessen hingeben, ohne das sich die Spuren körperlichen und seelischen Verfalls auf seinem Gesicht zeigen. Stattdessen verfällt zusehends das Bildnis.

In früheren Verfilmungen wurde dieser Verfall eher dezent mittels diverser stetig hässlicher werdender Gemälde gezeigt. Im 21. Jahrhundert reicht das offenbar nicht aus: Hier kriechen Maden aus dem Bild, gebärdet sich der gemalte Dorian wie ein Gefangener im Rahmen, der seinem makellosen Gegenüber an die Gurgel gehen will. Und auch sonst spart Oliver Parker nicht mit meist eher plakativen Szenen, um das schon im Roman angelegte gotische Horrorelement auf die Leinwand zu bringen. Bedrohliche Schatten, bombastische Musik, bluttriefende Mordszenen, nichts wird ausgelassen.

Wesentlich überzeugender wirkt der Film in jenen Momenten, in denen er sich ganz auf die Schauspieler konzentriert. Colin Firth als Lord Wotton überragt alle, aber auch der junge Ben Barnes ist für die schwierige Rolle des makellosen Dorian Gray keine schlechte Wahl. Zumindest in jenen Szenen, in denen er seinen Charme spielen lässt, Dorians zunehmendes Selbstvertrauen, dass ihn zum Liebling der Londoner Gesellschaft werden lässt, andeutet. An einen Dorian Gray, wie ihn einst Helmut Berger in einer der besten Verfilmungen des Stoffs verkörperte, kommt Barnes allerdings nicht heran. Dafür fehlt ihm dann doch die schauspielerische Klasse, die nötig wäre, um die langsame Erkenntnis Dorians glaubwürdig darzustellen, dass ihn seine Exzesse zu einer seelenlosen Fassade gemacht haben.

Ohnehin schafft es diese neue Verfilmung nur selten, die ethisch-philosopischen Fragen der Vorlage anzudeuten. Dass Parker und sein Drehbuchautor einige Änderungen und Straffungen vorgenommen haben ist unvermeidlich. Doch letztlich ist ihre Version des „Bildnis des Dorian Gray“ wenig mehr als eine oberflächliche Gruselgeschichte, angereichert mit einigen Horrorelementen, die für sich genommen akzeptable Unterhaltung ist, dem Geist der Vorlage aber kaum gerecht wird.

Michael Meyns

Dorian Gray kommt zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder nach London, wo er das prächtige Haus seines Großvaters geerbt hat. Langsam findet der ursprünglich scheue und zurückhaltende Junge Gefallen am großbürgerlichen und ziemlich dekadenten Gesellschaftsleben der Hauptstadt. Größeren Einfluss darauf haben der durch seinen Zynismus auffällig gewordene Lord Henry Wotton sowie der Kunstmaler Basil Hallward, der von dem schönen Dorian ein Aufsehen erregendes Bild anfertigt.

Nicht zuletzt durch die Perfektion dieses Gemäldes wird bei Dorian das Verlangen nach Schönheit, Ästhetik und Jugend zum Wahn. Dieser mündet in ein gedankenloses Versprechen: Seine Seele würde er dafür geben, dass nicht er, sondern das Bild altert.

Und das geschieht denn auch.

Die Zeit der ersten Liebe ist da. Sybil ist die Auserwählte. Aber wieder unter dem Einfluss Wottons lässt Dorian seine Heiratsabsicht fallen. Sybil verkraftet es nicht. Sie stirbt.

Als hätte er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, altert nicht Dorian, sondern sein Bildnis. Als Basil dies erkennt, will er sein Gemälde vernichten. Dorian kann nicht zulassen, dass sein Geheimnis bekannt wird. Er tötet Basil.

Denn aus dem schönen Gemälde wird allmählich eine Schreckensvision. Deshalb kehrt Dorian London den Rücken. Erst nach einem Vierteljahrhundert kehrt er zurück. Die Menschen seiner Umgebung sind gealtert, Dorian nicht. Wottons Tochter Emily hat es ihm jetzt angetan. Doch der Zauber, dem Dorian verfallen war, nähert sich dem Ende.

Es handelt nicht um eine Verfilmung des berühmten gleichnamigen Oscar-Wilde-Romans, sondern um eine freie Nachbildung, die sich an die literarische Vorlage anlehnt. Die Themen: Schönheits- und Jugendwahn (heute aktueller denn je); faustisches Streben, um des Jung- und Schönseins willen sogar die eigene Seele zu verkaufen; Dekadenz der Gesellschaft, auf Vergnügen, Suff und Sex ausgerichtet; Zynismus, der möglichst alles überspielen soll.

All das ist in eine überbordende Ausstattungs-, Schauplatz-, Kostüm-, Etiketten- und Stilform gekleidet, so dass abgesehen von unnötigen Horrorzutaten kinomäßig einiges geboten und zu holen ist – besonders auch bei den Dialogen. Nicht mehr und nicht weniger.

Gespielt wird sauber von Ben Barnes (Dorian), Ben Chaplin (Basil), Rachel Hurd-Wood (Sybil), Rebecca Hall (Emily) oder sogar höchst beachtlich von Colin Firth (Lord Henry Wotton).

Thomas Engel