Empire Me – Der Staat bin ich

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In seinem dokumentarischen Abenteuerfilm EMPIRE ME - DER STAAT BIN ICH! unternimmt Paul Poet, selbst Veteran alternativer Netzwerke und sozialer Experimente, eine Reise zu sechs "Gegenwelten", die unterschiedliche Strömungen dieser alternativen Bewegungen aussagekräftig repräsentieren.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Österreich / Luxemburg / Deutschland 2011
Regie: Paul Poet
Darsteller/Mitwirkende: Caledonia Curry, Robert Jelinek, Leonard Casley, John Rinaldi, Achim Ecker, Erwin Strauss, James Bates
FSK: ab 12 - Fassung: O.m.d.U. -
Länge: 98 Min.
Kinostart: 19.1.2012
Verleih: Real Fiction

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Immer wieder haben die Menschen um gemeinschaftliche Organisations- und Regierungsformen gekämpft: um das Königreich, um die Diktatur, um die Demokratie, um eine Staatenunion, um den „Völkerbund“, um die UNO und viele andere mehr.

Aber es gibt auch Menschen, die von allem frei leben wollen, die sich als Individualisten verstehen, die ganz einfach nur „Bürger“ sind, die eine eigene Vorstellung von ihrer Existenz haben, die sich nicht sagen lassen, was die Allgemeinheit vorschreibt.

Zu Beginn des Films plädiert einer dafür, dass es in unserer Zeit überhaupt unmöglich geworden sei, anders als individuell zu leben. Sinngemäß: In einem Zeitalter, in dem immer mehr Atomwaffen im Umlauf sind, leben größere Staatengebilde gefährlicher als kleine Einheiten, als Mikronationen.

Paul Poet hat überall in der Welt solche Kleinststaaten aufgespürt. Es gibt sehr viele davon. Über sechs berichtet er ausführlicher in seinem Film.

Da steht sechs Meilen von der englischen Küste entfernt eine alte 500 Quadratmeter große Plattform, von der aus im Krieg deutsche Flugzeuge beschossen wurden. Darauf hat der Radiopirat Roy Bates bereits 1966 einen „Staat“ gegründet, in dem erlaubt ist, was Geld bringt. Steuern existieren nicht. Dafür eine Server-Station, von der aus Webseiten verbreitet werden, die andernorts illegal wären.

In Australien lebt am Hutt River der „Monarch“ Leonard Casley. Auch er hat (inzwischen von den Beamten in Ruhe gelassen) schon in den 70er Jahren einen „Staat“ ins Leben gerufen – mit Briefmarken, Grenzkontrollen, zeremoniellem Brimborium, diplomatischen Vertretungen und nicht zuletzt mit einem Haufen Touristen, die ihn anstarren und von denen er wahrscheinlich lebt.

Unweit Turins liegt die unterirdische (von den dort lebenden „Jüngern“ erstellte) Tempelanlage Damanhur (inzwischen als Kulturgut anerkannt), in der die Bewohner Esoterik pur betreiben: mit Magie, mit dem Versuch zum Kontakt mit Göttern und Außerirdischen, mit dem Vorstoß in „andere Dimensionen“. Ebenfalls eine Art Mikronation.

Das „Zentrum für experimentale Gesellschaftsgestaltung“ (ZeGG) ist 80 Kilometer westlich von Berlin zu Hause. Lebensschwerpunkte: Problemaufarbeitung in der Gruppe, Ökologie, Selbstfindung und sexuelle Enttabuisierung.

Der bekannteste „Freistaat“, in dem neben vielem anderen die Subkultur beheimatet ist, ist Kopenhagens Christiania. Künstler und Anarchisten, Obdachlose und Drogendealer, alles ist präsent. Und alle kämpfen für den Erhalt ihres sezessionistischen Territoriums.

Bleiben die „schwimmenden Städte von Serenissima“, von amerikanischen Künstlern und Outlaws besetzte Flösse, mit denen diese über die Meere schippern. Jedes Jahr werden neue Flösse gebaut, und es geht von vorne los. Die für die Schifffahrt zuständigen Behörden stehen nicht selten vor einer unlösbaren Aufgabe, weil sie „für Kunst keine Regeln“ haben.

Bunteres und Verrückteres, Eigenartigeres und Eigensinnigeres, Rätselhafteres und Exotischeres, als von Regisseur Paul Poet nach wohl jahrelanger Arbeit in diesem Film gezeigt wird, kann es nicht geben. Esoterik, Mystik, Sex, „Fun“, Unsinn, internationales Seerecht und Politik – alles ist da. Es beweist wieder einmal die Vielfalt und die Individualität der Menschheit – insbesondere das über allem stehende Verlangen nach totaler Freiheit.

Thomas Engel

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