Engel des Bösen – Die Geschichte eines Staatsfeindes

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Renato Vallanzasca, einer der berühmtesten Verbrecher Italiens steht im Mittelpunkt von Michele Placidos Film. Ganz zeitgemäß ohne jegliche Erklärungsversuche oder Psychologisierung erzählt, entwirft „Engel des Bösen“ in seinen besten Szenen ein mitreißendes Porträt der italienischen Gesellschaft, kann den moralischen Fallstricken seines Sujets allerdings nicht immer entgehen.

Webseite: www.engeldesboesen.de

OT: Vallanzasca
Italien 2010
Regie: Michele Placido
Darsteller: Kim Rossi Stuart, Valeria Solarino, Moritz Bleibtreu, Filippo Timi, Pas Vega, Franceso Scianna
Länge: 128 Min.
Verleih: Fox
Kinostart: 24. Februar 2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Der Gangster ist einer der beliebtesten Typen des Kinos. Kein Wunder, kann sich doch gerade ein männliches Publikum kaum vor der Faszination drücken, die ein Mann auslöst, der sein Leben abseits der gesellschaftlichen Konventionen lebt, sich nimmt was er will, im Geld schwimmt, schnelle Autos fährt und von schönen Frauen umgeben ist. Wie geschaffen sind solche verführerischen Figuren für die Verführungsmaschinerie des Kinos, die mit ihren stilistischen Mittel – von Zeitlupenaufnahmen über pulsierende Musik bis zu verklärenden Kameraeinstellungen – den Gangster noch weiter überhöht. Und der es dann umso schwerer fällt, sich von der Faszination des Verbrechens zu lösen. Früher wurden da Momente der Reue und Selbsterkenntnis eingefügt frei nach dem Motto „Verbrechen zahlt sich nicht aus“, musste der Gangster am Ende das zeitliche segnen oder zumindest im Gefängnis landen.

Auch in zeitgenössischen Filmen endet der Gangster fast immer im Tod oder im Gefängnis, schließlich ist dies auch im echten Leben das kaum vermeidbare Ende eines kriminellen Lebens. Nur die Selbsterkenntnis, die Zweifel, die moralischen Skrupel, angesichts der vielen unschuldigen Opfer, die findet sich kaum noch. Weder „Carlos“ noch „Mesrine“ reflektierten in den jeweiligen biographischen Gangsterfilmen ihr Tun, und auch Renato Vallanzasca bleibt bis zum Ende von „Engel des Bösen“ seiner lässigen Fassade treu. Kim Rossi Stuart spielt den in Italien überaus berühmten Gangster, der in den 70er Jahren Banken im Wochentakt ausräumte, mehr Zeit im Gefängnis als in Freiheit verbrachte und nebenbei unzählige Herzen brach. So ein Leben zu inszenieren ohne seiner Faszination zu erliegen ist, kaum möglich, zumal wenn man einen so charmanten, attraktiven Hauptdarsteller hat. Und so beschränkt sich Michele Placido auch darauf, die Geschehnisse in mitreißende Bilder zu setzen, ein überaus authentisch wirkendes Bild der italienischen Gesellschaft zu entwerfen und darauf zu hoffen, dass sich die Fragwürdigkeit von Vallanzascas Tun schon von selbst einstellen wird.

Das hätte möglicherweise auch gut funktioniert, wenn der Film nicht immer wieder einen Gegensatz zwischen alter und neuer Gangsterethik behaupten würde. Wie so viele Filme vor ihm führt auch „Engel des Bösen“ zur unterschweilligen Ehrenrettung seines „Heldens“ an, dass dieser einem strengen moralischen Gangsterkodex gefolgt sei. Gangster also, aber mit Ehre, die die ihm nachfolgenden Gangster angeblich verloren hätten. Dieser verqueren Logik folgend agiert der „Held“ zwar unmoralisch, im Vergleich zu dem, was nach ihm folgte, ist er aber gar nicht so übel. Die Fragwürdigkeit dieser Logik liegt auf der Hand, ihr zu entgehen schafft oder wagt auch Michele Placido nicht. Gleichzeitig fasziniert von einer Figur zu sein und ihr Tun moralisch abzulehnen bleibt für Filmemacher ein Dilemma. So ist „Engel des Bösen“ ein Gangsterfilm, der viele Stärken und Schwächen des Genres vereint: Eine mitreißend Hauptfigur, ein spannendes Gesellschaftsporträt, aber auch moralische Fallstricke, die der Film selbst zu ignorieren versucht, die aber nicht wegzudiskutieren sind.

Michael Meyns

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