Entre les Bras – 3 Sterne. 2 Generationen. 1 Küche.

Die drei Sterne, die der Guide Michelin dem französischen Feinschmeckerrestaurant „Bras“ 1999 als höchste Auszeichnung verliehen hat, machen im übertragenen Sinn Appetit darauf, mittels Paul Lacostes Dokumentarfilm einen Blick hinter die Kulissen dieses Lokals zu werfen. Im Mittelpunkt stehen dabei ein nicht ganz einfacher Generationenwechsel und die Frage, wie es gelingen kann, Traditionen zu wahren und dennoch mit einer eigenen Handschrift die Zukunft zu gestalten. Die persönlichen Kontakte zur Familie Bras kamen dem Regisseur dabei zugute.

Webseite: www.mindjazz-pictures.de

Frankreich 2011
Regie: Paul Lacoste
Dokumentarfilm
90 Minuten
Verleih: Mindjazz Pictures,
Start: 9.8.2012

PRESSESTIMMEN:



FILMKRITIK:

Der Blick in innovative Küchen respektive Kochlabore scheint im Zeitalter quotenträchtiger Kochsendungen und einer Lust auf den exquisiten Geschmack auf fruchtbaren Boden zu fallen. Doch anders als zuletzt in der Dokumentation „El Bulli: Cooking in Progress“, die festhielt, wie Meisterkoch Ferran Adrià mehr als 20 Jahre lang mit seinen Molekularküchenkreationen Auge und Gaumen seiner Gäste im nur wenige Monate im Jahr geöffneten Restaurant an der Costa Brava verblüffte, spielt die hohe Kunst des Kochens in „Entre les Bras“ eine eher untergeordnete Rolle. Vor allem nämlich geht es Regisseur Paul Lacoste darum, die Veränderungen bei der Übergabe des Familienbetriebs vom Vater Michel Bras auf dessen Sohn Sébastien festzuhalten. Dabei wird deutlich, dass es für den Vater nicht immer einfach ist, loszulassen und dem Gespür und Können seines Sohnes zu vertrauen. Irgendwas zu kritteln hat der alte Meister immer.

Kontakt zur Familie Bras hat Lacoste schon seit rund zehn Jahren. Damals blickte er dem heute 64 Jahre alten Michel Bras für die Fernsehserie „L’invention de la cuisine“ über die Schulter. Nun macht er die Veränderungen im Zuge auch der Stabübergabe deutlich. Dazu gehören auch Reflektionen über die schon einige Jahre andauernde Zusammenarbeit von Vater und Sohn, wiederholte Blicke ins Fotoalbum und gemeinsame Wochenendausflüge. Auch kommt die Gründergeneration der aus der Landwirtschaft kommenden Gastronomenfamilie zu Wort und wird als Bekräftigung für die Wichtigkeit eines männlichen Erben dem (Ur-)Enkel eine Kochschürze umgehängt. Fehlen freilich darf auch der Abstecher nach Japan nicht, wo es mittlerweile sogar eine Dependance des Restaurants gibt (was indes nicht der einzige Grund dafür ist zu erfahren, dass Meisterköche nicht zwangsläufig auch geborene Karaokesänger sind).

In diesen Punkten arbeitet sich diese Dokumentation inhaltlich eher eher an Dingen ab, die voll und ganz für eine weitere Fernsehdokumentation ausgereicht hätten. Doch auch Paul Lacoste weiß sehr wohl um die Bedeutung von Bildern für das Kino, und auch, dass ein dramaturgischer Faden nicht verkehrt sein kann. Wie er das mit seiner enormen Glasfront architektonisch auffällig über der weiten, einsamen und kargen Hügellandschaft des Aubrac, einer idyllischen Bergregion im Südwesten Frankreichs, thronende Restaurant ins Bild rückt, wie er die Veränderungen der Landschaften im Laufe der Jahreszeiten zeigt, das tut dem Auge ebenso gut wie jene Nahaufnahmen der angerichteten Teller und zubereitenen Speisen, die man zu gerne auch riechen würde.

Für seinen besonderen dramaturgischen Kniff bat Paul Lacoste den 1971 geborenen Sébastien Bras, seine Vorstellung eines neuen Menüs zu kreieren, in dem sich Tradition und Moderne einer Haut Cuisine, die sich zudem durch eine starke regionale Verwurzelung ausdrückt, wieder spiegeln sollten. Hier steht die Frage nach Gelingen oder nicht Gelingen im Vordergrund – und ob es letztlich auch den stets skeptischen Vater überzeugen wird. Arbeitsschritt für Arbeitsschritt begleitet die Kamera die Entstehung dieses Menüs. So spannend dieser Prozess ist, für den Zuschauer – ähnlich wie auch schon in „El Bulli“ – bleibt er freilich nur theoretischer Anschauungsunterricht und damit unterm Strich doch etwas unbefriedigend. Dennoch: weil ein Mahl im Restaurant „Bras“ für die Mehrheit der Kinobesucher erstens aus logistischen, zweitens durchaus auch aus finanziellen Gründen undiskutabel sein dürfte, erlaubt die Dokumentation doch immerhin etwas, was einem selbst ein regulärer Restaurantbesuch nicht bieten kann: Einblicke nicht nur hinter die Kulissen eines Gourmetparadieses, sondern auch in die Gedankenwelt von Küchenkünstlern, ihrer Philosophie und ihren Gedanken. Genießer werden das zu schätzen wissen.

Thomas Volkmann

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