Everybody’s Fine

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Ein „I’m fine“ ist schnell daher gesagt und entspricht nicht immer der Wahrheit. Diese Erkenntnis lehrt das Hollywood-Remake des italienischen, seinerzeit von Giuseppe Tornatore inszenierten „Stanno tutti bene“. Der Brite Kirk Jones schickt in „Everybody’s Fine“ einen grandios aufspielenden Robert De Niro in der Rolle eines um den Zusammenhalt seiner Familie besorgten Witwers auf eine tragikomische Reise quer durch die USA. Die prominente Besetzung wird komplettiert durch Drew Barrymore, Kate Beckinsale und Sam Rockwell.

Webseite: www.everybodys-fine.de

Everybody’s Fine
USA 2009
Regie: Kirk Jones
Drehbuch: Kirk Jones basierend auf der Vorlage „Stanno tutti bene“ von Massimo De Rita & Giuseppe Tornatore
Darsteller: Robert De Niro, Kate Beckinsale, Drew Barrymore, Sam Rockwell, Lucian Maisel, Melissa Leo
Kinostart: 18.3.2010
Laufzeit: 99 Minuten
Verleih: Walt Disney
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Für den Witwer Frank Goode (Robert De Niro) beginnt nach dem Tod seiner geliebten Frau erzwungenermaßen ein neuer, zunächst bitterer Lebensabschnitt. Die vier Kinder sind längst aus dem adretten Einfamilienhaus ausgezogen, in dem er sich plötzlich irgendwie allein und verlassen fühlt (was er allerdings nie zugegeben würde). Daran ändert auch ein gelegentlicher Plausch mit Freunden oder die von seinem Arzt empfohlene Gartenarbeit nichts. Erst die Idee zu einem Familientreffen erfüllt Frank mit neuem Tatendrang. Umso mehr schmerzt es ihn, als seine Kinder praktisch in letzter Minute absagen und ihn auf einen anderen Termin vertrösten.

Doch Frank hat sich im Handumdrehen einen Plan B zu Recht gelegt. Wenn ihn seine Kinder schon nicht besuchen wollen oder können, dann stattet er ihnen halt einen Überraschungsbesuch ab. Vom beschaulichen Connecticut zieht es ihn als erstes in den Big Apple. Dort im stets geschäftigen Manhattan lebt und arbeitet David (Austin Lysy) als Künstler mit einem kleinen Atelier. Als Frank jedoch vor Davids Wohnung klingelt, bleibt die Tür verschlossen. Auch ein zweiter Versuch zu einer anderen Tageszeit bleibt erfolglos. Etwas irritiert verlässt Frank daraufhin New York Richtung Chicago, wo seine Tochter Amy (Kate Beckinsale) eine Werbeagentur leitet. Schließlich will der Witwer noch nach Denver und Las Vegas weiterreisen. Hier hofft er seinen Sohn Robert (Sam Rockwell) und seine Tochter Rosie (Drew Barrymore) nach langer Zeit einmal wiederzusehen.

„Everbody’s Fine“ ist das Hollywood-Debüt des Briten Kirk Jones („Lang lebe Ned Devine“) und zugleich das Remake des Giuseppe Tornatore Films „Stanno tutti bene“ aus dem Jahre 1990. Robert De Niro, der nach der überaus erfolgreichen Zusammenarbeit mit Martin Scorsese viel zu oft in zweit- und drittklassigen Produktionen zu sehen war, kann in der Rolle des treusorgenden Familienoberhauptes endlich wieder einmal seine ganze schauspielerisches Klasse unter Beweis stellen. Mit einer nuancierten Darstellung, die zwischen bittersüßen, heiteren und tragischen Tönen genau zu unterscheiden weiß und die bisweilen an Jack Nicholsons ergreifenden Auftritt in „About Schmidt“ erinnert, hält er die episodenhafte, gerade zum Ende hin recht schematische Geschichte souverän zusammen.

Dass eine solche Reise, wie Frank sie unternimmt, niemals frei von Sentimentalitäten ist, dürfte klar sein. Das von Jones überarbeitete Originalskript hält aber selbst für die besonderen Umstände dieses Trips eine viel zu rührselige Auflösung bereit, bei der das unüberhörbare Loblied auf die Familie manche der zuvor sichtbaren Konflikte entschärft und weichspült. Damit macht es sich Jones etwas zu leicht. Fast kann der Eindruck entstehen, als wolle er im Schlusssprint die zuvor oftmals als reine Schutzbehauptung enttarnte Äußerung „I’m Fine“ in ihrer naiven Bedeutung wieder herstellen. Durch sein mutloses, viel zu sehr auf Konsens bedachtes Ende wird Franks über weite Strecken mit viel leisem Humor und Fingerspitzengefühl erzählter Roadtrip über Gebühr entwertet.

Marcus Wessel

Frank Goode ist nicht nur Rentner, sondern auch Witwer. Sein Leben lang schuftete er in einer Kabelfabrik für Telefonleitungen. Für die Kinder David, Robert, Amy und Rosie blieb da wenig Zeit; sie mussten sich an die Mutter halten.

Das hat jetzt Folgen. Als Frank seine Kinder zu sich einlädt, hat jeder eine andere Entschuldigung. Sie könnten schon, aber sie wollen nicht. Aus ihren gegenseitigen Telefonaten geht das klar hervor.

Frank beschließt, den Stiel umzudrehen und zu seinen Abkömmlingen zu fahren. David ist Maler in New York. Er ist nicht anzutreffen. Später wird sich herausstellen, dass seine Abwesenheit einen schlimmen Grund hat.

Amy ist Chefin einer Werbeagentur. Unter einem Vorwand will sie den Besuch des Vaters möglichst kurz halten. Auch der Ehemann taucht auf. Dann wird offenbar, dass er nur kam, um die Kirche im Dorf zu lassen; schon lange sind er und Amy getrennt.

In Las Vegas ist Rosie zu Hause. Sie ist Tänzerin. Doch so weit scheint es mit ihr nicht mehr her zu sein. Sie hat nämlich ein kleines Kind – von dem niemand etwas wusste.

Von Robert wurde immer angenommen, er sei Dirigent, sogar ein bekannter. Als Frank ihn aufsucht, findet er ihn lediglich an der Perkussion des Orchesters.

Also ist doch nicht alles so, wie es den Anschein hatte und wie die Mutter es offenbar haben wollte.

Frank verliert in einem von ihm unverschuldeten Streit mit einem Penner seine Medikamente. Das hält sein Herz nicht aus. Herzanfall.

Im Krankenhaus versammeln sich seine Sprösslinge. Wird es jetzt besser? Wird das Familienleben wieder intakt sein? Und kommt die Weihnachtseinladung bei Frank zustande?

Vorlage war der italienische Film „Stanno tutti bene“. Aber Drehbuchautor und Regisseur Kirk Jones machte daraus etwas völlig Selbständiges. Und etwas Gelungenes dazu. Ein allgemeines Problem, dass Ehemänner und Väter für die Familie zu wenig Zeit haben, hier wird es mit den entsprechenden Konsequenzen und dem nachträglichen Bedauern Franks angedeutet. Sowohl in der Haupthandlung als auch in den fiktiven Dialogen mit den Kindern tritt das alles schön zutage – gefühlvoll, melancholisch, dramaturgisch geschickt auch.

Drew Barrymore (Rosie), Kate Beckinsale (Amy), Sam Rockwell (Robert) – vielversprechende Namen. Doch der Star ist Robert DeNiro als Frank. Alle Nuancen dieser Figur spielt er aus. Eine perfekte Darstellung die gesamte Filmlänge hindurch und ein Genuss für den Kinozuschauer.

Melancholisches Familiendrama von erstklassiger Güte – natürlich mit Hollywood-Happy-End. Ein brillanter Robert DeNiro.

Thomas Engel