4. Revolution, Die

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Die hundertprozentige Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen bezeichnet Carl-A. Fechners Dokumentation als vierte Revolution. Besonders der für sein Engagement für Solarenergie mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Politiker Hermann Scheer kommt ausführlich zu Wort, die Komplexität des Themas wird jedoch nur angedeutet, so dass „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“ bisweilen wie ein Werbefilm der Solarenergieindustrie wirkt.

Webseite: www.4-revolution.de

Deutschland 2010 - Dokumentation
Regie, Buch: Carl-A. Fechner
Kamera: Sorin Dragoi
Schnitt: Mona Bräuer
Musik: Natalia Dittrich
Länge: 83 Min.
Verleih: Delphi Filmverleih
Kinostart: 18. März 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Dokumentationen über die Folgen der Globalisierung, den Klimawandel und andere globale Probleme erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Al Gore erklärte eine „Unbequeme Wahrheit“, in „Plastic Planet“ wird die angebliche Ungefährlichkeit des Plastiks angezweifelt, zahllose Filme prangern die ungerechte Verteilung der Nahrungsmittel der Welt an. Nun also eine Dokumentation über den Energieverbrauch, die Möglichkeiten alternativer Energieversorgung, die den hochtrabendem Titel „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“ trägt. Was Regisseur Carl-A. Fechner für die drei ersten Revolutionen hält, bleibt allerdings ebenso offen, wie viele andere Fragen, des zwar vielschichtigen, am Ende aber doch fast zwangsläufig unterkomplexen Films.

Einmal mehr zeigt sich auch hier die Schwierigkeit, ein so komplexes, teils widersprüchliches Thema wie die Energiegewinnung und ihre vielfältigen Konsequenzen in einen gut 80minütigen Film zu packen, den Wunsch nach differenzierter Betrachtung zu erfüllen, wenn man eigentlich doch eine radikale Position vertreten möchte. Denn dass der Film die Meinung vertritt, dass es möglich ist, binnen weniger Jahre die Energieversorgung komplett auf alternative Energien umzustellen, sich damit auch dem Diktat der globalen Ölkonzerne zu entziehen, ist offensichtlich.

Als Verfechter dieser Position tritt in erster Linie der SPD-Politiker Hermann Scheer auf, der seit Jahren als Anwalt der Solarenergie um die Welt reist und für diese Form der Energiegewinnung Werbung macht. Ausführlich beschreibt er die Vorzüge der Technik und prangert die Lobbytätigkeit der Ölindustrie an, die einen Wandel verhindert. Darüber hinaus kommen diverse andere Wissenschaftler und Aktivisten zu Wort, die in vielfältigen, meist regionalen Projekten mit erneuerbarer Energie arbeiten. Um seinem Film zumindest den Anschein von Objektivität zu geben, kommt als Vertreter der „anderen“ Seite der Chefökonom der OPEC zu Wort, der anzweifelt, dass es möglich ist, die Energieversorgung binnen weniger Jahre komplett umzustellen. Doch diese These ignoriert Fechner komplett, ebenso wie die durchaus vielfältigen Probleme und Kritikpunkte, die an der Solarenergie oder gar Windrädern geäußert werden (von Wasserenergie durch gigantische Stauseen ist im Film erst gar nicht die Rede, das Negativbeispiels des Drei-Schluchten-Damms mit all seiner Umweltzerstörung hätte selbst Fechner wohl kaum ignorieren können).

Die Folge ist eine Unterkomplexität, die in dieser Art Film bedauerlicherweise immer wieder zu finden ist. Der Versuch, hoch komplexe, mit vielfältigen Pro- und Contra-Argumenten versehene Fragestellungen in einem zwangsläufig kurzen Film zu fassen, dabei auch noch anregend und nicht zu trocken zu erzählen, ist kaum möglich. Sobald man einzelnen Positionen größeren Raum einräumt, muss man – zumindest wenn man ansatzweise differenziert sein will – auch Vertretern anderer Meinungen Zeit geben, und schnell hat man sich in der Komplexität der Materie verloren. Oder man macht es wie Fechner und lässt bei auf einen Alibi-Gegner nur solche Menschen zu Wort kommen, die der eigenen Position das Wort reden. Doch dann wirkt ein Film wie „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“ all zu schnell wie ein unverhohlener Werbefilm der Alternativenergie-Industrie. Und die hat zwar ohne Frage löbliche Interessen und trägt sicherlich mehr zum Umweltschutz bei als die Ölindustrie, aber letztendlich ist auch sie eine Industrie, die genauso wie die so schnell verfemte Ölindustrie nicht ausschließlich altruistische Ziele verfolgt, sondern auch ein Teil des Kapitalismus ist.

Michael Meyns

Zweifellos ein besonderer Film. Warum? Weil er viele Informationen über die gegenwärtige und zukünftige Energiestruktur enthält. Diese ist verbunden mit einem Riesenproblem, das in drei oder vier Jahrzehnten gelöst sein müsste.

Denn noch etwa so lange hält die fossile Energie (Öl, Gas, Kohle), von und mit der wir leben und unsere Wirtschaft aufrechterhalten. Dann, so plädiert der Film, sollte die erneuerbare Energie (Sonne, Wind, Wasser) bereit sein.

Regisseur Fechner bereiste die halbe Welt – USA, Brasilien, Europa sowieso, Afrika, China usw. -, fand viele Mitarbeiter und Freunde, die sich für das von ihm angestrebte Ziel einsetzen: weg von der die Umwelt verschmutzenden, von der Erdöl- und Energiewirtschaft dominierten zur sich relativ kurzfristig selbst amortisierenden, „kostenlosen“ Energie aus Sonne, Wind und Wasser.

Dem Atomstrom wird ebenfalls ein Kapitel gewidmet. Gänzlich fehlt das Thema der aus (erneuerbaren) Pflanzen gewonnenen Energie.

Schlaglichter in diesem Film: das vor Energie (aus knappen Brennstoffen) strotzende Los Angeles; fehlender Strom in Mali, wo Krankenhäuser nachts mit der Taschenlampe beleuchtet werden müssen; Dänemark, wo schon fortschrittliche Energiestrukturen bestehen; der Ort Pfungstadt, wo alte Privathäuser beispielhaft saniert werden; das künftig in Serienfertigung gehende Elektroauto; die Solartechnik in Spanien und deren Anfänge in China; das Mikrokredit-System des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus in Bangladesch; Bianca Jaggers Kampf für die Erhaltung des Regenwaldes; und anderes mehr.

Warum Regenwald? Weil die Blätter der Bäume CO2 vernichten. Weiter: Sind Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung sinnvoll, wenn der CO2-Abfall für lange, lange Zeit in der Erde vergraben werden muss?

Übrigens: China will in absehbarer Zukunft ein paar hundert Kohlekraftwerke bauen.

Ist die Kernenergie wirklich sauber und sicher genug, wie etwa Frankreich sie anwendet, das zu 80 Prozent mit Atomstrom arbeitet?

Eine Menge von Daten wird zur Verfügung gestellt: über die Riesengewinne der Öl- und Energiewirtschaft (z.B. Exxon im Jahre 2008) sowie darüber, wie vielen Millionen Menschen, die absolut keinen Zugang zur Elektrizität haben, geholfen werden könnte, wenn die Ressourcen gerechter verteilt wären.

„Die 4. Revolution“ ist Unterrichtung, Mahnung, Warnung und natürlich auch Pamphlet. Auf jeden Fall bedenkens- und beherzigenswert.

Thomas Engel