Falscher Bekenner

Zum Vergrößern klicken

  Er ist ein Träumer mit einem großen Problem: es fehlt ihm an Zielen. Trotz zahlreicher Bewerbungen findet der 18-jährige Armin (Constantin von Jascheroff) weder Job noch Lehrstelle. Als Spross einer bürgerlichen Familie fällt er aber immerhin weich. Aus seiner Langeweile heraus bekennt Armin sich in einem anonymen Brief als Verursacher eines tödlichen Unfalls, dessen Zeuge er kurz zuvor geworden war. Warum, das bleibt in Christoph Hochhäuslers zweitem Kinofilm jedoch ebenso diffus wie die Motivation für manches andere Hirngespinst des undurchschaubaren, stark in sich gekehrten Jungen.

Webseite: www.falscherbekenner.de

Deutschland 2005
Regie: Christoph Hochhäusler
Darsteller: Constantin von Jaschenoff, Manfred Zapatka, Victoria von Trauttmansdorff, Nora von Waldstätten, Devid Striesow, Laura Tonke u.a.
93 Minuten
Kinostart: 18.5.2006
Verleih: Piffl 

PRESSESTIMMEN:

Christoph Hochhäusler erzählt von eionem Teenager aus der deutschen Wohlstandsprovinz, der seine Umgebung mit anonymen Bekennerbriefen verunsichert. Doch die Bilder des Filmes sind selbst Komplizen im spiel mit Wahrheit und Täuschung. Armin ist eine frei flottierende Figur an der Schwelle zum Erwachsenwerden, in einem leise entwickelten Drama, das die Grenzen zwischen der Realitätsebene und den Tagtraumspielen, zwischen Innen und Außen immer wieder geschickt verschiebt. - Sehenswert!
Tip Berlin

Dank eines feinen Sinns für den Aberwitz des Alltags und eines Hauptdarstellers, der dem Überdruss ein interessantes Gesicht gibt, gelingt es dem Regisseur Christoph Hochhäusler, Langeweile so darzustellen, dass sie kaum auf den Zuschauer übergreift.
Der Spiegel

Vielschichtige Studie einer Identitätssuche als stilles Porträt einer indifferenten Generation, die ihre Verweigerungshaltung kultiviert; zugleich wirft der Film ein beredtes Schlaglicht auf eine Gesellschaft, der eine zentrierende Mitte abhanden gekommen ist. - Sehenswert.
film-dienst

„Überaus geschickt, scheinbar immer schnurgerade aufs Klischee zusteuernd und es immer haarscharf verfehlend – Hochhäusler beschreibt mit einem beindruckend genauen Blick für familiäres Alltagsleben eine stille Rebellion.“
Der Spiegel
„Man kann Falscher Bekenner auch als zutiefst menschliche Komödie begreifen, freilich eine, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt.“
Artechock

 

 

FILMKRITIK:

Mit einer langsamen Fahrt scannt die Kamera von Bernhard Keller die Inneneinrichtung von Armins Zimmer im Haus seiner Eltern im nicht näher benannten vorstädtischen Wohnort ab. Poster mit technischen Details von Sportwägen an der Wand, entsprechende Miniaturmodelle in den Schrankregalen, allerlei technisches Spielzeug, Computer, elektronische Geräte, das Jugendzimmer an sich ordentlich aufgeräumt – all das lässt auf einen jungen Menschen mit einem technischen Verständnis und Interesse schließen. Genau dies aber vermag Armin bei seinen wiederholten Vorstellungsgesprächen nicht auszudrücken. Es scheint ihm auch egal zu sein. 

Bei seinen gelegentlichen Streifzügen zur in Fußnähe befindlichen Autobahn verewigt sich Armin mit Datumseinträgen auf der gekachelten Wand der Rastplatztoilette. Hochhäusler zeigt seinen an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehenden Protagonisten hier aber auch in Szenen, in denen sich der blonde Bursche Mitgliedern einer Motorradclique, die mit ihren Helmen auf dem Kopf wie Phantome unkenntlich bleiben, zur sexuellen Befriedigung hingibt. Einmal besucht ihn einer der Motorradfahrer sogar zuhause, beim Sex werden sie von den Eltern überrascht. Ein Drama aber wird aus dieser Situation nicht gestrickt – denn abgespielt hat sich die Sache nur in Armins Fantasie.

Dieser nahtlose Wechsel zwischen Realität und Einbildung (Schnitt: Stefan Stabenow) wirkt befremdlich und irritierend – ist aber beabsichtigt. Hochhäusler lässt beide Ebenen für sich stehen und sprechen. Die Frage nach dem Warum wird nicht explizit gestellt, man darf sich als Zuschauer seinen eigenen Reim machen, auch darauf, ob man „Falscher Bekenner“ nun als tiefsinnige Komödie oder Tragödie begreifen mag. Unabhängig davon spielt Constantin von Jascheroff (2005 Preis für den besten Hauptdarsteller beim Filmfest München) den schüchternen, bisweilen naiven Jungen in all seiner Unsicherheit bestens – ein unbeschriebenes Blatt bleibt er dennoch.

Mit Manfred Zapatka als kaum forderndem und verständnisvollem Vater und Viktoria von Trauttmandorff als fürsorglicher, für ihren Sohn auf ein Ende des Vakuums zwischen Schule und Beruf hoffender Mutter, zeichnet Christoph Hochhäusler zudem das Bild einer Familie, die offenbar sorgenfrei lebt (was letztlich auch der Werdegang der älteren Söhne unterstreicht), der es aber an Verständnis für die tiefer liegenden Probleme ihres jüngstes Kindes fehlt, mit diesen aber auch überfordert sein könnte. Von einer süffisanten Komik getragen ist in diesem Zusammenhang ein im Familienkreis durchgeführtes Bewerbungstraining. Armin erhält hier Hilfestellung von seinem älteren Bruder (Devid Striesow), zeigt jedoch, dass er sich im Sinne eines „sich gut Verkaufens“ nichts zu verstellen gewillt ist. Das allerdings stellt streng genommen einen Widerspruch zu seinen gegenüber der Polizei und möglicherweise auch der von ihm angehimmelten Katja (Nora von Waldstätten) abgegebenen falschen Bekenntnissen dar.

Denkt man an Christoph Hochhäuslers Spielfilmdebüt „Milchwald“ zurück, fallen insofern Parallelen auf, als dort die Geschichte von Geschwistern erzählt wurde, die sich wie im Märchen von Hänsel und Gretel in einem Wald verloren. Hier nun ist es Armin, der ohne berufliche wie private Perspektive verloren wirkt. Statt durch einen Milchwald läuft er durch eine Welt, die sich auf der Leinwand als konturlos und in ihrer Farbgebung milchig erweist, dabei aber auch den Zuschauer trotz der präzise beobachteten und klischeefrei präsentierten Situationen im Trüben fischen lässt – die Welt eines Träumers eben.

Thomas Volkmann