Transamerica

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Ein transsexueller Vater, der jetzt Bree heißt, und dessen wenig zimperlicher Stricher-Sohn, der in dieser Frau alles andere als seinen Vater vermutet, fahren in Duncan Tuckers warmherzigem Roadmovie „Transamerica“ quer durch die USA und finden dabei zu sich und letztlich auch zueinander. Mit einer Mischung aus situationskomischen und anrührend-melancholischen Augenblicken erzählt der Debütregisseur eine bittersüße Odyssee. Dafür konnte er eine starke Darstellerriege gewinnen: Allen voran brilliert „Desperate Housewive“ Felicity Huffman in der Rolle der Bree mit tiefer gelegter Stimme im rosa Kostüm, wofür sie sich verdientermaßen eine Nominierung für den Golden Globe. erspielte.

Webseite: www.transamerica-movie.com

USA 2005
Buch und Regie: Duncan Tucker
Kamera: Stephen Kazmierski
Musik: David Mansfield
Schnitt: Pam Wise
Darsteller: Felicity Huffman, Kevin Zegers, Fionnula Flanagan, Graham Greene, Burt Young
Länge:  103 Minuten
Verleih: Falcom
Kinostart: 16. März 2006

PRESSESTIMMEN:

In seinem Roadmovie erzählt Regisseur Duncan Tucker eindringlich von der Sehnsucht nach familiären Zusammenhalt und der Verantwortung von Vaterschaft. Felicity Huffman, Star der Fernsehserie "Desperate Housewives", spielt Bree so warmherzig und liebenswert, dass der Zuschauer gar nicht anders kann, als dieses seltsame Zwitterwesen ins Herz zu schließen.
Der Spiegel

Komisch, nachdenklich, anrührend ist das Regie-Debüt von Duncan Tucker, in dem Felicity Huffman den darstellerischen Balanceakt zwischen männlichen und weiblichen Hormonen furios bewältigt.
Brigitte

Ein tragikomisches, unverblümtes Roadmovie, das mit viel Liebe, Witz und Realismus erzählt, wie es sich anfühlt, wenn man nie die Chance auf ein eigenes Leben hatte. ...realitätsnah, mit viel Liebe und wunderbarem Humor inszeniert.
Cinema

"Man hätte diese Geschichte auf die mannigfaltigsten Arten und Weisen in den Sand setzen können, hätte sie sentimental, grotesk oder bitter als Märchen, Komödie oder Tragödie inszenieren können, hätte sich in zahlreichen Klischeefallen und Fettnäpfchen verfangen, billige Witze auf Kosten der Figuren reißen und Kompliziertes simplifizieren können. Stattdessen umschifft "Transamerica" all diese tödlichen Gefahren mit einer geradezu traumwandlerischen Sicherheit und ist einfach nur ein wahrhaft zu Herzen gehender Film. - Sehenswert.
Tip Berlin

Ein unkonventionelles, fabelhaft gespieltes und rührendes Drama über eine Transsexuelle (Felicity Huffman), die mit ihrem rebellischen Sohn (Kevin Zegers) durch die USA reist. Regisseur und Drehbuch-Autor Duncan Tucker erzählt in "Transamerica" schonungs-, aber nicht humorlos von einer sich langsam aufbauenden, unkonventionellen Vater-Sohn-Beziehung, die Scham, Lügen und Missverständnisse überstehen muss. Auf ihrer Reise treffen Bree und Toby misstrauische Rednecks, pädophile Ziehväter, stolze Transsexuelle, räuberische Kiffer und Brees neurotische Familie. Amerika als Land der Freaks und Sonderlinge. Die große Leistung des Debütfilmers Tucker ist es, diese wüste Geschichte nicht in Kitsch, Klamotte oder depressives Melodram abgleiten zu lassen. Im Gegenteil: Er weckt Verständnis und Anteilnahme für Figuren, deren Leben herzlich wenig Berührungspunkte mit dem des europäischen Durchschnittsbürgers haben.
Großen Anteil am Gelingen von "Transamerica" haben auch die zwei Hauptdarsteller des Films. "Desperate Housewives"-Darstellerin Felicity Huffman beweist nicht nur Mut zu maskuliner Hässlichkeit, sie verleiht der verzweifelten Bree in ihrem tuntigen Gestöckel und ihrer übermotivierten Weiblichkeit auch eine große Portion Würde. Dafür gab es zurecht einen "Golden Globe" und eine Oscar-Nominierung.
"Transamerica" ist sehenswertes amerikanisches Independent-Kino in der Tradition der Filme von Alexander Payne ("About Schmidt", "Sideways"), ein groteskes, komisches und anrührendes Drama.
Bayerischer Rundfunk

"DIE ZEIT" stellt die Hauptdarstellerin Felicity Huffman vor:
www.zeit.de/2006/10/Felicity_Huffman

Ein Interview mit Felicity Huffman führte der SPIEGEL, Überschrift: "Man denkt die ganze Zeit an den Schwanz". Zum Artikel hier...

FILMKRITIK:

Schon der wortverspielte Titel fasst zusammen, worum es in Duncan Tuckers „Transamerica“  geht. Zum einen bezieht sich das „Trans“ auf die Hauptfigur, den transsexuellen Stanley, der sich seit einiger Zeit Bree nennt und auf den lang ersehnten Tag seiner Geschlechtsumwandlung wartet. Zum anderen spielt es darauf an, dass „Transamerica“ ein Roadmovie ist, bei dem ein ungewöhnliches Vater-Sohn-Gespann im Auto die USA durchquert und sich in rund 100 Minuten einander annähern und etwas über sich selber lernen – wie das in solchen Filmen eben üblich ist.
Ausgerechnet in der Woche vor ihrer finalen Operation erfährt Bree (Felicity Huffman), dass sie einen 17jährigen Sohn namens Toby (Kevin Zegers) hat, der gerade in New York im Knast sitzt. Auf Drängen ihrer Therapeutin fliegt sie daraufhin widerwillig von Los Angeles an die Ostküste, um das ihm fremde Produkt eines heterosexuellen Ausrutschers zur Highschoolzeit auszulösen. Dabei hält ihr Sohn die fremde Dame für so etwas wie eine Sozialarbeiterin der Kirche, die ihn wieder auf den rechten Weg zurückführen will. Dem Vater ist dieses Missverständnis ganz recht und klärt es erst am Ende ihres Roadtrips. Bis dahin haben die beiden eine Reihe höchst unterschiedlicher Begegnungen: Vom leichtlebigen Tramper, der ihnen das Auto klaut über die Party einer Transsexuellengruppe in der Provinz bis zu Brees Familie, die sie kurz vor Schluss aufsucht, weil sie Geld braucht.

Immer wieder gewinnt der Film aus der Kollision verschiedener Welten situationskomische Augenblicke: zunächst zwischen Bree und Toby und später vor allem mit Brees Mutter, die Fionnula Flanagan mit blassrosa Lippenstift hingebungsvoll komisch als materialistische, leicht überzeichnet hysterische Zumutung verkörpert. „Transamerica“ verliert trotz der vielen komischen Augenblicke aber nie den Ernst seiner Themen aus den Augen.

Die große Stärke von „Transamerica“ sind allerdings die Darsteller – allen voran Felicity Huffman: Wer sie vorher nicht als überforderte Hausfrau und Mutter aus der TV-Serie „Desperate Housewives“ kannte, wird kaum glauben, dass hier nicht ein männlicher Schauspieler in den zartrosa Blusen und Kostümchen steckt. Mit abgesenkter Stimme, kantig wirkenden Wangen  und einem stets etwas überschminkten Gesicht versucht sie, mit Haltung und Anmut ihre männlichen Überreste zu überspielen und wird dabei nicht zur Karikatur, sondern zum Herz dieses Films. Kürzlich wurde sie dafür völlig zu Recht für einen Golden Globe nominiert und auch eine Oscar-Nominierung für dieses mutige, warmherzige Portrait eines Transsexuellen wäre alles andere als eine Überraschung. Auch die anderen Figuren haben genug Tiefe, um nicht zu langweilen.

Wie im Leben bleibt manches nur angerissen und wird nicht filmdramaturgisch zurecht gebogen. Die Begegnung mit einem indianischen Cowboy (Graham Greene) bleibt für Bree nur die Möglichkeit einer Liebesgeschichte und am Ende, nachdem Brees Geständnis zum Bruch mit  Toby geführt hat, kommt es nicht zu großen, larmoyanten Versöhnungsszenen. Die beiden sitzen vielmehr zusammen auf der Couch, trinken ein Bier und werden dabei von außen durch das Fenster von der Kamera beobachtet. Fragil und rissig ist ihr Verhältnis und doch verliert dieses sensible wie wundervoll komische Roadmovie über einen Vater, der erst als Mutter zu seinem Sohn findet, dabei nie seine Leichtigkeit und seinen Optimismus.

Sascha Rettig