Farbe der Milch, Die

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Klug und einfühlsam schildert „Die Farbe der Milch“ die Wirren zwischen dem Ende der Kindheit und dem Beginn der Jugend. Die zwölfjährige Selma befindet sich in diesem Niemandsland und weiß nicht so recht, wohin die Reise gehen soll... Einen Familienfilm nennt  die norwegische Autorin und Regisseurin Torun Lian ihr vielfach ausgezeichnetes Werk. Das ist eine zutreffende Bezeichnung, da man es hier nicht mit einer lauten Teenie-Komödie zu tun hat. Zum Älterwerden, das lehrt dieser intelligente Film und das lernt die kleine Selma, sind eben auch Erwachsene nötig.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Norwegen 2004
Regie: Torun Lian
Buch: Torun Lian
Darsteller: Julia Krohn, Bernhard Naglestad, Gustav Skarsgard, Andrine Saeter, Reidar Sorensen, Ane Dahl Torp, Kim Sorensen
Länge: 90 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 8. Februar 2007

PRESSESTIMMEN:

Die stimmungsreiche, mal amüsante, mal leicht melancholische, nie aber verniedlichende Adaption eines Kinderbuchs, die sich offensiv und unverblümt dem kindlichen Umgang mit Gefühlen und essenziellen Themen wie Liebe, Sexualität und Tod widmet. - Sehenswert ab 10.
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Der zweite Spielfilm von Regisseurin und Drehbuchautorin Torun Lina kreist um Freuden und Leiden der Pubertät und erste Liebe. In wunderschön fotografierten norwegischen Sommerlandschaften spielt sich eine vor allem von Julia Krohn hinreißend gespielte Jugendgeschichte ab, die auch Erwachsene berührt.
Blickpunkt:Film

FILMKRITIK:

Es ist Sommer, das Meer ist warm, doch Selma fühlt sich alles andere als federleicht. Sie befindet sich in einem Alter, in dem mit aller Wucht existenzielle Fragen aufkommen. Bei der Zwölfjährigen ist das unter anderem die Frage nach Leben und Tod - ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, weshalb sie gern „Totsein“ spielt – und die Sache mit der Liebe. Selma wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, denn die Liebe scheint eine gefährliche Sache zu sein. Schließlich sei ihre Mutter daran gestorben, glaubt das Mädchen. Und das Anschauungsmaterial, das die Erwachsenen in ihrer Umgebung zum Thema Liebe liefern, ist ernüchternd. Selmas Tante und dessen Freund verfallen ständig in absurde Streitereien, ihr Vater und ihre Stiefmutter leben nebeneinander her.
Weil sie mit der Praxis nichts zu tun haben will, auch wenn ihre Freundinnen sich heftig für Jungs zu interessieren beginnen, verlegt sich die Zwölfjährige auf die Theorie. Sie will Wissenschaftlerin werden und den Nobelpreis gewinnen – am besten auf dem Gebiet der Biologie. Mit großer Erleichterung liest sie, dass das X-Chromosom verschwinden wird. Jungs ade – wenn auch erst in ein paar Millionen Jahren. Natürlich dringt das echte Leben trotz aller Gegenwehr in Selmas Kosmos ein – in Gestalt eines Klassenkameraden, mit dem sie wissenschaftliche Fragen erörtert, und in Gestalt eines jungen Mannes, der ihre schwere Fragen stellt. Zum Beispiel, warum die Milch innen schwarz ist.

„Die Farbe der Milch“ ist auch für erwachsene Zuschauer nicht ohne Reiz, weil er die Nöte des jungen Mädchens in angemessene Bilder übersetzt und die richtige Tonlage findet. Selma kann eine schreckliche Grazie sein, in ihrer Hilflosigkeit gegenüber den Veränderungen in ihrem Leben wird sie jedoch zur liebenswerten Figur. Auch gelungen: Erwachsene werden durchgängig aus der Perspektive des Kindes gezeigt. Das führt zu fruchtbaren Irritationen. Denn so wie Selma die Erwachsenen in ihrer Umgebung sieht, führen sie sich reichlich kindisch auf. Damit hat sie nicht Unrecht, aber sie braucht ältere Menschen, um für sich ein paar Fragen zu klären. Und zwar nicht nur, warum die Milch innen schwarz ist.

Volker Mazassek   
 

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In diesem norwegisch-schwedischen Familienfilm geht es um eine eingeschränkte, aber wichtige Welt. Im Mittelpunkt steht die kleine Selma. Sie ist zwölf Jahre alt, also in einem Alter, in dem das Bewusstsein schärfer wird, in dem die Pubertät beginnt, in dem Körper und Seele ihr Gleichgewicht finden müssen, in dem man langsam anfängt zu begreifen, dass es die Liebe zwischen Mann und Frau gibt.

Die Erwachsenen geben Selma allerdings kein besonders gutes Beispiel von dem, was man Liebe nennt. Deshalb schottet sie sich davon ab. Sie will lieber Wissenschaftlerin, besser noch: Nobelpreisträgerin werden. Sie philosophiert über Chromosomen, über den Urknall, über Extraterrestrisches, über Geburt und Tod, über die „Farbe der Milch“, die innen schwarz ist, weil kein Licht hineindringt.

Immer mehr wehrt sie sich gegen jede Körperlichkeit, hält sich für die Liebe für nicht geschaffen, findet, dass sie die Hölle sei, will sich in dieser Beziehung strikt „unter Kontrolle“ halten, behauptet, dass sie noch nie verliebt gewesen sei, zerkracht sich darüber sogar mit ihren „normaleren“ Freundinnen.

Es gibt natürlich auch einen Jungen, den Andy. Der möchte mit Selma zusammen sein, sie „lieben“. Aber er beißt auf Granit. Viele Male. Es gibt keine andere Möglichkeit, als seine Bemühungen aufzugeben.

Bis Selma soweit ist. Langsam dämmert es ihr. Sie ist verwirrt, weint, begreift. Sie wird Andy lieben. Denn, sagt sie, die Liebe ist „die größte Naturkatastrophe, aber auch die beste und wichtigste“.

Ein kleiner Film, der jedoch die pubertäre Welt der Selma treffend, mit Gefühl, sorgfältig und viel Wirklichkeitsnähe einfängt. Suche, Unsicherheit, Spiel, Glück, alles ist da. Sie redet zwar einerseits viel zu altklug daher, diese Selma, aber sie spielt andererseits ihre Rolle auf bezaubernde Weise. Die übrigen Figuren – außer Andy natürlich – sind mehr oder weniger Staffage. Aufnahmen gibt es einige schöne, und auch sonst ist alles gut abgewickelt.

Der Film ist wegen seiner psychologischen Feinfühligkeit diesem jungen Mädchen gegenüber als Kinder- und Familienfilm durchaus auch für Filmkunsttheater und Programmkinos geeignet. Und die Darstellerin der Selma ist wirklich ein Volltreffer.

Thomas Engel