Schräger als Fiction

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Was passiert, wenn ein Kontrollfreak feststellt, dass sein ganzes Leben, bis hin zum Datum seines Todes, von den Launen einer neurotischen Schriftstellerin abhängt, erzählt Marc Foster in einer verzwickten Komödie. Dabei vereint er den Wortwitz von Woody Allen und die visuellen Spielereien der Charlie-Kaufman-Komödien („Being John Malkovich), gönnt einem dabei aber immer wieder Verschnaufpausen, weil er bei seinem Film die theoretischen Tüfteleien am Ende den emotionalen Momenten unterordnet.

Webseite: www.schraeger-als-fiktion.de

OT: Stranger Than Fiction
USA 2006
Regie: Marc Foster
Darsteller: Will Ferrell, Maggie Gyllenhaal, Dustin Hoffman, Emma Thomson, Queen Latifah, Tom Hulce
Verleih: Sony Pictures
KinosStart: 8.2. 2007

PRESSESTIMMEN:

Nach fast zwei originellen Stunden verlässt man das Kino amüsiert, intellektuell angeregt und, ganz altmodisch, ergriffen.
STERN

FILMKRITIK:

Das eintönige Leben des Steuerbeamten Harold Chrick (Will Ferrell) bräuchte dringend eine Frischzellenkur. Ohne Abwechslung spult der introvertierte Einzelgänger seinen Tagesablauf wie ein Uhrwerk herunter. Bis ihm eines Morgens, während des Zähneputzens in seinem klinisch, sterilem Heim, plötzlich eine sonore weibliche Stimme aus dem Nichts dazwischenfunkt. Der Konformist ist konsterniert; nicht nur, dass keiner in seiner Umgebung die Stimme vernimmt, die Dame kommentiert auch beängstigend genau Harolds jeweilige Handlungen. Und als ihm die Frauenstimme plötzlich mitteilt, dass seine Tage gezählt sind, ist es auch für den stets so gefassten Harold an der Zeit, sich ernsthaft beunruhigt zu zeigen.

Die Ärzte, die er daraufhin konsultiert, können ihm, abgesehen von den üblichen Prognosen einer ausgewachsen Schizophrenie, keine Hilfe geben. Erst der reichlich verschrobene Literaturprofessor Dr. Jules Hilbert (Dustin Hoffman) liefert den entscheidenden Hinweis. Harold sei der Held eines auktorialen Erzählers, der nach Gutdünken über sein Schicksal verfüge. Jetzt müsse nur noch festgestellt werden, ob es sich bei dem Roman, aus dem Harold stamme, um eine Komödie oder Tragödie handle.

Da der gesetzestreue Beamte drauf und dran ist, sich in eine anarchistische Bäckerin (Maggie Gyllenhaal) zu verlieben, die aus Prinzip einen Teil der Steuer einbehält, kann es sich, so ist Hilbert überzeugt, nur um eine Komödie handeln. Doch die Stimme, die Harolds Leben zu bestimmen scheint, gehört der neurotischen Schriftstellerin Karen Eiffel (Emma Thompson), und die hat noch keinen Helden ihrer Bücher die letzte Seite überleben lassen.

Dass sich Figuren aus ihren Geschichten verabschieden und in direkten Kontakt zu ihren „Schöpfern“ treten, ist nicht neu, wird aber bei Marc Foster als warmherzige, witzige Mischung aus den Welten von Woody Allen und Charlie Kaufman in Form einer intelligenten Mainstream-Komödie verpackt. Mark Foster erweist sich hier, nach so unterschiedlichen Filmen wie „Monster´s Ball“, „Wenn Träume fliegen lernen“ und „Stay“, als geschickter Erzähler einer feinsinnig eingefädelten, postmodernen Literaturposse. Während es bei dem, von dem sonst so krawalligen Komiker Will Ferrell souverän und zurückhaltend gespielten Helden darum geht, endlich einmal sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, kommt es auf einer zweiten Ebene zu wunderbar ausgeheckten Gedankenspielen um die Art und Weise, wie Geschichten erzählt werden.

So gibt es neben der rumpeligen Romanze zwischen Anarchobraut und Aktenmuffel auch noch das theoretische Geturtel von Literaturkritik und Literat, dargeboten von denen hier herrlich überdreht agierenden Dustin Hoffman und Emma Thomson, als einem Traumpaar skurriler Situationskomik. Vielseitig wie das Ensemble in dieser kuriosen Komödie sind auch die Stimmungen, die hier verbreitet werden. Von melancholisch bis albern überdreht, von hintersinnig bis emotional ergreifend, reicht die Palette des Films, der beweist, dass nicht das Leben, sondern halt doch die Fantasie die besten Geschichten schreibt.

Norbert Raffelsiefen

 

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Harold Crick ist Steuerbeamter, Sein Leben ist geordnet, Zahlen spielen sowohl beruflich als auch privat die Hauptrolle. Soundso viele Schritte zum täglichen Bus, 45,7 Minuten für den Lunch und 4,3 Minuten für die Kaffeepause.

Da hört er eines Tages beim Zähneputzen eine Stimme in seinem Ohr. Er setzt alles daran, sie abzuschütteln, aber sie bleibt. Und sie sagt nicht irgendetwas, sondern die Wahrheit. Sie berichtet über sein Alltagsleben.

Was Harold nicht weiß: Die Stimme gehört der Schriftstellerin Kay Eiffel, die zunächst unabhängig von ihm einen Roman verfasst, der haargenau Harolds Leben und Schicksal zum Thema hat. Kay Eiffel ist verzweifelt, weil sie schon seit zehn Jahren einen geeigneten Schluss für ihr Werk sucht. Bis jetzt sind alle Protagonisten ihrer Schriften zu Tode gekommen. Und Harold Crick droht das gleiche Schicksal. Weil Frau Eiffel im Rückstand ist, hat der Verlag ihr die resolute Penny Escher zur Beratung zugeteilt.

Harold geht in seiner Not zum Psychiater und Literaturprofessor Jules Hilbert. Der rät ihm, aus seiner Tragödie eine Komödie zu machen. Das Rezept: Zwei, die sich nicht ausstehen können, werden ein Liebespaar.

Da kommt Ana Pascal gerade richtig. Sie ist eine rebellische Bäckerin, die sich weigert, Steuern zu zahlen. Harold soll die Angelegenheit prüfen. Die beiden geraten zuerst aneinander, werden dann aber ein Liebespaar. Hilberts Rat ist befolgt. Die Sache hat geklappt.

Aber muss Harald jetzt sterben, wie in Eiffels Roman letzten Endes doch vorgesehen? Hoffentlich nicht. „Er verdient ein Happy End“, heißt es irgendwo.

Der 26jährige Zach Helm hat die Geschichte erfunden. Die Produzenten seien begeistert gewesen, wird berichtet. Ob dies dem Zuschauer genau so geht, ist aber sehr die Frage. Denn die Story ist eher kurios und verwirrend als originell und einnehmend.

Besser steht es mit der Inszenierung. Sie ist Hollywood-like und routiniert bis ins letzte. Außerdem wird sie von erstklassigen Schauspielern getragen: Dustin Hoffman (Prof. Hilbert), Emma Thompson (Kay Eiffel), Queen Latifah (Penny Escher), Maggie Gyllenhaal (Ana Pascal) und in der Rolle des Harold Crick der wandlungsfähige Will Ferrell.

Thomas Engel