Mary Shelleys Roman „Frankenstein“ wurde schon häufig verfilmt, selten war ein Regisseur aber derart dafür prädestiniert wie Guillermo del Toro, der im Abspann nicht nur Shelley, sondern auch Bernie Wrightson, dem Comic-Zeichner, der eine „Frankenstein“-Ausgabe illustriert hat, Boris Karloff und James Whale dankt. Del Toro liebt das Makabere und die Monster, und das merkt man auch seinem Film an, in dem noch deutlicher als je zuvor gezeigt wird, dass das wahre Monster nicht die Kreatur, sondern ihr Schöpfer ist.
Über den Film
Originaltitel
Frankenstein
Deutscher Titel
Frankenstein
Produktionsland
USA
Filmdauer
150 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
del Toro, Guillermo
Verleih
Verleih N.N.
Starttermin
23.10.2025
Baron Frankenstein jagt die Kreatur zum Nordpol, wird von ihr verletzt und von Seeleuten gerettet, die mit ihrem Schiff im Eis feststecken. Er beginnt dem Kapitän die Geschichte seines Lebens zu erzählen, beginnend mit dem Tod der Mutter, der ihn anspornte, den Tod selbst besiegen zu wollen. Alles setzte Frankenstein daran, Leben aus der Leblosigkeit zu schaffen, und mit Hilfe eines Finanziers gelang ihm das auch. Aber der Preis für seine Hybris ist hoch, und nicht nur er bezahlt ihn, sondern auch die Kreatur.
Del Toro liebt den Roman, aber auch den Film aus den Dreißigerjahren. Das merkt man, zugleich ist es aber auch so, dass der Autor und Regisseur der Vorlage nicht sklavisch ergeben ist. Er bringt eine neue Figur in Form von Christoph Waltz‘ Finanzier ein, verändert, was Frankensteins Bruder für ihn ist, und lässt sogar Frankensteins Braut Elizabeth zur Verlobten seines Bruders werden. Die vielleicht größte Änderung ist jedoch, dass Elizabeth keine Angst vor der Kreatur hat, sondern in ihr den geschundenen Mann sieht. Der Schmerz in seinen Augen, ist er nicht ein Beweis für Intelligenz, fragt sie Frankenstein, der zwar begonnen hat, an die Gefährlichkeit seiner Schöpfung zu glauben, nicht jedoch an ihre Intelligenz.
Del Toro unterteilt seinen Film in drei Kapitel: dem Präludium folgt zuerst Victors Geschichte, dann die der Kreatur. Auch hier hat del Toro den Mut zur Veränderung, und bleibt doch immer nahe an dem, was Shelley ersann. Dem Regisseur ist es gelungen, eine wahrhaft moderne Version dieser Geschichte zu erzählen, mit einer weiblichen Hauptfigur, die emanzipiert ist, und einer Kreatur, die das Herz und die Seele dieses Films ist. So gut Oscar Isaac als Baron Frankenstein auch ist, Jacob Elordi als Kreatur stiehlt ihm die Schau.
Nicht nur, weil er physisch imposant ist, sondern vor allem, weil er zum subtilen Spiel fähig ist und den Schmerz dieses Wesens, das von Frankenstein zu ewigem Leben verflucht wurde, für das Publikum greif- und spürbar werden lässt. Die Prosthetics – mehr als 70, für die Elordi teils zehn Stunden Make-up-Transformation ertragen musste – helfen, das Wesen glaubhaft zu einem Menschen zu machen, der aus Leichenteilen erschaffen wurde, aber es ist das unglaubliche Gefühl in Elordis Stimme, das erzittern lässt.
„Frankenstein“ ist ein zweieinhalbstündiges Epos, das auf Computertechnik verzichtet, soweit es geht. Der Film wirkt damit im besten Sinne altmodisch, er lässt den gotischen Horror vergangener filmischer Zeiten wiederaufstehen, versteht seine Geschichte aber weniger als eine um das Grauen des wiedererweckten Lebens als eine über die Transformation des Menschen selbst – ob nun die des Barons Frankenstein zum Monster oder die der Kreatur zum Mann. Das alles verpackt del Toro in atemberaubend schöne Bilder, die es lohnen, nach einem Kino zu suchen, das diesen Film zeigt, denn die Netflix-Produktion ist nur zwei Wochen limitiert im Einsatz, bis das Streaming-Debüt kommt.
Peter Osteried







