Freischütz, Der

Zum Vergrößern klicken

Opernfilme gibt es reichlich, eine Filmoper indes ist eine echte Rarität. Statt eine Bühneninszenierung abzufilmen, begibt sich Regisseur Jens Neubert mit diesem „Freischütz“ ganz real „durch die Wälder, durch die Auen“ und drehte an jenen Originalschauplätzen in Sachsen, wo Carl Maria von Weber sie anno 1821 vollendete. Das Romantikschauermärchen um den Jäger Max, der einen Pakt mit dem Bösen eingeht, um mit Freikugeln seine Liebe zu Agathe zu retten, erfreut sich bis heute großer Popularität. Weber habe die Gabe, „für den großen Haufen schreiben zu können“ attestierte einst sein Kollege Louis Spohr. Das könnte auch für diese bildgewaltige Umsetzung von Neubert gelten. Bei der Weltpremiere am Dresdner Elbufer waren Tausende Zuschauer vom visuellen und musikalischen Hochgenuss jedenfalls begeistert.

Webseite: www.derfreischuetz-derfilm.de

Deutschland / Schweiz 2010
Regie und Buch: Jens Neubert
Darsteller: Franz Grundheber, Benno Schollum, Juliane Banse, Regula Mühlemann, Michael Volle, Michael König, René Pape, Olaf Bär.
Kamera: Harald Gunnar Paalgard
Laufzeit: 141 Minuten
Verleih: Constantin
Kinostart: 23.12.2010

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Wenn schon Oper, dann der „Freischütz“. Das wusste schon Loriot, der einst das romantische Stück mit Jägerchor und Jungfernkranz auf der Stuttgarter Bühne inszenierte. Oder ein Robert Wilson, der eine moderne „Black Rider“-Version daraus gestrickt hat. Die ironischen Brechungen samt sarkastischem Ballast aus den 80er Jahren sind bei dieser Realverfilmung von Jens Neubert bewusst über Bord geworfen: Er präsentiert ganz ungeniert Herz und Schmerz, Liebe, Loyalität, Verrat und Verzeihen im kriegsbedrohten deutschen Wald – gut so, schließlich handelt sich’s hier um die erste romantische Oper überhaupt.

Die Story ist bekannt: Jäger Max mag Agathe, die hübsche Tochter von Erbförster Kuno. Nach altem Brauch darf er allerdings erst als erfolgreicher Schütze die Braut heiraten. Der Probeschuss indes misslingt. Die Schmach ist groß. Verzweifelt lässt sich Max auf einen Pakt mit des Teufels Handlanger Kaspar ein, seinem alten Rivalen um Agathe. Die beiden Jäger treffen sich um Mitternacht in der unheimlichen Wolfsschlucht, um dort mit einem finstren Ritual die treffsicheren Freikugeln zu gießen. Unterdessen wird Agatha zu Hause von bösen Vorahnungen geplagt. Da fallen Bilder von der Wand oder der Jungfernkranz wird mit der Totenkrone verwechselt. Beim Finale, eingeläutet vom Jägerchor, fliegt der Schwindel unter höchst dramatischen Umständen auf. Max soll verstoßen werden. Erst ein Eremit, aus Waldesfrische schreitend, rettet mit seinem weisen Rat den guten Ausgang, zumindest ein Happy End auf Probe

Regisseur Jens Neubert verlegt die Handlung, die laut Libretto im Dreißigjährigen Krieg spielt, in die Zeit der Napoleonischen Feldzüge 1813 um Dresden, also just in die Entstehungszeit der Oper. Gleich zu Beginn sieht man Max und Kaspar als müde Krieger über ein grausames Schlachtfeld ziehen – die „Lebt kein Gott?“-Frage ist damit schnell gestellt. Optisch lässt sich Neubert an den Originalschauplätzen einiges einfallen: Märchenhafte Wälder und Landschaften, virtuose Großaufnahmen sowie, last not least, eine hübsche Wolfsschlucht-Szene lassen Webers Wunder für das Kino eindrucksvoll aufleben.

Die Gesangstars Juliane Banse, Franz Grundheber, René Pape, Michael König, Michael Volle sowie Newcomer Regula Mühlemann überzeugen nicht nur stimmlich, sondern durchaus auch schauspielerisch. Die Damenriege ist charismatisch schön, derweil Max geradewegs aus „Herr der Ringe“ entsprungen sein könnte. Die Musiker des London Symphony Orchester spielen traditionell first class, diesmal unter dem Dirigenten Daniel Harding in den legendären Abbey Road Studios.

Nicht nur Freischütz-Fans dürften bei dieser ungewohnten Variante (die übrigens auf Förder-Freikugeln verzichtete und privat finanziert wurde) auf ihre Kosten kommen. Auch Einsteiger könnten von Pathos und Schönheit begeistert sein. Halali. Da Capo.
 
Dieter Oßwald

.