Freund, Der

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Der einsame Student Emil wünscht sich nichts sehnlicher als die Sängerin Larissa kennen zu lernen. Kaum geht dieser Wunsch in Erfüllung, ist Larissa tot und Emil steht plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aus dieser Konstruktion entwickelt Debütregisseur Micha Lewinsky seinen sehenswerten Film, der auf subtile Weise schildert, wie verdrängte Emotionen eruptiv an die Oberfläche drängen.

Webseite: www.filmkinotext.de

Schweiz 2009
Regie und Buch: Micha Lewinsky
Darsteller: Philippe Graber, Johanna Bantzer, Andrea Bürgin, Michel Voita, Emilie Welti, Therese Affolter
Länge: 87 Min.
Verleih: FilmKinoText
Kinostart: 13. Januar 2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Emil ist meistens allein. Egal ob im Hörsaal, in der Mensa oder beim Konzert. Die Sängerin, die dort ihre melancholischen Lieder singt, hat es Emil angetan, doch selbst als Larissa an der Bar neben ihm steht, wird Emil nicht beachtet. Zu Hause erwartet ihn die besorgte Mutter, die seit dem Tod des Vaters nur noch ihren Sohn hat und nicht schlafen kann, bevor er sicher zu Hause ist. Irgendwann ringt sich Emil dazu durch, Larissa eine Email zu schreiben – und so beginnt das Drama. Larissa bittet Emil, sich als ihren Freund auszugeben, damit ihre Eltern beruhigt sind. Doch bevor es zu einem Treffen kommen kann, erfährt Emil, dass Larissa Tod ist. Eher aus Überrumpelung denn wegen böser Absichten gibt sich Emil gegenüber deren Eltern und Larissas Schwester Nora nun wirklich als ihr Feund aus und wird in eine nur oberflächlich funktionierende Familie hineingezogen. Langsam erfährt Emil, dass Larissa kaum Kontakt zu ihren Eltern und ihrer Schwester hatte, dass sie an Depressionen litt und vor Jahren gar in einer Klinik war. Und je mehr Zeit er vor allem mit Nora verbringt, desto näher kommt er Larissas Schwester, die stets im Schatten der erfolgreichen, aber auch labilen Larissa stand, die fast alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Und bald ist auch gar nicht mehr so sicher, ob Larissa tatsächlich bei einem Unfall mit ihren elektrischen Gitarren gestorben ist oder ihrem leben selbst ein Ende gesetzt hat.

Manchmal bedauert man es, dass mit Larissa die vielschichtigste Figur des Films schon nach wenigen Minuten verschwunden ist. Zumindest tritt sie nicht mehr selbst in Erscheinung, auch wenn sie noch lange nach ihrem Tod das Leben der anderen Protagonisten beeinflusst. Emil gewinnt durch die Behauptung, ihr Freund gewesen zu sein, zu nie gekanntem Selbstvertrauen, vor allem aber Nora findet nach dem Tod der übermächtigen Schwester endlich den Mut, ihrer Mutter klar zu machen, dass sie nicht immer mit Larissa verglichen werden will.

Und auch wenn diese Entwicklungen nicht unbedingt überraschend daherkommen, dank zurückhaltenden Schauspieler und Regie entwickelt „Der Freund“ beachtliche Qualitäten. Bald nachdem das etwas unwahrscheinliche Konstrukt etabliert ist, beginnt klar zu werden, dass weit mehr hinter der Geschichte steckt. Ohne in zu extremes Drama zu abzudriften, schildert Lewinsky eine komplexe Familiensituation, die vor allem durch das bestimmt wird, was nicht gesagt wird. Mag man sich zunächst noch wundern, warum die Mutter so kühl auf den Tod ihrer einen Tochter reagiert und ihrer andere ebenso distanziert gegenüber tritt, wird langsam deutlich, welche Verdrängungsmechanismen die Familie bestimmen. Emil selbst ist da keine Ausnahme. Auch er findet erst im Laufe der Geschichte zu einem neuen Verständnis mit seiner Mutter, vor allem aber zu einem gewissen Maß an Selbstvertrauen, das ihn am Ende zu seiner Täuschung stehen lässt. Ein schöner, tiefsinniger Film.

Michael Meyns

Larissa ist eine kraftvolle und bewunderte Pop-Sängerin. Emil ist ein scheuer junger Kerl, der Larissa für sich haben möchte aber keine große Chance hat.

Plötzlich bittet ihn die Sängerin doch, er solle sich als ihr Freund ausgeben. Zögernd stimmt Emil zu.

Unmittelbar danach kommt Larissa ums Leben – vielleicht sogar aus eigener Hand.

Ihrer Familie kommt zu Ohren, dass Emil Larissas Freund gewesen sei. Im Stillen hatten sich die Eltern immer gewünscht, dass ihre Tochter einen Freund habe.

Emil kommt diesem sanften Zwang nicht mehr aus. Er nimmt am Begräbnis teil, wird von Larissas Eltern eingeladen, lernt Nora, die ältere Schwester der Toten, kennen. Das Problem: Mit der Zeit verlieben sich Emil und Nora ineinander, doch letztere darf auf keinen Fall die Wahrheit erfahren. Ob das gut geht?

Micha Lewinsky hat aus tragischen und komischen Elementen flüssig inszeniert einen mittelprächtig unterhaltenden Mix geschaffen. Man kann ihm wünschen, dass von der dramatischen und filmischen Güte her „Der Freund“ vom Publikum so gut aufgenommen wird wie seinerzeit seine erfolgreiche „Standesbeamtin“.

Johanna Bantzer, die die Nora spielt, ist eine versierte Schauspielerin. Das tut dem Film gut. Philippe Graber ist Emil. Der Part als verklemmter, scheuer, unverschuldet in peinliche Verlegenheiten geworfener, dann doch die Liebe findender Jüngling war sicherlich psychologisch nicht leicht zu interpretieren. Auch das, mit Verlaub, merkt man dem Film an. Emilie Welti alias Larissa alias Sophie Hunger hat eine große Stimme aber nur eine kleine Rolle.

Tragikomisches Erlebnis des jungen Schweizers Emil, der sozusagen ins kalte Wasser geworfen wird, dann aber doch noch die Wärme der Liebe erfährt.

Thomas Engel