Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane

Zum Vergrößern klicken

In die Weiten Russland entführt diese bildgewaltige Dokumentation den Zuschauer – und erschlägt ihn bei aller visuellen Pracht auf Dauer mit ihrer Gigantomanie. Kaum eine Sekunde Kontemplation gönnt Regisseur Jörn Röver sich, ständig wartet die nächste Sensation auf einen kurzen Auftritt bevor es in die nächste Ecke des Riesenreiches geht. Ja, „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ sieht fantastisch aus, führt das Genre der Naturdokumentation aber einen Schritt weiter in Richtung Nummernrevue.

Webseite: www.polyband.de

Deutschland, Russland 2010 - Dokumentation
Regie: Jörn Röver
Drehbuch: Jörn Röver
Kamera: Henry M. Mix
Schnitt: Klaus Müller
Musik: Kolja Erdmann
Dokumentation
Länge: 91 Min.
Verleih: polyband Medien
Kinostart: 13. Januar 2011
 

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Noch über dem Titel findet sich auf dem Plakat zur Naturdokumentation „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ folgende Auflistung: 3,5 Jahre Produktionszeit, 1200 Drehtage, 50 Stunden Flugaufnahmen, 10 Kamerateams, 600 Stunden Rohmaterial, 100000 Reisekilometer. Dort, wo bei Spielfilmen die Namen der Stars zu finden sind, wird bei dieser Dokumentation also mit der Gigantomanie der Produktion geworben. Nicht, dass dieser Aufwand nicht eindrucksvoll wäre und er sich nicht in jeder Sekunde auf der Leinwand niederschlagen würde, wo man Bilder sieht, wie man sie noch nie gesehen hat. Aber stimmt das wirklich? Schließlich haben sich Naturdokumentationen in den letzten Jahren sowohl im Kino als auch im Fernsehen (ohne dessen Unterstützung kaum einer dieser Filme möglich wäre) zu einem der beliebtesten Genres entwickelt. Die Orte auf der Erde und in den Meeren, die Tier- und Pflanzenarten, die noch nicht mit höchstem technischem Aufwand abgefilmt wurden werden täglich weniger. Und die Ergebnisse können sich ohne Frage sehen lassen.

„Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ führt den Zuschauer zum Ural, in den Kaukasus, nach Sibirien, in die Arktis, zu schneebedeckten Bergen, dürren Wüsten, sattgrünen Wäldern, in denen man Tiger, Bären, Steinböcke, Otter und zig anderes Getier in Bildern zu sehen bekommt, die atemberaubend sind. Die oben erwähnten Zahlen zeugen von der Gigantomanie des Unternehmens, das im Presseheft tatsächlich mit einer Auflistung der erstmals gefilmten Tiere fortgesetzt wird. Sicherlich ist es schön, dass endlich auch „Bergwisente im Kaukasus, Amur-Tiger am Strand oder kämpfende Moschusochsen auf Wrangel“ auf der Leinwand zu sehen sind, um nur einige der aufgeführten Sensationen zu nennen. Doch entsteht aus der bloßen Aneinanderreihung großartiger Aufnahmen auch ein guter Film?

Zunehmend fühl man sich im modernen Naturfilm an die Exzesse des Hollywoodkinos erinnert, das besonders im von Spezialeffekten dominierten Actiongenre seid Jahren zunehmend im Versuch erstarrt, immer größere, aufwändigere, spektakulärere Explosionen und Verfolgungsjagden zu präsentieren und dabei die Essenz des Kinos vergisst: Die Geschichte. Und dieses natürlich auch in einer Dokumentation unverzichtbare Element ist auch in „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ eher ein nachrangiger Gedanke.

Das Muster ist dabei stets das Gleiche. Ein Tier oder eine Landschaft werden in makellosen Bildern kurz vorgestellt, die Erzählerstimme wirft einen kurzen Infohappen in den Raum, dazu mal mehr, mal weniger bombastische Orchestralmusik und schon geht es weiter zum nächsten, aufregenden Tier, zur nächsten, atemberaubenden Landschaft. Zeit für genauere Beobachtungen einer speziellen Art, für die Darstellung ihrer Lebensumstände, ihres Jagd- und Paarungsverhalten oder gar für Momente, in denen einfach mal nichts passiert, nimmt sich der Film kaum. Was natürlich angesichts der Größe Russlands, der Vielfalt von Flora und Fauna auch kaum möglich ist. So ist „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ in jeder Hinsicht ein aktueller, moderner Naturfilm: Grandios gefilmt, voll von atemberaubenden Bildern, der in seiner Hektik, seiner Angst, an einem anderen Ort ein sensationelles Bild zu verpassen, aber so substanziell wie eine Power-Point-Präsentation ist.

Michael Meyns

Natur- und Tierfilme gibt es vor allem im Fernsehen en masse. Da muss im Kino schon etwas Besonderes geboten werden. Und „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ hat schon einige Spezialitäten auf Lager.

Zehn Kamerateams, dreieinhalb Jahre Produktionszeit, abenteuerliche Zwischenfälle, zusammengenommen über 1000 Drehtage, hunderte Stunden Rohmaterial, unendliche viele Reisekilometer.

Halbinsel Kamtschatka, Kaukasus, Ural, Sibirische Arktis, Taiga, Baikal – dazu der Lauf durch die Jahreszeiten.

Und seltene Tiere: Bergwisente im Kaukasus, Amur-Tiger am Strand (berühmt durch ihre Größe), kämpfende Moschusochsen, Baikal-Süßwasserrobben, Riesenseeadler, russische Desmane (seltene Wassermaulwürfe), Zobel und viele andere.

Die große Kinoleinwand lässt dabei an prächtigem Bild und Ton und überhaupt an mächtigem Eindruck nichts zu wünschen übrig. Der Kommentar ist angemessen.

Wie gesagt, wer herrliche Landschaftsbilder, überhaupt die Natur und einzigartige Tiere liebt, der wird – trotz gewaltiger Fernsehkonkurrenz – den Besuch dieses Films auf keinen Fall bereuen. Einen gemüts- und raumfüllenden Soundtrack bekommt man obendrein noch dazu.

Thomas Engel