Gernstls Reisen – Auf der Suche nach dem Glück

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Gernstl ist ein reisender Reporter, der kaum Fragen stellt und deshalb die besten Antworten erhält. „Gernstl“ – steht für  Franz Xaver Gernstl, ein Filmemacher und seine beiden Freunde (Hans Peter Fischer und Stefan Ravasz), die seit über zwanzig Jahren  übers Land fahren, Kamera und Ton im Gepäck, und dann wiederkommen mit einem Film, den sie an den Bayerischen Rundfunk verkaufen. So einfach kann das sein. Aus seinen genialischen Reportagen hat er jetzt einen Kinofilm geschnitten, der mindestens so spannend ist wie die hierzulande so beliebten Kamel- und Pinguin- Dokus. Und ähnlich exotisch – wegen seiner Menschlichkeit.

Webseite: www.gernstls-reisen.de

Deutschland 2005
Regie: Franz X. Gernstl
Kamera: Hans Peter Fischer
Ton: Stefan Ravasz
Schnitt: Rolf Wilhelm
Verleih: MFA+ FilmDistribution
Kinostart: 23.2.2006

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Understatement ist sein Ding. Wenn Gernstl Menschen mit der Kamera befragt, dann fuchtelt niemand fernseh-hysterisch mit Scheinwerfern herum, dann muss der Tonmann keine provokativen Fragen angeln, Gernstl steht einfach nur da, ein kurzes „Servus“, ein aufmunterndes Nicken, das reicht, um ein Gespräch einzuleiten. Ähnliches Understatement eröffnet seinen Kinofilm. Als sie damals in den 80ern die ersten Reportagen drehten, hätten sie keinen großen Plan gehabt, versichert er aus dem Off.  Eigentlich seien sie nur auf der Suche nach „den besten Weibern, dem besten Bier und den besten Bratwürsten“ gewesen. Der Rest habe sich dann so ergeben.

Wenn Gernstl mit seinem Team in eine Horde Sanyassins gerät, dann stellt er nicht die orangen Glücklich-Lächler vor die Kamera, um sie dem Gelächter preiszugeben, sondern er schnappt sich den Einzigen, der nicht orange ist, einen kleinen Jungen, der blau trägt und deshalb die viel interessanteren Dinge zu erzählen hat. Zum Beispiel, dass seine Mutter ihn zum Vegetarier erziehen möchte und er selbst gerne Journalist wäre. Gernstl nimmt den Kleinen drei Tage mit auf Reisen, lässt ihn Reporter spielen und ein halbes Hähnchen essen. Einige Episoden später, immer noch im Strick-Schick der Öko-80er, trifft Gernstl einen seligen Käsemacher. Einen Mann, der dem Drehteam seinen Käsekeller zeigt, erklärt, dass er mit den Bakterien kommuniziert, mit den reifenden Leibern schwätzt und das der Grund sei für den guten Geschmack des Käses und das Glück des Käsers.

Manchmal wird Gernstl auch an der Tür zurückgewiesen – immer noch in den 80ern – der Mann bedeutet: keine Chance für ein Gespräch, denn seine Frau habe „Angst vor’m Atom. Die denkt mit’m Atom machen Sie rum.“

Einen „Fernsehflaneur“ nannte die Jury des Adolf Grimme-Preises Franz Xaver Gernstl, einen, der die „Grenzen der Achtung“ stets wahre und „unpathetische Heimatkunde“ betreibe. In seinem Kinofilm flaniert Gernstl durch zwei Jahrzehnte deutscher Geschichte und seine Suche nach Bratwürsten und Weibern gerät zum lebensphilosophischen Essay. 

Seine Gespräche sind keine Diskussionen, sondern wahre Begegnungen. Er stellt keine herauspresserischen Fragen, sucht nicht nach Sensationen, sondern nach dem Wahrhaftigen. – All das konnte man schon in den Fernsehfassungen seiner Reiseberichte bewundern. Im Kinofilm nun gelingt ihm durch pointierte und stimmungsvolle Montage eine 90-minütige Meditation über die Möglichkeiten des Menschseins.

Am Schluss  trifft eine Gospelsängerin den richtigen Ton: „The colors of a rainbow. So pretty in the sky. Are also on the faces of people going by. And I think to myself: What a wonderful world.”

Die Farbenvielfalt der Welt spiegelt sich auch durch Gernstls Kamera in den Gesichtern seiner Protagonisten. Dieser Film hat  wahrhaft kathartischen Effekt. Was für eine wunderbare Welt ist das, denkt man bei sich. Man muss halt nur richtig hinschauen. 
Sandra Vogell