Get On Up – Die James Brown-Story

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„Godfather of Soul“, „Mr. Dynamite“, Sexsymbol: Der legendäre, 2006 verstorbene James Brown hatte viele Namen und Talente. Vor allem aber war er ein begnadeter Musiker, Entertainer und kreativer Vordenker. Nun kommt endlich das erste Biopic über dieses durchaus widersprüchliche Idol in die Kinos. Hauptdarsteller Chadwick Boseman, der zuvor schon im Baseball-Film „42“ einen Held der Black Community verkörperte, findet zu einer Oscar-würdigen James-Brown-Interpretation, die von Mut und Selbstbewusstsein zeugt. Unter der Regie von Tate Taylor („The Help“) entstand so ein sehr direktes, gleichermaßen unterhaltsames wie erfrischend positiv von der Norm abweichendes Biopic.

Webseite: www.get-on-up-film.de

USA 2014
Regie: Tate Taylor
Drehbuch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth
Produzenten: Brian Grazer, Mick Jagger, Erica Huggins, Victoria Pearman
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Chadwick Boseman, Nelsan Ellis, Viola Davis, Craig Robinson, Dan Aykroyd, Octavia Spencer, Jill Scott, Tika Sumpter
Laufzeit: 138 Minuten
Verleih: UPI
Kinostart: 9.10.14
 

FILMKRITIK:

Es gibt nur wenige Karrieren im amerikanischen Show- und Musikgeschäft, die mit der des James Brown vergleichbar sind. Schon deshalb eignet sich diese als Grundlage einer filmischen Zeitreise und eines aufwändig produzierten Kinofilms. Dass es dennoch so lange dauerte, bis man in Hollywood den Mut zu einem Biopic aufbrachte, sagt viel über den Respekt und die Ehrfurcht vor dem „Godfather of Soul“ aus. Knapp acht Jahre nach Browns Tod übertrugen „The Help“-Regisseur Tate Tylor, Produzent Brian Grazer sowie „Rolling Stones“-Frontmann und Co-Produzent Mick Jagger die fast sechs Jahrzehnte umfassende Showkarriere Browns in einen rund zweistündigen Kinofilm, der sich sowohl mit den Höhen als auch mit den Tiefen des neben Michael Jackson vielleicht einflussreichtsten schwarzen Musikers des 20. Jahrhunderts befasste.
 
Die musikalischen Höhepunkte dominieren gleichwohl in „Get on Up“, was man jedoch weder dem Film noch seinen Macher wirklich vorwerfen kann. Dafür hat Brown ganz einfach viel zu viel Außergewöhnliches erlebt – als Musiker, Stimme des schwarzen Amerikas, als Sexsymbol, Vater und Ehemann. Die Herausforderung, in dessen überlebensgroße Fußstapfen zu treten, stellte sich der junge Chadwick Boseman. Wie Brown in South Carolina geboren und aufgewachsen, hatte er zuvor mit dem ersten schwarzen Baseball-Spieler Jackie Robinson in Brian Helgelands „42“ bereits eine andere Ikone der Black Community auf der Kinoleinwand verkörpert. Für Boseman war die Darstellung der Musik- und Entertainment-Legende James Brown gleichwohl ein schauspielerischer Kraftakt. Vor allem Browns einzigartiger Tanzstil, seine Art sich auch abseits der Bühne zu bewegen, seine Stimme und Gesten musste er sich in der Vorbereitung der Rolle antrainieren. Hinzu kam die Schwierigkeit, Browns Leben über eine Zeitspanne von über einem halben Jahrhundert glaubhaft darzustellen.
 
Dabei gelang Boseman – mit der Unterstützung von Make-up und Perücke – eine bemerkenswerte Verwandlung. Auch wenn in den Live-Parts meist Browns Originalstimme zu hören ist, legte Boseman mit seiner mutigen Interpretation, die nie zu einer bloßen Imitation verkommt, das Fundament für ein gleichermaßen unterhaltsames wie erfrischend anderes Biopic. Denn Taylor und seine Autoren entschieden sich, Brown immer wieder direkt den Zuschauer ansprechen zu lassen und dabei eine lineare Erzählung aufzugeben. Mit diesem Kunstgriff überbrückt der Film einerseits die emotionale wie räumliche Distanz zur Leinwand, zum anderen wirft er sein Publikum damit unmittelbar in Browns verrücktes Leben. Dadurch besitzt „Get on Up“ eine viel größere Dynamik und Energie als vergleichbare, eher konventionell erzählte Film-Biographien. Natürlich trägt auch Browns unnachahmliche Musik hierzu entscheidend bei. Der Zuschauer erlebt, welche Einflüsse Brown prägten und wie er mit seiner ersten Band, den „Famous Flames“, von Gospel über Soul bis zu dem von ihm begründeten Funk musikalische Grenzen gleich mehrfach sprengte.
 
Umgeben von einem erstklassigen Ensemble, aus dem vor allem Nelsan Ellis („True Blood“) als Browns langjähriger Vertrauter und kreativer Partner Bobby Byrd hervorzuheben ist, prägt Boseman diesen auch zeitgeschichtlich hochinteressanten Film. Der Vietnam-Krieg, die Ermordung Martin Luther Kings, die Armut in den Südstaaten, all jene Ereignisse und Hintergründe prägten sowohl Browns Leben als nun auch Taylors Biopic, das man bestenfalls für seine doch eher unkritische Haltung gegenüber seinem überlebensgroßen Star kritisieren kann. Seien es Browns wiederkehrende Konflikte mit dem Gesetz, seine Suchtprobleme und Gewaltausbrüche, all das sind nur Fußnoten, die dem Idol nicht ernsthaft gefährlich werden können. Brown, so wie Boseman ihn darstellt, bleibt vielmehr ein willensstarker, meist unbeirrbarer Kämpfer und Sympathieträger.
 
Marcus Wessel