Kein besonderes Bedürfnis

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Ein ebenso anrührendes wie mutiges Dokumentarfilmprojekt: In dem vielfach preisgekrönten Kinodebüt geht es um den Autisten Enea, der sich nichts so sehr wünscht wie eine Freundin. Um Enea sein „erstes Mal“ zu ermöglichen, reisen die Freunde Carlo, Enea und Alex von Italien über Österreich bis nach Norddeutschland.
Seinen Reiz bezieht der Film vor allem aus der authentischen Atmosphäre und den liebenswerten Charakteren. Sicherlich ein eher kleiner Film, der mit Humor und Einfühlungsvermögen vom Traum der wahren, großen Liebe erzählt – und ganz nebenbei von den Schwierigkeiten, die behinderte Menschen haben, wenn sie Sex haben wollen.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Originaltitel: The Special Need
Italien/Österreich/Deutschland 2013
Regie: Carlo Zoratti
Drehbuch: Cosimo Bizzarri, Carlo Zorratti
Darsteller:
Länge: 82 Minuten
Verleih: farbfilm
Kinostart: 11. Dezember 2014
 

Preise und Auszeichnungen

„Goldene Taube“ beim 56. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, 2013
Grand Jury Prize als bester Dokumentarfilm, Dallas International Film Festival 2014,
Bester Dokumentarfilm, Trieste Film Festival 2014,
Publikumspreis beim South By Southwest Festival (SXSW) in Texas, 2014

FILMKRITIK:

Eigentlich ist Enea ein ganz normaler Typ: Er hat einen Job und mit Carlo und Alex zwei richtig gute Kumpel, aber er hätte unheimlich gern eine richtige Freundin. Enea ist Autist, und deshalb ist es für ihn nicht leicht, Frauen anzusprechen und Anschluss zu finden. Trotz seiner 29 Jahre wirkt er beinahe kindlich, und seine Annäherungsversuche sind leider ziemlich ungehobelt. Enea stellt sich ausgesprochen ungeschickt an, was kein Wunder ist, denn er ist schlicht und einfach komplett unerfahren, was Frauen betrifft. Das soll nun anders werden, und deshalb machen sich Enea und seine Freunde Alex und Carlo in ihrem betagten VW-Bus auf eine Reise quer durch Europa, die nur ein Ziel kennt: Enea soll seine Jungfräulichkeit verlieren.
 
Dies ist ein Männerfilm der besonderen Art – hier geht es weniger um Eneas Behinderung, die im Übrigen auch für Alex und Carlo keine Rolle spielt. Im Vordergrund steht vielmehr die Suche nach der großen Liebe und damit der Wunsch nach Nähe und Intimität. Enea entdeckt für sich selbst den Unterschied zwischen Sex und Liebe, und auch wenn am Ende das erstrebte Ziel nicht erreicht wird, so hat Enea doch wichtige Erfahrungen gemacht, die nicht nur ihn, sondern auch seine Freunde ein bisschen erwachsener werden lassen.
 
Bei aller Lockerheit und Lässigkeit, die von den drei Protagonisten auf liebenswerte Weise verbreitet wird, geht es doch um durchaus sensible Bereiche: um käuflichen und nicht käuflichen Sex, um Gefühlsverwirrungen und das Streben nach Liebe und Erfüllung. Eine wichtige Rolle im Film spielt dabei das „Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter“ in dem norddeutschen Dorf Trebel, wo behinderten Menschen die Möglichkeit sexueller Kontakte eröffnet wird. Carlo Zorratti, der nicht nur Regisseur und Autor des Films ist, sondern auch als Carlo selbst mitspielt, gelingt es auch in der direkten Konfrontation mit sexuellem Erleben, den Akteuren gegenüber Würde und Respekt zu wahren. Diskret lässt die Kamera Enea und seine Sexualbegleiterin Ute allein.
 
Nur mit Originaltönen, ohne jeden Kommentar zeichnet Zorratti authentische und anrührende Bilder aus dem männlichen Gefühlsleben seiner drei Helden und schafft es, dass sein kleiner Film sich zu einem humorvollen Road Movie um Sex, Lust und Liebe entwickelt.
 
Gaby Sikorski