große Crash, Der – Margin Call

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So bestimmend für das Schicksal der Welt die Finanzmärkte auch sind, so schwer ist es für den Normalbürger, die Zusammenhänge der Wirtschaft und vor allem der Wirtschaftskrise der letzten Jahre zu verstehen. Genau davon erzählt der Regiedebütant J.C. Chandor in „Der große Crash“, einem kammerspielartigen Drama, dass dank einer ganzen Riege erstklassiger Schauspieler auch dann fesselt, wenn das Drehbuch allzu didaktisch wird.

Webseite: www.dergrossecrash-derfilm.de

USA 2011
Regie, Buch: J.C. Chandor
Darsteller: Kevin Spacey, Paul Bettany, Jeremy Irons, Zachary Quinto, Demi Moore, Stanley Tucci
Länge: 109 Minuten
Verleih: Koch Medien, Vertrieb: Neue Visionen
Kinostart: 29. September 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es beginnt recht harmlos, erst Recht im Vergleich zu dem, was in den folgenden Stunden passieren wird: Banker werden entlassen, darunter Eric Dale (Stanley Tucci), Leiter der Abteilung für Risikomanagement bei einer fiktiven Investment Bank. Bevor er seinen Arbeitsplatz verlassen muss, steckt Dale dem jungen Analysten Peter Sullivan (Zachary Quinto) einen USB-Stick zu. Die Daten, die Sullivan erhält, machen ihn sprachlos und bringen das Rad der Geschichte ins Rollen. Stufe um Stufe wird Sullivan in der Hierarchie der Bank hochgereicht, spricht erst mit seinem Abteilungsleiter Sam Rogers (Kevin Spacey), dann dessen Vorgesetzten und schließlich gar dem Aufsichtsratvorsitzenden der Bank selbst. Was Sullivan entdeckt hat, ist ein unvorhergesehenes Risiko in spekulativen Papieren, die die Bank binnen Tagen ruinieren kann. Was nun passiert, ist kein Versuch das Risiko zu minimieren oder gar vom Wirtschaftssystem als Ganzem abzulenken, sondern purer, eiskalter, aber auch konsequenter Kapitalismus: Die schlechten Papiere werden ganz banal verkauft. Mit einigem Verlust zwar, aber die Bank als Ganzes wird weiter bestehen, sie hat ihr Versagen einfach weiter geschoben, an andere Banken, vor allem aber an den ebenso leichtgläubigen wie geldgierigen Privatier, der sich mit dem Versprechen auf gigantische Gewinne riskante Papiere aufschwatzen lässt.

Es muss der Riege an exzellenten Schauspielern ein persönliches Anliegen gewesen sein, diesen Film zu drehen. Oft nur zwei Tage waren Jeremy Irons oder Stanley Tucci am Drehort des in nur 17 Tagen entstandenen Films, der für viel weniger Geld gedreht wurde, als selbst durchschnittliche Finanzmarktjongleure trotz Börsenkrise jährlich als Bonus einstreichen. Vielleicht liegt es an dieser kurzen Drehzeit, vielleicht auch an der Unerfahrenheit des Debütregisseurs J.C. Chandor, dass „Der große Crash“ immer wieder auf Klischees zurückgreift. Da wird gebannt auf Monitore gestarrt, Krawatten zurechtgerückt, wenn der Chef eintritt, versinnbildlicht das Nebeneinander von Putzfrau und Börsenmakler das ökonomische Ungleichgewicht, brauen sich Wolken in Zeitrafferaufnahmen zu dem Sturm zusammen, der kommen wird.

Andererseits sind diese Klischees des Lebens an der Wall Street auch ein Teil der Realität, und während etwa Oliver Stone in seinen „Wall Street“-Filmen immer Figuren von Außen in den Mittelpunkt stellt, die nach Innen blicken, bleibt J.C. Chandor komplett im Inneren der Finanzwelt. Er zeigt die hier Angestellten als fehlerhafte Menschen, die oft eher getrieben von den Zwängen des Kapitalismus sind, als selbst bewusst fragwürdig zu agieren. Das Chandors Vater selbst jahrzehntelang bei einer Investment Bank arbeitete ist so gleichermaßen für die präzise, authentische Sprache der Banker verantwortlich, wie auch für den verständnisvollen Ton. Nur manchen Figuren ist die Problematik ihres Tuns bewusst, doch die Möglichkeit, etwas Grundsätzliches an dem System zu ändern, dass der Welt zu nie gekanntem Wohlstand, aber auch zu einer Fragilität von enormem Ausmaß geführt hat, gesteht der Film ihnen nicht zu. Dieser konsequente Realismus ist fraglos eine Stärke von „Der große Crash“, macht den Film gleichzeitig aber auch kalt und ausweglos.

Michael Meyns

Wall Street vor ungefähr drei Jahren. Die Finanz-, Bank- und Börsenkrise nimmt ihren Anfang. Die ersten überstürzten Entlassungen in einer großen New Yorker Investment-Firma. Unter den Gefeuerten ist Eric Dale. Seine Entlassung wird genauestens überwacht. Nichts Geheimes darf aus dem Unternehmen verlauten. Doch in letzter Sekunde gelingt es Dale, einem seiner bisherigen Schützlinge einen Stick mit verdächtigen Daten zukommen zu lassen. „Sei vorsichtig“, sagt er noch zu ihm.

Der Stick enthält schlimme Zahlen. Schon Monate lang handelte das Unternehmen mit faulen, quasi wertlosen Zertifikaten. Millionen wurden bei dem weltweiten Hin- und Her-Geschiebe verdient. Jetzt droht alles aufzufliegen.

Mitten in der Nacht also Vorstandssitzung. Was tun? Der oberste Boss trifft per Hubschrauber ein. Er fackelt nicht lange. Gewissenlos genug ist er ja. Der Beschluss: Schon am kommenden Tag werden in einem Überraschungs- und Kraftakt alle faulen Papiere auf den Markt geworfen. Alle Trader der Firma müssen mitmachen. Denn wenn es schnell geht, ist noch viel Geld zu erzielen. Später, wenn alles offenbar geworden ist, sind die Zertifikate nichts mehr wert. Deshalb die Überraschung. Wenn andere viel Geld verlieren – egal. Hauptsache der eigene Investmentbetrieb gewinnt.

Ein paar wehren sich dagegen. Aber der skrupellose Boss sorgt dafür, dass die Sache läuft. Denn wer nicht mitspielt, dessen Abfindung, dessen Rente, dessen Krankenversicherung, alles ist in Gefahr oder nichtig. Und schließlich hängen ja auch die Familien dran. Also wird wohl oder übel zugestimmt.

Alles läuft nach Plan.

So läuft es, und so lief es in Tausenden von Fällen. Manchmal ging es auch schief. Das Ergebnis ist bekannt.

Natürlich tischt der Film eine fiktive Geschichte auf. Aber sie ist im sehr spannenden filmischen Ablauf so überzeugend formuliert, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft: unerbittlich, rücksichtslos, gemeingefährlich, amoralisch. Drehbuch und Regie sorgen für beste Qualität.

Und wie sie spielen! Jeremy Irons, der eiskalte Boss; Kevin Spacey und Stanley Tucci, zwei die sich vergeblich wehren; Demi Moore, die als Bauernopfer ausgesucht wird; Paul Bettany, Simon Baker, Zachary Quinto oder Penn Badgley, abhängige untere Chargen, die einfach mitspielen müssen.

Ein Lehrstück über eine schmutzige Finanzsache. Jedem sollte dabei etwas klar werden.

Thomas Engel