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Die jungen Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Köhler sind in ihrem neuen Dokumentarfilm ihrem Ideal eines „real existierenden Realismus“ treu geblieben. War’s in „Schotter wie Heu“ noch ein Dorf mit computerloser Bankfiliale in der schwäbischen Provinz, zog es sie nun im Schlepptau eines Missionars in die ostdeutsche Diaspora. Aus dem Blickwinkel eines Fremden in einer ihm neuen Umgebung zeichnen sie zugleich ein Bild, woran man im Osten heute noch glaubt.

Webseite: www.gmfilms.de

Deutschland 2007
Regie: Sigrun Köhler und Wiltrud Baier
Dokumentarfilm mit Jakob Walter
85 Minuten
Verleih: GMfilms
Kinostart: 6.12.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ein wenig wundern muss man sich schon, wenn auf Weihnachtsgeschenke gierende Kinder und Jugendliche besser über Harry Potter als die Geschichte vom Jesukind bescheid wissen. Einen wie Jakob Walter irritiert das längst nicht mehr. Für die Liebenzeller Mission war der Schwabe 22 Jahre in Papua-Neuguinea aktiv, widmet sich nun in einer Art Mission Impossible der Aufgabe, desillusionierten Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern die Bibelbotschaft näher zu bringen. Die Stuttgarter Filmemacherinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler haben ihn dabei begleitet.
 

„Unser Gott heißt Bier“, geben jugendliche Punks vor dem Haus der Kultur und Bildung zu Protokoll. Arbeitslosigkeit, kein Vertrauen in die Politik, keine Perspektive für die Zukunft und das Gefühl, als Mensch in dieser Gesellschaft ungerecht behandelt zu werden – wohin sich die Kamera auch wendet, macht sich Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit breit. Wenn dann einer wie der schwäbische Menschenfischer mit Bibelzitaten und Jesusgeschichten kommt, scheint es, als erwartete man regelmäßige Wunder von ihm. Immerhin ist Jakob Walter aber kein so penetranter Prediger wie neulich der amerikanische Bestsellerautor Neale Donald Walsch in „Gespräche mit Gott“. Seine Methode lautet: „Warten, was passiert“.

Ob beim Ummelden seines Fahrzeugs auf dem Landratsamt Neustrelitz, ob bei der Gymnastikstunde in Neubrandenburg oder im Gespräch mit einem sich als Satanisten sehenden Jugendlichen am Rande einer Jesus-House-Party: der Pietist Jakob Walter versucht über den Begriff Kirche in Gespräche über den persönlichen Glauben zu kommen. Überwiegend trifft er jedoch auf Skeptiker. Einen Weihnachtsbaumkäufer etwa, der dies damit begründet, dass Glaube früher doch vom Klassenkampf abgehalten habe. Die Ex-Leichtathletin und Dopingsünderin Katrin Krabbe, heute Betreiberin eines Sportgeschäftes, wiederum stellt in einem Kurzinterview fest, während ihrer Glanzzeiten weniger durch einen Glauben zu Erfolgsleistungen beflügelt worden zu sein denn einzig durch mentale Stärke.

Köhler/Baier verfolgen wie schon in „Schotter wie Heu“ ihr Ideal vom „real existierenden Realismus“. Ihr Ost-West-Thema fanden sie auch wegen des Umstands interessant, dass ausgerechnet ein schwäbischer Missionar den Osten bekehren soll. Quasi nach dem Motto: erst hat der Westen die Bananen geschickt, jetzt schickt er den Glauben. Letztendlich sind solche plakativen Gegensätze aber nicht tragfähig genug und das Thema „Glauben und Zukunft“ selbst zu ernst, um an den weitaus unterhaltsameren und zudem humorvolleren Film wie einst „Schotter wie Heu“ anknüpfen zu können. Die Parallele, dass einer, der den Menschen den Weg zum Glauben zeigen soll in seinem neuen Wirkungskreis ein Navigationsgerät zur (örtlichen) Orientierung braucht, erschöpft sich viel zu schnell. Sie zeigt allerdings auch, dass man heute eher blind seinem Navi glaubt als seinem gesunden Menschenverstand. Schwere Zeiten für einen, der anderen einen Weg aus der Glaubenssackgasse zeigen will.

Thomas Volkmann