Gucha

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Romeo & Julia trifft Balkan-Folklore in farbenfroher Bollywood-Verpackung. Filmemacher Dušan Miliæ verlegte Shakespeares Klassiker in die Provinz seiner serbischen Heimat. Genau wie in der weltberühmten Vorlage geht es auch bei ihm um die eine große Liebe, die nicht sein darf. Doch während sich bei Shakespeare die Capulets und Montagues einen Kampf bis aufs Blut liefern, wird dieser in Gucha in Form eines weniger tödlichen Musik-Wettbewerbs ausgetragen. Auf dem größten Blasmusik-Festival des Balkans kommt es schließlich zum Showdown zwischen den beiden rivalisierenden Familienclans.

Webseite: www.gucha.kinowelt.de

Guca!
Serbien/Bulgarien/Österreich/Deutschland 2006
Regie & Drehbuch: Dušan Miliæ
Produktion:Karl Baumgartner, Thanassis Karathanos, Goran Radakoviæ, Josef Aichholzer, Stefan Kitanov, Emir Kusturica
Kamera: Petar Popoviæ
Musik: Aleksandar Deniæ
Mit Marko Markoviæ, Aleksandra Manasijeviæ, Mladen Neleviæ, Nenad Okanoviæ, Svetislav Pešiæ
Laufzeit: 94 Minuten
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 23.8.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Bereits die Namen der beiden Liebenden verweisen auf das wohl berühmteste Liebespaar der Weltliteratur. Juliana (Aleksandra Manasijeviæ) hat sich in Romeo (Marko Markoviæ) verliebt und er sich in sie. Doch das junge Glück droht an den äußeren Umständen zu zerbrechen. Denn während sie die Tochter des berühmtesten und beliebtesten Trompeters Serbiens ist, spielt er in einem konkurrierenden Roma-Orchester. Ausgerechnet ein Zigeuner, denkt sich Satchmo (Mladen Neleviæ), Julianas Vater. Dem Familienpatriarchen sind fortan alle Mittel recht, um Juliana und Romeo wieder auseinander zu bringen.
 

Eher widerwillig lässt er sich die Zusage entlocken, dass er die Beziehung der beiden akzeptieren will, wenn Romeo ihn beim Blasmusik-Festival von Gucha besiegt. Als wäre diese Herausforderung nicht schon groß genug, erfährt Romeo erst zu spät von Satchmos Angebot. Denn nicht nur mit der Familie seiner Freundin gibt es Probleme. Auch in der eigenen Sippe hängt zuweilen der Haussegen schief. So kämpft er mit seinem Bruder Rocky (Svetislav Pešiæ) darum, auf dem Festival die erste Trompete spielen zu dürfen. Davon hängt nicht nur seine Zukunft mit Juliana sondern zugleich sein weiterer Werdegang als Musiker ab.

Dušan Miliæ Blick auf den Wettstreit zwischen den rivalisierenden Familien beleuchtet über das Vehikel der verbotenen Liebe eine Vielzahl gängiger Vorurteile. Das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Ethnien, in diesem Fall zwischen Serben und Romas, wird nach wie vor von Misstrauen und zuweilen auch offen ausgetragener Feindschaft bestimmt. Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien regiert heute in nicht wenigen Köpfen ein neuer, von Intoleranz befeuerter Nationalismus. Die Gegensätze und kulturellen Unterschiede zwischen Satchmos und Romeos Familie drückt der Film vorrangig über die Musik aus. Die eher langsameren, bluesigen Stücke der Romas heben sich deutlich von Satchmos temporeichen Fanfaren-Nummern an, die tief in der Tradition der serbischen Folklore verwurzelt sind. Intuitiv wird dadurch klar, was Satchmo und Romeo trennt, und – viel wichtiger – was sie trotz allem auch verbindet.

Als integraler Bestandteil der Geschichte erfüllt das ausgiebige Musizieren noch eine weitere wichtige Funktion. Für Romeo entspricht das Komponieren seiner eigenen Stücke einem Initiationsritus, der ihn von seiner Jugend Abschied nehmen lässt und ihn die Welt der Erwachsenen einführt. Sein Coming-of-Age mag zwar im Trubel des Bläser-Wettstreits und der eigenen Beziehungsturbulenzen nicht immer ohne störende Nebengeräusche herauszuhören sein, dennoch muss man Miliæ für diesen frischen und unverbrauchten Ansatz einfach dankbar sein. Immerhin schafft er es auf diese Weise, den bereits unzählige Male verfilmten Prozess des Erwachsenwerdens einmal vollkommen anders zu erzählen.

Und das ist keineswegs die einzige Überraschung. Bei der Inszenierung ließ Miliæ sich augenscheinlich von dem quietschbunten, kitschigen Kino Bollywoods inspirieren. Kräftige, kontrastreiche Farben illustrieren den unterschiedlichen kulturellen Background von Juliana und Romeo. Zusammen mit der von ihm präferierten Handkamera entwickelt die Bildkomposition ihre ganz eigene Dynamik, die gelegentlich nur von der etwas mutlosen sprich zu braven Skizzierung der einzelnen Milieus ausgebremst wird. An diesem Punkt fehlt es Miliæ Film einfach an Biss und Zuspitzung, was erklärt, warum Gucha trotz seiner vielen originellen Ideen letztlich nicht restlos zu überzeugen vermag.

Marcus Wessel

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Der exzentrische serbische Regisseur Emir Kusturica, dessen Filme immer abwechselnd wie eine Blütenpracht und ein Tornado wirken und der hier coproduzierte, stand Pate. Das ist nicht nachteilig gemeint.

In der Balkan-Stadt Gucha findet jährlich einige Tage lang ein Volksmusikfest statt. Im Vordergrund steht dabei ein typisch südosteuropäischer Musikstil, wie er andernorts nirgends auf diese Weise gepflegt wird, und ebenfalls vorrangig ist dabei das Trompetenspiel. Wer findet die originellsten Passagen, wer spielt am schnellsten, wer beherrscht das Instrument am perfektesten, wer reißt das zahlreiche Publikum am meisten mit?

In diesem Milieu spielt die Romeo-und-Julia-Geschichte des Films. Wie bei Shakespeare stehen sich zwei Clans gegenüber, die Zigeunerfamilie des Sandokan, die eine Band bildet, und das Orchester des „weißen“ Serben Vladisho Trandafilovic, wegen seiner Verehrung für Louis Armstrong auch „Satchmo“ genannt. Die beiden Gruppen sind nicht nur Konkurrenten – unter anderem beim Gucha-Festival -, sondern echt verfeindet.

Der junge Roma Romeo, Sandokans Stiefsohn, liebt verbotenerweise Juliana, die Tochter von Satchmo. Der sperrt das Mädchen ein, schickt, als die beiden Liebenden fliehen, seine Leute zu einer Schlägerei mit Sandokans Band, reizt die Konkurrenz bis aufs Blut, lässt sich immerhin in einer schwachen Stunde dazu überreden, Juliana Romeo zu geben, wenn dieser, der „innovativ“ zu musizieren versucht, ihn in Gucha im Trompetenspiel schlägt. Bis es so weit kommen kann, muss Romeo zuerst seinen Halbbruder Rocky außer Gefecht setzen, der die Trompete noch besser bläst als der Verliebte.

Ein Vorzeigefilm für den südosteuropäischen Volksmusikstil und die Roma-Musik, ethnisch klar abgegrenzt, bunt, laut, neue Formen suchend auch, teilweise mitreißend und jedenfalls technisch erstaunenswert bewältigt. Die Vermengung des turbulenten Festivalmilieus und des Spiels der Blasorchester mit dem allerdings in simpelster Art abgehandelten Stoff des historischen Liebesspiels ist einigermaßen gelungen. 

Als eigenwilliger Filmstil und Darbietung der in gewisser Weise exotischen Musikrichtung nicht uninteressant.

Thomas Engel