Herzogin, Die

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Heute würde sie von der Presse wahrscheinlich als „It-Girl“ hofiert. Georgiana, Herzogin von Devonshire, verdrehte der englischen Aristokratie Ende des 18. Jahrhunderts gehörig den Kopf. Ihre wohl überlegte Charmeoffensive blieb nicht ohne Folgen, wie Saul Dibbs opulent ausgestattetes Period Piece „Die Herzogin“ beweist. In der Rolle der adeligen Rebellin stellt Keira Knightley die bisweilen recht vertraute Geschichte in den Schatten.

Webseite: www.dieherzogin.kinowelt.de

OT: The Duchess
UK 2008
Regie: Saul Dibb
Mit Keira Knightley, Ralph Fiennes, Hayley Atwell, Dominic Cooper, Charlotte Rampling, Simon McBurney
Laufzeit 110 Minuten
Kinostart: 26.3.2009
Verleih: Kinowelt

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wir schreiben das Jahr 1774. Während in Frankreich bereits erste Vorboten der Revolution am Horizont aufziehen, vergnügt sich der britische Adel davon unbeeindruckt weiterhin bei rauschenden Festen und prunkvollen Bällen. Die Probleme der royalen Kaste nehmen sich verglichen mit denen des einfachen Volkes reichlich banal aus. Da zerbrechen sich die Damen über die Wahl der Abendgarderobe ihren Kopf, wohingegen die Herren nur darauf aus sind, einen männlichen Nachkommen zu zeugen. Auch für William Cavendish (Ralph Fiennes), dem fünften Herzog von Devonshire, hat der Wunsch nach einem Stammhalter oberste Priorität. In einer arrangierten Hochzeit ehelicht er die deutlich jüngere Georgiana (Keira Knightley), eine geborene Spencer, die dadurch zur Herzogin von Devonshire aufsteigt. Zu Georgianas Aufgaben gehört es, ihren Gatten bei offiziellen Anlässen zu begleiten.

Sie gibt sich selbstbewusst und emanzipiert, was ihr Mann ebenso wie die Liaison mit dem Jung-Politiker Charles Grey (Dominic Cooper) zunehmend argwöhnisch beobachtet. Dass sie ihm statt des erhofften Thronfolgers „lediglich“ zwei Töchter schenkt, treibt ihn schließlich in die Arme von Lady Elisabeth „Bess“ Foster (Hayley Atwell). Es dauert nicht lange und der ersehnte Nachwuchs stellt sich ein. Jedoch kann und will Georgiana eine solche Dreiecksbeziehung nicht tolerieren. Sie sucht fortan Liebe und Bestätigung bei Grey, mit dem sie einige wahrhaft glückliche Stunden verlebt.

Man muss kein Kenner royaler Gepflogenheiten sein, um in der höfischen Amour fou gewisse Parallelen zu den heutigen Geschichten der Yellow Press zu entdecken. Der Herzog von Devonshire hatte seine Bess, Prince Charles wiederum seine Camilla und auch Lady Di, die wie Georgiana der einflussreichen Spencer-Dynastie entstammte, war erwiesenermaßen kein Kind von Traurigkeit. Saul Dibbs Kostüm-Drama spielt gekonnt mit dieser moralischen Ambivalenz. Dabei lebt der Film zu einem Großteil von der schillernden Persönlichkeit seiner Titelheldin, die gegen den herrschenden, stark patriarchalisch geprägten Moralkodex rebellierte. Dass ihr Aufbegehren letztlich erfolglos blieb und sie sich dem Willen ihres Mannes unterzuordnen hatte, darin liegt die Tragik dieser mit viel Prunk und Glanz erzählten Geschichte.

Der Vergleich mit Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ – einer anderen Produktion über ein reiches und doch so armes Mädchen des 18. Jahrhunderts – drängt sich förmlich auf. Abseits ihrer exponierten Frauenfiguren trennt beide Filme auf formaler Ebene jedoch mehr, als sie verbindet. Wo Coppola das oftmals angestaubte Genre des Kostümfilms mit punkingen Farbakzenten und Pop-Songs von Air und New Order einem erfrischenden Facelift unterzog, gibt sich „Die Herzogin“ typisch britisch, sprich konservativ und traditionell. 

Aber auch wenn an verschwenderischen Kostümen und opulenten Sets wahrlich nicht gespart wurde, sind es keineswegs allein die Schauwerte, die Dibbs Zeitgemälde tragen. Ohne eine ungemein selbstsicher aufspielende Keira Knightley, die ein besonderes Faible für historische Stoffe mitzubringen scheint, liefe der Film vermutlich Gefahr, alsbald in Vergessenheit zu geraten. Immerhin ist seine Geschichte um Eifersucht und gekränkte Eitelkeit zu einem gewissen Grade austauschbar. Ganz und gar nicht austauschbar sind dagegen die Blicke, die sich Knightley und ihr Filmpartner Ralph Fiennes am sechs Meter langen Esstisch zuwerfen. Sie erzählen, was kein Dialog auszudrücken vermag.

Marcus Wessel

England, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die junge Georgiana Spencer wird von ihrer Mutter Lady Spencer an den Herzog von Devonshire verkuppelt. Zunächst ist Georgiana begeistert, obwohl sie auch schon ein Auge auf den smarten Politiker Charles Grey geworfen hatte.

Das Glück der jungen Frau dauert nicht lange. Der Herzog ist reserviert, selbstherrlich, machtbesessen. Er kümmert sich erheblich mehr um die Zofen und die Hunde im prächtigen herrschaftlichen Schloss als um seine Frau. Von der will er allerdings unbedingt einen Sohn, einen Erben, einen, der das Herzogtum aufrecht erhält. Denn ohne Erben könnte der Herzog schnell zum Gespött des Volkes werden.

Die Herzogin bringt ein Kind zur Welt. Aber es ist ein Mädchen. Der Herzog verbirgt seine Enttäuschung, ja Verachtung keineswegs. Er verlangt von seiner Frau, dass sie auch seine uneheliche Tochter großzieht.

Georgiana lernt über ihren Mann Bess Foster kennen. Anfänglich sind sich die beiden Frauen sympathisch. Doch bald wird die Herzogin gewahr, dass etwas faul ist. Bess ist geschieden und darf ihre Kinder nicht mehr sehen. Der Herzog soll es richten. Bess schläft mit ihm. Ménage à trois. 

Georgiana ist schön, ein modisches Vorbild, bei der Partei der Whigs politisch einflussreich, Mittelpunkt bei Festlichkeiten, in aller Munde. Nur als Herzogin ist sie out. Bess ist die Neue. Einen Erben bringt Georgiana doch noch zur Welt.

Nun wendet sie sich Charles Grey zu und verbringt am Meer in Bath eine glückliche Zeit mit ihm. Bis der Herzog mit Lady Spencer auftaucht. Georgiana muss von Grey lassen. Andernfalls werden ihr die Kinder entzogen und wird Greys politische Karriere ruiniert. 

Sie muss nachgeben, denn ohne ihre Kinder will sie nicht leben. Zerbrechen wird sie daran nicht. Selbst das Verhältnis zum Herzog könnte wieder besser werden.

Es handelt sich bei Georgiana um eine historische Figur (Urururgroßtante von Lady Di). Das Eingepfercht-Sein in die Zwänge des damaligen britischen Adels, das Leiden unter dem unerbittlichen Wesen ihres Mannes, das Scheitern der Ehe, das Vordringen der Nebenbuhlerin, die unglückliche Verbindung zu ihrem Geliebten, das Bangen um die eigenen Kinder, die persönlichen Tiefs - aber auch das Sich-Aufrappeln, die politischen Erfolge, das im gesellschaftlichen Mittelpunkt Stehen, all das wird biographisch glaubwürdig und formal geglückt präsentiert. Und das im prächtigsten Rahmen, den man sich vorstellen kann. Welche Schlösser, welche Festlichkeiten, welche Kostüme!

Die aparte Keira Knightley spielt mit der ganzen Breite der Nuancen diese Herzogin so gut wie perfekt. Ralph Fiennes hat sich den eher düsteren Stil des Herzogs überzeugend zu eigen gemacht. Ebenfalls gut Charlotte Rampling als Lady Spencer, Hayley Atwell als Bess Foster und Dominic Cooper als Charles Grey.

Thomas Engel