Hin und weg

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"Dreiviertelmond"-Regisseur Christian Zübert erzählt die Geschichte eines Mann, der seinen Freunden während einer Radtour enthüllt, dass er an einer unheilbaren Krankheit leidet. Aber der mit Leichtigkeit daherkommende Film setzt nicht auf Rührung und problematisiert auch nicht zentral die Sterbehilfe, sondern feiert den Wert der Freundschaft. Bei seiner Weltpremiere auf dem Filmfestival in Locarno war der Film einer der Höhepunkte und rührte Tausende auf der vollbesetzten Piazza Grande. In den Hauptrollen begeistern u.a. Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel und Hannelore Elsner. So gut kann deutsches Kino sein!

Webseite: www.hinundweg-film.de

Deutschland 2014
Regie: Christian Zübert
Buch: Ariane Schröder
Darsteller: Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Miriam Stein, Volker Bruch, Victoria Mayer, Johannes Allmayer, Hannelore Elsner
Länge: 95 Min.
Verleih: Majestic, Vertrieb: Fox
Kinostart: 23. Oktober 2014

Pressestimmen:

"Ein bemerkenswerter Film, sehr wichtig, sehr gut gemacht... Ein Film vor allem über das Leben - die Uhr läuft ab, und das erinnert alle auf dieser Reise mit Nachdruck daran, wieviel Grund es gibt, das Dasein zu feiern."
ZDF Heute Journal

"Regisseur Christian Zübert hält in seinem hochemotionalen, klasse gespielten Roadmovie die Balance zwischen Übermut und Wehmut. Bemerkenswert."
Stern

FILMKRITIK:

Jedes Jahr machen sechs Freunde zusammen eine Fahrradtour. Dieses Jahr will Hannes (Florian David Fitz) nach Belgien. Ein Kommentar der Freunde: „Ich versteh gar nicht, wie man nach Belgien in Urlaub fahren kann“. Doch der wahre Grund ist kein touristischer und nicht lustig: Der 36-jährige Hannes leidet an Amyotrophe Lateralsklerose (Abkürzung: ALS), einer erblichen, für ihn unheilbaren Krankheit. Beim Vater erlebte er dessen quälendes letztes Jahr und will seinen Tod nun selbst bestimmen - in Ostende per bereits arrangierter Sterbehilfe. Denn seit kurzem geht es rapide bergab: auf dem Hometrainer schafft er nur noch 13 Kilometer statt früher 25.
 
Allein Hannes’ Frau Kiki (Julia Koschitz) ist eingeweiht, und erst als der Zwischenstopp bei der Mutter (Hannelore Elsner) die Tränen hochkommen lässt, kommt das eigentliche Ziel heraus. Vor allem Finn (Volker Bruch), der jüngere Bruder von Hannes, der das Krankheits-Gen erbte, ist entsetzt. Doch nach ersten Protesten entscheiden sich alle, den Weg nach Ostende gemeinsam zu gehen.
 
Zu diesen Touren gehört auch, dass jeder von einem der Freunde eine geheime Aufgabe erhält, die während der Reise erfüllt werden muss. Wenn der veritable Casanova Michael (Jürgen Vogel) sich mit Perücke und Glitzer-Fummel als Frau verkleiden muss, erweitert das sein geringes Mitgefühl mit dem anderen Geschlecht. Nur schade, dass ausgerechnet die Quasselstrippe Sabine (Miriam Stein), die spontan mitfährt und an der er hängt, ihn so stehen lässt, wie er es selbst immer machte. Ein sexuell frustriertes Pärchen aus starker Frau Mareike (Victoria Mayer) und Hampelmann Dominik (Johannes Allmayer), der nur „Mausi“ und Ja sagen kann, bekommt durch einen Gruppensex-Auftrag die festgefahrene Ehe durcheinander gewirbelt. Vor allem der Abschied von Kiki (Julia Koschitz) ist sehr emotional. „Du machst einen Termin in Belgien, pumpst dein Fahrrad auf und fertig.“
 
„Hin und Weg“ ist eine Tragikomödie, die Rührseligkeit und auch Redseligkeit vermeidet. Oder wie es Hannes selber sagt: „Ich will nicht quatschen, deshalb fahre ich!“ Bei einem derart schwierigen Thema kann man schnell einen falschen Ton treffen. Doch Regisseur Christian Zübert vermied zu viel Pathos, genau wie schon die belgische Autorin Ariane Schröder in ihrem Drehbuch. Die Abschiedstour lässt die kleinen Probleme der anderen zurücktreten, wichtiger als die Diskussion der Sterbehilfe oder die um Hannes’ Entscheidung wird die außergewöhnliche Freundschaft. Beim gemeinsamen Regenfrühstuck im Zelt oder wilder Schlammschlacht in Heidelandschaft ist die Gemeinschaft lebendig im Bild. Auch wie schließlich alle eng zusammengerückt in einem Auto sitzen, gibt die Gefühle in gelungener Aufnahme wider. Die statischen nahen Einstelligen sind durchgehend intensiv. Und das letzte Zimmer mit Gegenlicht vom Strand atmet schon Jenseitiges.

So gelingt „Hin und Weg“ der Umgang mit einem sensiblen Thema vor allem auch als Ensemble-Film mit guten, eindringlichen Figuren. Stark zur Stimmung von Abschied und Freundschaft tragen die für den Film geschriebenen Songs von unter anderem den Beatsteaks, Passenger, Boy und Joyce Jonathan bei, die der Film als eigens für die Radtour komponiertes Mix-Tape vorstellt. Auch hier ein gelungenes Zusammenspiel für einen anrührenden, aber nicht von Leid überfrachteten Film zur letzten Lebens-Etappe.
 
Günter H. Jekubzik