History Boys, The

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Leichte Schläge auf den Hinterkopf fördern das Denkvermögen. So sieht’s wenigstens Lehrer Hector (Richard Griffiths), der in der Verfilmung des erfolgreichen britischen Musicals „The History Boys“ eine Klasse gewitzter Schüler auf die Aufnahmeprüfungen in Oxford und Cambridge vorbereiten soll. Ein neuer, weitaus jüngerer Lehrer unterstützt ihn mit zeitgemäßeren Methoden. Viele schlaue Zitate von Nietzsche bis Wittgenstein prasseln da auf den Zuschauer ein, in Schwung kommt diese dialoglastige Version eines britischen „Clubs der toten Dichter“ jedoch nur schwer – zu sehr merkt man dem Stück seinen Musicalhintergrund an.

Webseite: www.historyboys-derfilm.de

GB 2006
Regie: Nicholas Hytner
Darsteller: Richard Griffiths, Samuel Anderson, Dominic Cooper, James Corden, Stephen Campbell Moore, Andrew Knott, Jamie Parker, Samuel Barnett, Sacha Dhawan, Clive Merrison, Frances de la Tour, Russell Tovey
104 Minuten
Verleih: Fox
Kinostart: 17.5.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Für einen der acht Schüler einer Yorker Schule ist Geschichte nichts weiter als eine Abfolge von mehr oder weniger erinnerungswürdigen Ereignissen. Wozu also groß lernen, wenn am Ende auch private Beziehungen zur Aufnahme an die Universität reichen. „The History Boys“ freilich setzen in erster Linie auf Wissen und auf Schüler, die ihrer Schule mit ihren Begabungen ein entsprechendes Image als Kaderschmiede verleihen sollen. Just aus diesem Grund ist es dem Rektor der Schule wichtig, die A-Schüler seiner Fakultät nicht nur durch deren Lieblingslehrer Hector (Richard Griffiths), sondern auch durch einen jüngeren Lehrer auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Mit dessen zu mehr Eigeninitiative und Kreativität neigenden Methoden freundet sich die Klasse jedoch nur wiederwillig an.
 

Lernen, so hat man den Eindruck, macht bei einem Lehrer wie dem übergewichtigen Hector mächtig Spaß. Wie der Unterricht mit ihm zeigt, ist dafür wohl auch ein ausgewogenes Verhältnis von Theorie und Praxis ausschlaggebend, wobei die Schüler selbst immer wieder Regie beim Unterrichtsverlauf führen. Weil „The History Boys“ 2004 ursprünglich ein am Londoner National Theatre aufgeführtes Musical war, sind wie bei der Bühnenfassung von Regisseur Nicholas Hytner und seinem Autor Alan Bennett verfilmten Stück entsprechend viele Gesangsnummern und Gedichtvorträge übernommen – sie wirken in der Filmversion in ihrer Häufigkeit oft etwas künstlich.

Schade ist auch, dass sich die Spielorte vom zudem auch vom Original Cast gespielten „History Boys“ überwiegend auf das Klassenzimmer beschränken. Aufs äußere und familiäre Umfeld oder die gesellschaftliche Stimmung des 1983 angesiedelten Stücks wird kaum Bezug genommen, allenfalls im Soundtrack mit Songs von The Clash, The Cure oder The Smiths dringt die Ära jugendlicher Rebellion durch. Das heißt freilich nicht, dass es die in Schuluniformen steckenden Schüler nicht faustdick hinter den Ohren hätten. Unterschwellig jedenfalls klingt die Beschäftigung mit jugendlicher Sexualität durchaus durch, auch ist sich die Klasse darüber im Klaren, dass ihr Lieblingslehrer Hector homosexuellen Neigungen gehorcht. Auf unerwartete Weise werden sie ihm sogar zum Verhängnis.

Schön ist jedoch Hectors Aussage, die Schüler mit ihrem literarisch-poetischen Vokabular als „shareholder in der wunderbaren Welt der Wörter“ zu wissen, oder die Wissensvermittlung als eine Art sexuellen Akt zu betrachten. So sind es denn letztlich vor allem die voller spitziger Weisheiten steckenden Dialoge und die enorme Präsenz von Richard Griffiths (u.a. „Harry Potter“), die den zu sehr in seiner Bühnenvorlage eingezwängten Film zu einem Vergnügen machen und durchaus das Gefühl vermitteln, das Lernen Spaß machen und leichte, nett gemeinte Schläge auf den Hinterkopf nicht schaden können.

Thomas Volkmann

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Oxford und Cambridge sind britische Zauberwörter. Die Vorbereitung auf ein Studium dort in der Abschlussklasse einer Privatschule ist die Szene, auf der sich dieser auf einem Theaterstück beruhende Film abspielt. Acht junge Männer sollen vor allem in Geschichte zurechtgedrillt werden. Sie sind unterschiedlichsten Charakters und Temperaments und stammen aus den verschiedensten Milieus.

Was in dieser Hinsicht von den Schülern gilt, trifft auch auf die Lehrer zu: auf den Headmaster zum Beispiel, der ein strenges Regiment führt; oder auf Douglas, den sie Hector nennen, einen unkonventionellen, von jeder Lernzielschablone abweichenden, der Dichtung hingegebenen, in jeder Situation ein Gedicht zitierenden sympathischen, fast über seine Homosexualität stolpernden Mann; oder auf Irwin, den Neuen, einen sich modern gebenden, meist antithetisch argumentierenden, sich jedoch hinter einem persönlichen Geheimnis versteckenden Junglehrer.

Diskutiert wird über die Luther-Zeit, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, den Holocaust, über Wendepunkte der Geschichte, aber auch darüber, ob Jean-Paul Sartre ein guter Golfer war und darüber, dass „Geschichte eine Scheißsache nach der anderen“ sei.

Die Beziehungen zwischen den acht Schülern kommen ebenso zur Geltung wie jene zwischen den Schülern und den Dozenten. Das zugrunde liegende Theaterstück ist immer präsent. Denn 80 Prozent des Films bestehen aus Dialogen. Diese allerdings sind dank einer glänzenden Montage und ständiger Szenenwechsel sehr gut inszeniert. Manche von ihnen besitzen zweifelsohne literarischen Wert.

Die Dialektik in diesem 1983 in Yorkshire spielenden Mikrokosmos wird also groß geschrieben, und man hat zu tun, allem zu folgen. Tut man das, wird man (laut Film) „Teilhaber wunderbarer Worte“.

Agiert wird allenthalben sehr gut. Doch an erster Stelle zu nennen ist der den Betrachter und Zuhörer voll und ganz einnehmende Richard Griffiths als Hector. Schauspielerisch eine beachtenswerte Leistung.

Acht junge Männer bereiten sich in einer Privatschule auf ein Studium in Oxford und Cambridge vor – und werden erwachsen. Ein auf einem Theaterstück beruhender schwieriger, aber dialektisch teilweise fesselnder Mikrokosmos, begleitet von den schwankendsten menschlichen Beziehungen, Gefühlen und Schwächen. Darstellerisch bemerkenswert.

Thomas Engel