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Ein Haus brennt nicht nieder, aber die Verzweiflung lodert lichterloh an diesem einen Tag, an dem mehrere Teenager in einem namenlosen US-Vorort ihre Leben ruinieren oder kurz davor sind, es zu tun. Der deutsche Regisseur Holger Ernst rollt mit einem amerikanischen Ensemble ein ganzes Knäuel aus Desastern und Tragödien ab. In seinem Spielfilmdebüt sucht er die die krasse Realität von „Kids“ und „Ken Park“, lässt seine Figuren aber auch auf Erlösung hoffen wie jene in „L.A. Crash“, „Magnolia“ oder „21 Gramm“. Sein Katastrophenfilm um menschliche Verhängnisse entfaltet  eine kathartische Wirkung. „The House Is Burning“ wurde von Wim Wenders mitproduziert und gehörte zur offiziellen Auswahl der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes.

Webseite: www.thehouseisburning.com

D 2006
Regie+Buch: Holger Ernst
Darsteller: Joe Petrilla, Harley Adams, Nicole Vicious, Melissa Leo, Robin Taylor, Julianne Michelle, John Diehl
Produzent: Peter Schwarzkopf
Kamera: Mathias Schöningh
Musik: Markus Glunz
Format: 35mm, 1:1,85
Verleih: Reverse Angle Pictures, Vertrieb: Neue Visionen
Länge: 97 Min.
Start: 16. November 2006

PRESSESTIMMEN:

Gewalt in der Familie und auf der Straße, Alkoholsucht, Pillenkonsum und Arbeitslosigkeit, körperliche Komplexe, ungewollte Schwangerschaft und zerstörte Beziehungen. Das Schauspiel-Ensemble weiß die trostlose Atmosphäre überzeugend zu vermitteln und zeichnet das Bild einer Gesellschaft, in der, auch wenn die Oberflächen noch glänzen, kaum noch Hoffung auf ein gelingendes Leben bleibt.
film-dienst

Scharf beobachtend wie Larry Clarks Filme.....nur anrührender und mitunter erschütternd.
Der Tagessiegel

Ein starkes Debüt, das an die Arbeiten von Larry Clark („Kids“), Alejandro Gonzalez Inarritu („21 Gramm“) und Paul T. Anderson („Magnolia“) erinnert.
Hamburger Abendblatt

FILMKRITIK:

In den Vorgärten hängen schlapp große US-Fahnen von den Masten. Die Schatten des tausende Kilometer entfernten Irak-Krieg haben längst die amerikanischen Vorstädte erreicht. Von hier aus werden die meisten Soldaten rekrutiert. Mike (Joe Petrilla) , der am nächsten Tag der Armee in den fernen Osten folgen wird, verstrickt sich wie seine Freunde innerhalb von 24 Stunden in unheilvolle Situationen. Er begreift nicht, dass sich seine Freundin von ihm trennen will. Valerie (Nicole Vicious, „Last Days“) ließ sich am Morgen mit seinem Freund Phil (Robin Taylor) ein, einem prolligen Dealer, der rücksichtslos gegen jeden ist und am Ende um sein eigenes Leben rennen muss. Mike ist der einzige, der Fragen stellt. Antworten bekommt er nicht. Seine verhärmte Mutter (Melissa Leo, „21 Gramm“) flüchtet sich, seit ihr Mann im Irak-Krieg fiel, in Drogen. Mikes kleine Schwester ist inzwischen fast verstummt. Unverständnis überall.
 

Zu gleichen Zeit erniedrigt sich die tablettensüchtige Terry (Julianne Michelle), um einen Job in einer Versicherungsgesellschaft zu bekommen. Am Abend stürzt sie auf der Party von Valerie völlig ab. Der Satz „Ich versaue mein ganzes Leben“ gehört zu den Kernaussagen des Films. Stevie (Harley Adams), ein verdruckster, pickeliger Außenseiter, der von seinem bankrotten und arbeitslosen Vater (August Diehl, „Land of Plenty“) geschlagen, von seiner frömmelden Mutter nicht geschützt wird, besorgt sich bei Phil eine Waffe, um seinen Erzeuger umzubringen. Die Eltern sind, sofern sie überhaupt auftauchen, zerrüttet oder depressiv. In der abschließenden Regennacht kommt es zur Karamboulage der Verhängnisse und zur Läuterung für einige. Mehrere Menschen übergeben sich, entweder ins Auto, ins Klo oder in die Pfützen.

Wie in Larry Clarks „Kids“ (1995) folgt die Kameraden den Jugendlichen einen Tag und eine Nacht durch ihre familiären Desaster, beobachtet sie dokumentarisch aus nächster Nähe, ungeschminkt, verheult, nackt. Das Wort „fuck“ fällt in mindestens jedem zweiten Satz. Die Farbgebung der Bilder verströmt den vergilbten Charme von 70er Jahre-Filmen. Die Dialoge wirken in ihrer Verstocktheit und Wut authentisch. Es geht immer wieder um Macht und Selbstbehauptung. Um ein billiges Auftrumpfen, das fehlende Nestwärme, Werte, Interessen kompensieren soll. Eine Gesellschaft fällt in ihre archaischen Ursprünge zurück. Sozialkundeunterricht der betont krassen Sorte.

Wie Wim Wenders , der auch ausführender Produzent dieses Films ist, beobachtet Holger Ernst, Jahrgang 1972, der selbst einige Jahre in den Staaten lebte, die Zerrüttungen der amerikanischen Gesellschaft. Auch mit Anteilnahme, aber wesentlich ungeschönter und unromantischer. Sein Produzent Peter Schwartzkopf war auch schon für die Wenders Filme „Don‘t come knocking“ und „Land of Plenty“ verantwortlich. Wenders und Ernst liefern das Kontrastprogramm zu Roland Emmerichs und Wolfgang Petersens US-Hymnen.

Dorothee Tackmann