I love you, Phillip Morris

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Das Leben schreibt oft die besten Geschichten. Eine davon ist die irrwitzige Biografie von Steven Jay Russell. Der romantische Ausbrecherkönig verliebte sich im Gefängnis in seinen Mithäftling Philipp Morris. Weder sentimental noch kitschig oder pathetisch inszenieren die beiden Drehbuchautoren Glenn Ficarra und John Requa die zeitlose Liebesgeschichte dieses außergewöhnlichen Biopic. Komödie, Liebes-, Hochstapler- und „Gay-Film“ in einem unterhält ihre schillernde Tragikkomödie „I love Philipp Morris“ nicht zuletzt durch ihren manchmal schwarzen Humor.

Webseite: www.i-love-you-phillip-morris.de

USA 2009
Regie: Glenn Ficarra, John Requa
Darsteller: Jim Carrey, Ewan McGregor, Leslie Mann, Rodrigo Santoro, Nicholas Alexander, Beth Burvant, Jaime San Andres, Denise Robin, Michael Showers
Drehbuch: Glenn Ficarra, John Requa
Länge: 96 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 29.April 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Keiner redet darüber“, weiß Ex-Geschäftsmann Steven Russel (Jim Carey), „aber schwul sein ist richtig teuer“. Seit der einstige brave Familienvater sein Leben umkrempelte und vom prüden Texas ins glamouröse Miami zog ist der spätberufene Schwule knapp bei Kasse. Denn der extravaganter Lebensstil zwischen schneller Liebe, Luxusapartment, Versace Design, Pool-Partys in Key West, Cabrios und glitzernden Rolex-Uhren hat seinen Preis. Deshalb sattelt der brave Ex-Polizisten auf Versicherungsbetrug um. Fantasievoll beginnt er Unfälle vorzutäuschen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Und schon schafft er es sich dadurch das nötige Kleingeld zu sichern.

Doch damit landet er bald im Gefängnis. Dort freilich trifft der smarte Charmeur die Liebe seines Lebens: Philipp Morris (Ewan McGregor) seinen Mithäftling, einen schüchternen, blonden Beau. Für ihn geht der Hedonist durchs Feuer. Ab sofort versucht Steven seine Kunstfertigkeit in Sachen krimineller Energie effektiv zu nutzen, um aus dem Gefängnis auszubrechen und Phillip ebenfalls herauszuholen, damit die beiden draußen ein gemeinsames, neues Leben beginnen können. Dreist gibt er sich als Anwalt seines Freundes aus. Einmal in Freiheit tritt der sympathische Hochstapler als Finanzchef eines Unternehmens auf, transferiert Vermögen auf schwarze Konten und kommt mehrmals ins Gefängnis. Dank seines Einfallsreichtums schafft es der romantische Ausbrecherkönig immer wieder tollkühn auf spektakuläre Weise zu fliehen.

Mit ihrem Regiedebüt gelingt John Requa und Glenn Ficarra, die mit „Bad Santa“ eines der respektlosesten Drehbücher der vergangenen Jahre schrieben, ein beachtlicher Mainstream-Film. Humorvoll, authentisch und einfühlsam erzählen die beiden ihre nach wahren Motiven entstandene Geschichte. Ihre rasante Gay-Romance-Komödie ist mit ihren ernsten Zwischentönen Komödie und Drama gleichzeitig. Geschickt wird die Handlung vorangetrieben, bis sie in die Katastrophe mündet.

Währenddessen verfolgen John Requa und Glenn Ficarra ihren liebessüchtigen Hochstapler und sein Milieu mit unbestechlichem Blick und präziser Kamera. Herausragend an der fast makellosen Luc Bresson-Produktion ist allerdings die Leistung des wie entfesselt aufspielenden Starkomikers Jim Carey. Dem 48jährigen Kanadier gelang mit der Mediensatire „Die Truman Show“ der Sprung vom Komik-Ass zum Charakterdarsteller.

Den schnellen Zusammenschnitten der Rückblende dient Carreys Erzählstimme als roter Faden. Russells Kindheit und sein Eheleben, selbst seinem Coming Out widmet der Film nur kurze Sequenzen. Nicht die Homosexualität steht im Mittelpunkt. Vielmehr die zeitlose Geschichte einer Liebe und der unbändiger Drang nach Freiheit sowie Suche nach sich selbst. Kein Wunder, dass sich dafür auch der brasilianische Soapstar Rodrigo Santoro nicht zu schade war, sein Hollywoodkarriere mit der Rolle des ersten schwulen Boyfriends von Jim Carrey weiter auszubauen. Der echte Jim Carrey freilich soll noch 144 Jahre Haftstrafe absitzen und hat nur eine Stunde Freigang.

Luitgard Koch

Steven Russell führt ein ganz normales Leben: Frau, Kind, Haus, Beruf, am Sonntag Kirchenchor.

Bis er sich eingesteht, dass er homosexuell ist. Vielleicht hat sein schwerer Autounfall diesem Bewusstsein ein wenig nachgeholfen.

Jetzt ändert sich sein Leben: Bars, Luxus, schwule Freunde, keine Ordnung und keine Disziplin mehr, Geldverschwendung.

Dies alles muss natürlich finanziert werden. Das geht nur mit Betrügereien. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Erster Gefängnisaufenthalt. Steven lernt Phillip Morris kennen, ebenfalls homosexuell und bald seine große Liebe. Amour fou.

Allerdings spielt die Gefängnisleitung nicht lange mit. Steven wird verlegt. Jetzt muss er handeln, um auf die leidenschaftlichen Stunden mit Phillip nicht verzichten zu müssen.

Und er tut es. Denn wenn man es im Gefängnis geschickt anstellt und die richtigen Leute kennt, geht vieles. Also: Ausbruch; Verschwinden; Versteck; Auftritt als Rechtsanwalt, der einen Richter übers Ohr haut; Intermezzo als Finanzexperte mit hohem Gewinn durch falsche Konten; Liebesleben mit Phillip; wieder Ausbruch aus einer Haft; Simulant als Aids-Kranker und dadurch ungeahnte Vorteile; immer wieder Hochstapler; Auseinandersetzung und Versöhnung mit Morris. Usw.

Dann aus Unachtsamkeit und schlecht verwischten Spuren – oder Verrat? – endgültig in der Falle. Noch 144 Jahre Gefängnis.

Das Tollste an der ganzen Story: Die Ereignisse sind sämtlich passiert – also eine wahre Geschichte. Manches allerdings musste „dramaturgisch interpretiert“ werden.

Den beiden Regisseuren ist es gelungen, all dies intensiv und ziemlich glaubhaft zu schildern. Sie hatten bis dahin meist nur Kurzfilme gedreht. „I love You Phillip Morris“ ist regiemäßig ein gestandenes, ja teilweise packendes Werk geworden.

Und wie so oft haben die Schauspieler entscheidenden Anteil daran. Jim Carry verkörpert diesen Steven Russell, wie man ihn schlechthin besser nicht spielen kann. Eine künstlerische Leistung. Ihm so gut wie ebenbürtig Ewan McGregor als Phillip Morris.

Aufstieg und Absturz eines der Liebe verfallenen homosexuellen Hochstaplers.

Thomas Engel