Ich habe den englischen Koenig bedient

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Für die Romane seines Landsmanns Bohumil Hrabal hat der tschechische Regisseur Jiri Menzel offenkundig ein gutes Händchen. 1966 drehte er nach einer Vorlage Hrabals „Liebe nach Fahrplan“, der den Oscar als bester ausländischer Film gewann. Mit der Verfilmung des Romans „Ich habe den englischen König bedient“ gelang Menzel nun erneut ein Erfolg in Tschechien. Die Groteske über einen Opportunisten, der mit Bauernschläue und Glück zu Geld und Ansehen kommt, wird das Publikum hierzulande vermutlich in zwei Lager spalten.
Denn Menzel geht sehr nonchalant mit der nationalsozialistischen Besetzung Tschechiens um und seine Filmsprache mögen die einen als Retro-Chic goutieren, die anderen etwas altbacken finden.

Webseite: www.englischer-koenig-derfilm.de

Tschechien 2006
Buch und Regie: Jiri Menzel
Darsteller: Ivan Barnev, Oldrich Kaiser, Julia Jentsch, Martin Huba, Marián Labuda, Milan Lasica
Länge: 119 Minuten
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 21. August 2008

PRESSESTIMMEN:

Eine äußerst launige Tragikomödie (mit Betonung auf Komödie) von Oscar-Gewinner Menzel... Das Berlinale-Publikum war zu Recht entzückt.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Jan Dite, der Held der Geschichte, verkörpert den Typus des „kleinen Manns“. Das sieht man gleich in der ersten Einstellung. Da verlässt der alte Dite (Oldrich Kaiser) nach 15 Jahren Haft das Gefängnis, in das ihn die Kommunisten steckten, weil er Millionär war. Der Freigelassene stolpert vor die Tür, ihm folgt ein Wärter, der mindestens zwei Köpfe größer ist als er. Als  kleiner Mann muss man sich geschickt durchlavieren, um einen Zipfel des Glücks zu erhaschen. Der Film folgt den Stationen des Aufstiegs Dites (als junger Mann wird er von Ivan Barnev verkörpert) vom Kellner zum Hotelbesitzer, dem ein jäher Absturz unter den Kommunisten folgt. Wer nun an einen schwergängigen filmischen Marsch durch die jüngere Zeitgeschichte denkt, liegt falsch. Menzel hält sich an den satirischen Ton der Romanvorlage und inszeniert die Geschichte als leichten Walzer: mit durchweg überzeichneten Figuren, skurrilen Episoden und oft tänzerischen Tableaus, die Ereignisse und Wendungen ohne Worte erzählen. Drei Motive strukturieren das Geschehen: die Jagd nach Reichtum, nach schönen (in der Regel käuflichen) Frauen und der Genuss guten Essens und edler Tropfen. Daraus lassen sich schöne Bilder ziehen. Man sieht Kamele durch Prag traben, nackte Frauen werden mit Blumen drapiert und Geldscheine zu einem Teppich des Reichtums arrangiert.

Die optische Opulenz lässt sich wie ein kühles Glas Champagner genießen. Doch wenn das Perlen nachlässt, bleibt nur eine recht harmlose Komödie übrig. Hrabal ging mit seinen Landsleuten heftig ins Gericht und auch Menzel äußerte sich deutlich, zum Beispiel über die Zeit der nationalsozialistischen Besatzung. „Aber wahr ist auch, dass die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung zu Hause auf ihrem Arsch saß und die Schnauze hielt.“ Ein bisschen was von dieser Schärfe hätte seinem Film gut getan. Man vermisst die Verknüpfung von Leichtigkeit und Ernst, Komik und Trauer. Menzel bleibt auf der sicheren komödiantischen Seite, und von dieser Warte aus betrachtet sind alle Menschen irgendwie Schießbudenfiguren (inklusive Hitler) und alles Schlimme geht irgendwann vorbei (inklusive Hitler). Die arische Zuchtstätte „Lebensborn“ als lustiges Bordell für SS-Offiziere zu zeigen, ist ein bisschen unglücklich. Und Julia Jentsch als stramme Nazi-Maid und Geliebte Dites wirkt mit Lodenmantel und Hütchen nur wie ein seltsamer Tannenbaum. Das vieles nur skurril bleibt, liegt wohl auch an Menzels Vorliebe für die tschechische Slapstick-Tradition. Man kann hier an Milos Formans „Feuerwehrball“ denken oder an die auch in Deutschland bekannte „Pan-Tau“-Figur – Filme, die schon ein paar Jahrzehnte alt sind. Das reicht für ein Retro-Vergnügen, aber mehr auch nicht. 

Volker Mazassek   
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Man weiß, dass die Tschechen einen besonderen Humor pflegen, man braucht nur an das berühmteste Beispiel, den braven Soldaten Schwejk zu denken. Und wenn der bekannte Regisseur Jiri Menzel einen Stoff des ebenso bekannten Schriftstellers Bohumil Hrabal umsetzt, dann sind eben diese Voraussetzungen voll gegeben.

Hrabal/Menzel erzählen die Geschichte des Jan Dite und dies in zwei Phasen: Jans Aufstieg und Fall sowie Jans Jugend und Alter.

Er ist eher klein von Wuchs, aber mit großem Ehrgeiz. Er will Geld zusammenraffen, reich werden, Millionär sein. Die Hotels, in denen er in den 20er Jahren als Kellner arbeitet, werden immer luxuriöser. In der Damenwelt lässt er nichts anbrennen. Der Höhepunkt der damaligen Laufbahn: ein Besuch des abessinischen Kaisers, der ihm einen Orden umhängt.

Die 30er Jahre. Hitler will das vorwiegend von Deutschen besiedelte Sudetenland dem Reich eingemeinden – und hat es dann doch auf die gesamte Tschechoslowakei abgesehen. Jan lernt Lisa kennen, eine überzeugte Nationalsozialistin und glühende Hitler-Verehrerin. Er lässt sich einfangen, erbringt seinen Arier-Nachweis und heiratet Lisa. Die beiden arbeiten für die NS-Sache, auch als der Krieg heraufzieht. Jan ist Lebensborn-Spezialist, hat viel mit unbekleideten, jungen Soldaten zugeteilten, empfangsfreudigen Damen zu tun.

Dann kommt Lisa bei einem Bombenangriff ums Leben, Jan aber verfolgt weiter sein Ziel, Millionär und Spitzenhotelier zu werden. Er schafft es nach dem Krieg – drei Jahre lang. Dann übernehmen in Prag die Kommunisten die Macht. Der Spaß ist vorbei. Jan bekommt für die 15 Millionen, die er besitzt, 15 Jahre Gefängnis. Als ziemlich alt gewordener Mann ist er frei. Er wohnt jetzt in einer verlassenen Waldhütte. Sein verrücktes Leben zieht an ihm vorbei.

Das wird keineswegs nüchtern und linear heruntererzählt, sondern bedient ständig die Burleske, die Satire, das hintersinnige verquere Drama. Manches ist übertrieben-überladen, manches kindisch-peinlich, das Ganze mangelt aber nie der Originalität. Die zuweilen wie eine Choreographie wirkende Regie ist präzise, die reiche Ausstattung der Handlungsepoche angepasst, der Stil insgesamt eigenwillig und aus dem Rahmen fallend, die Fülle der Ideen und Szenen beachtlich. Eindringlich wird die Geschichte Tschechiens berührt – und auch die Moral daraus, beispielsweise dass die Anführer sehr wohl die Vertreibung verdient hätten, nicht jedoch die Bevölkerung, weder zuerst die tschechische noch später die deutsche.

Formal besondere und ausgefallene tschechische Groteske mit Lebensbild, Historie und Moral von der Geschicht’. Fipresci-Preis Berlinale 2007.

Thomas Engel