Zumindest für den Moment herrscht Frieden im Nahen Osten, doch wer die Geschichte kennt, mag Zweifel daran haben, wie lange er hält. Kein schlechter Moment, sich mit der lange zurückreichenden Geschichte des Nah-Ost-Konflikts zu beschäftigen, die Cherien Dabis in ihrem Melodram „Im Schatten des Orangenbaums“ aus dezidiert palästinensischer Perspektive erzählt.
Über den Film
Originaltitel
All That’s Left of You
Deutscher Titel
Im Schatten des Orangenbaums
Produktionsland
DEU,CYP
Filmdauer
145 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Dabis, Cherien
Verleih
X Verleih AG
Starttermin
20.11.2025
1988, im Westjordanland tobt die Erste Intifada, bei der sich vor allem mit Steinen bewaffnete junge Palästinenser gegen die israelische Besatzung wehren. Einer von ihnen ist Noor (Muhammad Abed Elrahman), der wie seine Freunde protestiert – und von einer israelischen Kugel schwer verletzt wird.
Nun beginnt seine Mutter Hanan (Cherien Dabis) die Geschichte ihrer Familie zu erzählen, die symbolisch für die Geschichte der Palästinenser steht. Im Jahre 1948 steht die Gründung des Staates Israel kurz bevor, israelische Untergrundkämpfer haben die britischen Besatzungstruppen an den Rand einer Niederlage gebracht.
Die Folgen der Staatsgründung bekommen besonders die Palästinenser zu spüren, die oft seit Jahrhundert in der Region leben und nun oft Bürger eines ihnen fremden Staates werden, ob sie wollen oder nicht. Einer davon ist Noors Großvater Sharif (Adam Bakri), der zusammen mit seiner Familie in der Hafenstadt Jaffa, dem späteren Haifa, lebt. Trotz der wachsenden Gefahr weigert sich Hanan, sein Haus und vor allem seinen Orangenhain zu verlassen. Doch notgedrungen müssen seine Frau und der Sohn Salim (Saleh Bakri) die Heimat verlassen, der Orangenhain wird wiederum von israelischen Truppen beschlagnahmt.
Drei Jahrzehnte später, Ende der siebziger Jahre hat sich die Situation der Palästinenser nicht verbessert. Sharif trauert seiner Heimat hinterher, der inzwischen erwachsene Salim hat mit Noor selbst einen Sohn, der mit der regelmäßigen Erniedrigung durch israelische Soldaten aufwächst, Erfahrungen, die ihn bald selbst an die vorderste Front des Widerstandes führen werden.
Subtil ist es nicht, was Cherien Dabis, amerikanische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin palästinensischer Herkunft in „Im Schatten des Orangenbaums“ erzählt. Schon die ersten Momente lassen keinen Zweifel daran, welche Perspektive eingenommen wird: „Besetztes Westjordanland“ heißt es gleich zu Beginn, kurze Zeit später spricht Dabis in ihrer Rolle direkt in die Kamera, quasi zum Zuschauer und sagt: Lassen Sie mich erklären.
Was folgt ist ein Abriss der Geschichte der Region, der keineswegs falsch ist, der den seit über einhundert Jahren dauernden Konflikt aber natürlich nicht in seiner ganzen Komplexität darstellen kann oder will. Gerade in Deutschland könnte der dezidiert palästinensische Blick auf die Ereignisse leicht zu schweren Vorwürfen verleiten, nimmt man die quasi offizielle deutsche Staatsräson der unverbrüchlichen Unterstützung Israels als Maßstab, mag die stark einseitige Schilderung von sadistischen israelischen Soldaten, die Freude an der Erniedrigung harmloser Palästinenser haben irritieren.
Andererseits würde es manchen Deutschen sicher guttun, sich auch einmal mit der anderen Seite des Konfliktes zu beschäftigen, die eigenen Positionen zu hinterfragen. Zu diesem Zweck bedient sich Dabis aller Möglichkeiten des Melodrams, von dramatischer Musik, über weinende Kinder, bis zu einer betont menschlichen Geste der Eltern Noors. Lose soll das auf wahren Begebenheiten basieren, doch „Im Schatten des Orangenbaums“ erinnert eher an Filme wie „Das Herz von Jenin“ oder „Lemon Tree“, variiert bekannte Versatzstücke des Genres Nah-Ost-Melodram. Das geschieht auch sehr effektiv, zwar sehr einseitig, aber das lässt sich einer palästinensischen Regisseurin angesichts der tragischen Geschichte der Region und seiner Bewohner kaum vorhalten.
Michael Meyns







