Im Sog der Nacht

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In seinem Kinofilmdebüt lässt der in der Schweiz lebende Bonner Regisseur Markus Welter ein junges Trio einen Banküberfall verüben, der anders verläuft als geplant. Während der Flucht gilt sein Interesse vor allem der Veränderung des emotionalen Gleichgewichts der zwischen Euphorie und Resignation schwankenden Figuren. Die in der gleichnamigen Krimivorlage von Fredrik Skagen stark herausgestellte Spur von Gewalt reduziert Welter aus diesem Grund auch – durchaus zum Vorteil seines Psychothrillers.

Webseite: falcom.ch

Schweiz/Deutschland 2009
Regie: Markus Welter
Darsteller: Nils Althaus, Lena Dörrie, Stipe Erceg
86 Minuten
Verleih: Falcom Media GmbH
Kinostart: 14.5.2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Was hätte das wohl für einen Film gegeben, der sich strikt an die Abfolge der Gewalttaten gehalten hätte, die der norwegische Krimiautor Fredrik Skagen in „Im Sog der Nacht“ (1995) von einem dreiköpfigen Banküberfallkommando auf dessen überstürzter und von zahlreichen unüberlegten Entscheidungen geprägten Flucht verüben lässt? Bei Markus Welter hingegen fließt das Blut in kleinen Dosen und auch nur zum Zweck der Illustration von Schlüsselmomenten. Der erste Schuss geht gar daneben, ist aber insofern von Bedeutung, als er den Ablebewilligen Roger (Nils Althaus) nur am Ohr verletzt und ihn zum dritten Verbündeten eines auf eine andere Art desillusionierten Pärchens Lisa und Chris (Lena Dörrie/Stipe Erceg) werden lässt.

Gemeinsam überfallen sie eine Schweizer Provinzbank, verkriechen sich daraufhin in einem Ferienhäuschen auf dem Land. Als sie erfahren, dass ihr Coup unbeabsichtigt ein Todesopfer gefordert hat, fällt der zweite Schuss – diesmal ein tödlicher. Die Flucht geht weiter über die Grenze nach Deutschland, die ob der erbeuteten Frankenmillion euphorische Stimmung innerhalb des Trios schlägt um in Zweifel, neue Ängste und teilweise auch Ablehnung. Doch mitgegangen, mitgehangen – für einen Ausstieg ist es längst zu spät.

Markus Welter bedient sich in seinem emotionalen Thriller des Märchenmotivs von der vom Drachen bedrohten Prinzessin, die durch einen jungen tapferen Prinzen errettet werden will. Der Drachen, klar, das ist Stipe Erceg. Die Tage des draufgängerischen und wild entschlossenen Anführers, das wird einem mit der Zeit klar, sind jedoch längst gezählt. Zu verlieren hat er nichts mehr, sein Lebenshunger aber ist aus dieser Warte umso erklärbarer. Roger hingegen lag bereits zerstört am Boden, steht nun auf als Beschützer der durch die Ereignisse in ihren Gefühlen ins Schwanken geratenen Lisa.

Aufgrund der Missgeschicke, die dem Trio auf seiner Flucht der Reihe nach geschehen, erwartet man – rein logisch betrachtet und im Sinne eines funktionierenden Polizeiwesens – ständig, dass der Arm des Gesetzes der Geschichte ein frühzeitiges Ende bereitet. Der Spannung tut’s gut, die inhaltliche Glaubwürdigkeit indes leidet. Formal unterstützt der atmosphärisch-flirrende Einsatz der Musik die nervenaufreibenden Ereignisse, immer wieder lässt ein anhaltender Pfeifton in Rogers verletztem Ohr symbolisch die Alarmglocken schrillen – ein Zeichen auch dafür, dass hier Dinge einfach aus dem Ruder laufen. Den Bildern (Kamera: Pascal Rémond) merkt man, vor allem zu Beginn im nächtlichen Zürich, Welters Herkunft vom Werbefilm an.

Nachvollziehbar ist auch, welchen Alptraum die Protagonisten durchleiden, wie sich die Machtverhältnisse innerhalb der kleinen Gruppe verschieben, wie die Angst sie Dinge tun lässt, die mit Vernunft nicht zu erklären sind. Indem er wiederholt einen Hirsch aufkreuzen lässt, schafft Welter zudem eine von der Realität abgekoppelte Ebene. Am Ende sorgt aber genau dieses Tier für ein Ende aller Träume. Der Held, der so gerne alleine sein wollte, ist es nun wieder.

Thomas Volkmann

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