In Berlin

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Sie sind Kameramänner und sie zeigen „ihre“ Stadt: Michael Ballhaus, geboren und wohnhaft in Berlin, und der in Argentinien geborene Filmemacher Ciro Cappellari, der seit 1984 dort lebt. Es ist der Blick dieser beiden, der die Metropole in diesem Film charakterisiert und dem Zuschauer gleichzeitig ein persönlich gefärbtes Bild ohne Anspruch auf Vollständigkeit vermittelt. Exemplarisch für die Vielfalt werden ganz unterschiedliche Bewohner in ihrer Lebenswelt porträtiert.

Webseite: www.inberlin-film.de

Deutschland 2008
Regie: Michael Ballhaus, Ciro Cappellari
Miwirkende: Alexander Hacke, Danielle de Picciotto, Nele Winkler, Angela Winkler, Hakan Savas Mican, Maybrit Illner u.a.
Laufzeit: 96 Min.
Verleih: farbfilm
Kinostart: 14.5.09

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Was macht Berlin so faszinierend und gibt es dieses eine Berlin überhaupt? Künstler, Politiker und andere Bewohner erzählen von ihrem Leben in dieser großen Stadt. Und wie groß sie tatsächlich ist, zeigen die Aufnahmen aus dem Hubschrauber, mit denen der Film startet und die auch immer wieder eingestreut werden. Aus der Luft wirkt Berlin irgendwie zerstreut und unzusammenhängend, nur der Funkturm am Alex sticht als phallisches Symbol hervor und schafft eine gewisse Orientierung im architektonischen Flickwerk.

Das ist es also nicht, was die Schönheit der Metropole ausmacht, mag man denken, doch die Läuterung kommt auf dem Fuße, als der Film die Einwohner vorstellt. Hier sind nämlich viele Überzeugungstäter am Werke. Seien es Alexander Hacke von den „Einstürzenden Neubauten“ und seine Freundin Danielle de Picciotto, die mit Klängen und Bildern eine Art Gesamtkunstwerk schaffen, das dann von Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Rahmen einer europäischen Clubnacht eröffnet wird. Begleiten wir die Schauspielerin Angela Winkler, die mit ihrer Tochter Nele, die am Down-Syndrom erkrankt ist, zusammen an der Volksbühne probt oder gehen wir mit Bürgermeister Wowereit und seinem Lebensgefährten Blumen kaufen und erleben später wie er ganz nach Berliner Schnauze mit einer Polizistin bei einer Gewerkschaftsdemo diskutiert. Dit is Berlin! Und natürlich kommen auch der junge Rapper aus Kreuzberg und der türkische Kioskbesitzer und viele andere mehr zu Wort und Bild. Die Frage, ob die Stadt die Menschen formt oder die Menschen die Stadt, kann sich nach dem Film dann jeder selbst beantworten.

Berlin besteht aus vielen Mikrokosmen, zum Teil mit Schnittmengen zum jeweils anderen, zum Teil auch ohne. Gerade Kreative haben Berlin früh entdeckt, denn die Vorteile liegen  darin, dass es dieses eine Berlin eben nicht gibt. Vereint war es ja lange Zeit sowieso nicht. Hier ist viel Platz für alles Mögliche und das Schöne dabei ist, dass es an Nischen nicht mangelt.

Ballhaus und Cappellari werfen mit „In Berlin“ einen persönlichen und liebevollen Blick auf die facettenreiche Metropole, wobei die prägnante visuelle Form in jeder Sequenz neue An- und Einsichten vermittelt.
 

Eric Horst

Ein „poetischer Filmessay“, als der dieser Dokumentarfilm bezeichnet wurde, lohnt sich für Berlin allemal. Nicht viele Städte in Europa erlebten, was diese Stadt in den letzten 90 Jahren durchgemacht hat: die Revolution nach dem Ersten Weltkrieg, die berühmten Zwanziger Jahre, den Hunger und die Arbeitslosigkeit während der folgenden Weltwirtschaftskrise, den verbrecherischen Nazi-Spuk, die Bombardierungen, die Eroberung durch die Sowjetarmee, das DDR-Regime in der Osthälfte der Stadt, den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung, den Touristenboom, den hohen Migrantenanteil.

Wunden des Zweiten Weltkrieges und der kommunistischen Diktatur sind noch immer sichtbar.

Der bekannte Kameramann Michael Ballhaus und sein Kollege Ciro Cappellari, ebenfalls Experte für schöne Bilder, haben die Stadt von allen Seiten, von oben und unten gefilmt und dabei an die 20 Menschen herausgegriffen, die in der Stadt leben und wirken.

Begleitet und befragt wurden: ein Musiker der „Einstürzenden Neubauten“; Frank Walter Steinmeier, der als die Welt bereisender Außenminister sehr gut das Verhältnis Berlins zu dieser Welt formulieren kann; die Theaterschauspielerin Angela Winkler und ihre ihr Down-Syndrom bewältigende Tochter Nele; der Schriftsteller Peter Schneider, der an markante Punkte Berlins führt und über Gott und die Welt philosophiert; der Kiosk-Besitzer Ercan Ergin; der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der den Bewohnern seiner Stadt politisch Mut macht; die Fernseh-Moderatorin Maybritt Illner, eine Ossi, die an die DDR-Vergangenheit erinnert; der türkische Filmstudent Hakan Savas Mican, der das Berliner Leben seiner Landsleute erforscht; drei Architekten, die entgegen den Beschlüssen der
zuständigen Gremien den Schlossplatz gerne anders gestaltet hätten; die originellen Modeschöpferinnen Clara Leskovar und Doreen Schulz; der Intendant der Berliner Festspiele Joachim Sartorius, der dafür sorgt, dass in Berlin die künstlerischen Veranstaltungen nicht ausgehen. Und andere.

Es ist ein anschauliches, locker zusammengestelltes, gut erdachtes, teilweise künstlerische Ansprüche stellendes, Berlin-typisches, unterhaltsames Stadtbild geworden, das sicherlich auch seinen Werbeeffekt nicht verfehlen soll.

Thomas Engel