In einer besseren Welt

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Die dänische Regisseurin Susanne Bier hat ein Gespür für Geschichten, in denen die Figuren an die Grenzen ihrer moralischen Einstellungen und emotionalen Belastbarkeit stoßen. Auch das Drama „In einer besseren Welt“ ist wieder aus diesem Holz geschnitzt. Zwei Schulkameraden, aber auch ihre Eltern, werden auf eine Reihe schwerer Prüfungen gestellt, die alle mit der Wirkung von Macht, dem Umgang mit der Liebe und dem Tod sowie dem Glauben an Gerechtigkeit zu tun haben.

Webseite: www.universumfilm.de

Originaltitel: Hævnen / In a better world
Dänemark/Schweden 2010
Regie: Susanne Bier
Darsteller: Mikael Persbrandt, Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen, Markus Rygaard, William Johnk Nielsen, Bodil Jorgensen, Elsebeth Steentoft, Martin Buch, Anette Stovlbæk, Kim Bodnia
113 Minuten
Verleih: Universum Film
Kinostart: 17.3.2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wie schon in ihrem 2004 fertig gestellten Film „Brothers – Zwischen Brüdern“, an den man sich jüngst aufgrund des Remakes durch Jim Sheridan wieder erinnern durfte, siedelt Susanne Bier ihren Film erneut auf zwei Kontinenten an. Sie bringt damit brisantes internationales Zeitgeschehen in Verbindung mit alltäglichen und universellen Konflikten. Bier und ihr langjähriger Drehbuchpartner Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“) zeigen auf, dass es sowohl beim Krieg im Großen wie auch Konflikten im kleinen familiären Umfeld immer auf viel Fingerspitzengefühl ankommt.

„In einer besseren Welt“ beginnt in einem afrikanischen Flüchtlingscamp. Hier arbeitet und operiert der Schwede Anton (Mikael Persbrandt) als idealistischer Arzt, dem die Kinder zujubeln und die Arbeit in der von Rebellen verunsicherten Umgebung kein Ende zu nehmen scheint. In der besseren Welt, daheim in Dänemark, haben sie derweil ganz andere Probleme. Antons Frau Marianne (Trine Dyrholm), auch sie eine Ärztin, hat gut zu tun, die beiden Kinder aufzuziehen. Für sie erschwerend kommt hinzu, dass es in ihrer Ehe kriselt, nachdem Anton einen Seitensprung gebeichtet hat, den sie ihm nicht verzeihen kann.

Ins Blickfeld rückt nach der Eröffnungssequenz in Afrika aber zunächst eine andere Familie mit einem anderen Jungen. Es ist der aus wohlhabendem Haus stammende zwölfjährige Christian (William Johnk Nielsen), der nach den Tod seiner Mutter wieder zum Vater (Ulrich Thomsen) nach Dänemark zieht. In seiner neuen Schule beobachtet er, wie Elias (Markus Rygaard) von halbstarken Mitschülern gemobbt wird. Den durch sein Einschreiten provozierten Machtkampf mit dem Bandenführer entscheidet Christian auf eine nicht zu tolerierende Weise. Doch weil sich Christian und Elias gegenseitig decken, hat die an den Tag gelegte Gewaltbereitschaft – von Christian gegenüber seinem Vater als Akt der Selbstverteidigung gerechtfertigt – weder juristische noch erzieherische Konsequenzen.

Bier und Jensen lassen im kleinen Umfeld der beiden durch Elias und Christian in Kontakt gekommenen Familien noch einige weitere Beispiele und Situationen von Machtdemonstration folgen. Hier eine harmlose Auseinandersetzung mit einem aggressiven Vater nach einer Sandkastenrauferei, dort eine Begegnung mit jenem Mann im afrikanischen Camp, der verantwortlich ist für oft tödliche Schicksale. Gerade die unfreiwillige Bekanntschaft mit dem tyrannischen Warlord erschüttert Anton in seinem hilfsbereiten humanistischen und pazifistischen Weltbild kolossal. Gleichzeitig macht sich zuhause sein Sohn zum Handlager eines Racheaktes, der alles andere ist als eine Lösung auf der Suche nach Gerechtigkeit.

„In einer besseren Wert“ ist deshalb ein so starker Film, weil er seine Charaktere in nachvollziehbare persönliche Konflikte stürzt, ihre seelischen Verletzungen und die in den Familien stattfindende Entfremdung überzeugend herausarbeitet, sich aber trotz der unterschiedlichen Handlungsorte nicht verzettelt. Dass das Flüchtlingslager in einem nicht definierten afrikanischen Land steht und eher als Platzhalter für Zerfall und Tod denn Hoffung dargestellt wird, mag im Anspruch auf Universalität begründet sein. Das eingespielte Doppel Bier/Jensen ist jedenfalls klug genug, sich einer moralischen Bewertung zu enthalten, sondern überlässt diese Entscheidung dem Verlauf der einzelnen Handlungsstränge. Großen Anteil an der Glaubwürdigkeit der dramatischen Ereignisse haben dabei insbesondere die beiden Darsteller der Jungen.

Thomas Volkmann

Zwei Schulfreunde in Dänemark, Christian und Elias. Christians Mutter ist gestorben. Der Bub nimmt das seinem Vater übel, denn geht davon aus, dass er wollte, dass sie stirbt. Der Zehnjährige begreift nicht, dass der Mann seine Frau nur erlöst sehen wollte.

Die Ehe zwischen Elias’ Eltern Anton und Marianne ist am Zerbrechen, sie wollen sich scheiden lassen. Der Mann ist Arzt und operiert periodisch in Afrika in einem Flüchtlingslager, in dem Bedingungen schlimmer nicht sein könnten. Da haust zum Beispiel in der Nähe auch der, den sie Big Man nennen. Immer von Schlägern und schwer bewaffneten Schergen umgeben, nimmt er Wetten an, ob bei dieser oder jener schwangeren Frau ein Junge oder ein Mädchen unterwegs ist. Zu diesem Zweck schlitzt er den Frauen die Bäuche auf.

Wieder zuhause, wird Elias’ Vater von einem gewalttätigen Rüpel geohrfeigt. Er schlägt jedoch nicht zurück, und die beiden Jungen halten dies für Feigheit. Doch dem ist bei weitem nicht so. Der Mann weiß nur, dass Gewalt nirgendwo weiterhilft. Er hat gerade in Afrika die besten Beispiele dafür gefunden und selbst vorexerziert.

Christian und Elias wollen sich für die Ohrfeige rächen. Sie bauen eine Bombe und zünden sie auch. Ein lebensgefährliches Unglück geschieht. Wird doch noch alles gut ausgehen? Und was ist mit den Eltern von Elias?

Einen schlechten Film von Susanne Bier gibt es nicht. Und das gilt auch für diesen. Das mit künstlerischem Rang geschriebene Drehbuch handelt von vorgelebter Menschlichkeit, wie insbesondere Elias’ Vater sie praktiziert; von einer gefährdeten Ehe; von einem gravierenden Missverständnis zwischen Christian und seinem Vater; vom Elend in Afrika, also von manchen moralischen und emotionalen Grenzsituationen; von harter Gerechtigkeit; von einer echten Freundschaft zwischen zwei Jungen; aber auch von falsch verstandener Rachsucht.

Zu der gekonnten Regie gesellen sich vielsagende Bilder und Örtlichkeiten. Mehrere Preise gab es bereits, u. a. in Rom und Sevilla

Aus allem entstand letztlich mit hervorragenden Schauspielern – vor allem auch die beiden Jungen – ein meisterhafter Film.

Thomas Engel