In the Land of Blood and Honey

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Ohne Etikett Angelina Jolie würde sich kein Mensch für diesen Bosnien-Kriegsfilm interessieren, von einem Special Screening auf der Berlinale-Ehre ganz zu schweigen, so spotten manche Zyniker. Faktisch sicher stimmig, ohne Häme betrachtet liegt darin freilich das erste Verdienst. Der Mega-Star sorgt mit seinem Namen für mediale Aufmerksamkeit für einen gerne verdrängten Skandal mitten in Europa, keine zehn Jahre vergangen. Zudem wirkt dieses Anliegen aufrichtiger als so manch fragwürdiges Wohltätigkeits-Getue publicitysüchtiger B-Promis. Last not least gelingt der Jolie mit ihrem Regie-Debüt auch filmisch ein eindrucksvolles Drama. Trotz mancher Macke: Nicht nur gut gemeint, sondern gut gemacht. Chapeau: Clooney-Liga!

Webseite: www.inthelandofbloodandhoney.de

USA 2011
Regie und Drehbuch: Angelina Jolie
Darsteller: Zana Marjanovic, Goran Kostic, Rade Šerbedžija, Vanesa Glodjo, Boris Ler, Alma Terzic, Jelena Jovanova, Fedja Stukan, Nikola Djuricko, Aleksandar Djurica, Branko Djuric
Filmlänge: 127 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Kinostart: 23.2.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Vor dem Krieg war die Republik von Bosnien Herzegowina eines der ethnisch und religiös vielfältigsten Länder in Europa. Muslime, Serben und Kroaten lebten gemeinsam in Harmonie“, verkündet der Vorspann. Doch anno 1992 wird sich diese Lage dramatisch verändern. Auf einer Tanzveranstaltung vergnügen sich die bosnische Malerin Ajla (Zana Marjanovic) und der serbische Polizist Danijel (Goran Kostic). Der Flirt des frisch verliebten Pärchens findet ein jähes Ende, als plötzlich eine Bombe in dem Club explodiert. Vier Monate später ist der Bürgerkrieg im Ex-Jugoslawien voll entbrannt. Bei den brutalen ethnischen „Säuberungen“ von Sarajewo werden die Einwohner aus ihren Wohnungen vertrieben, Zivilisten willkürlich von den Soldaten erschossen, Frauen vergewaltigt oder in Lagern interniert. In einem dieser Lager führt das Schicksal Ajla und Danijel überraschend zusammen. Der Polizist, Sohn eines hohen Generals, ist mittlerweile zum serbischen Offizier aufgestiegen. Als Lagerkommandant versucht er, seine schützende Hand über die Gefangene zu halten. Er beauftragt Ajla als Malerin, verhilft ihr so zu kleinen Privilegien und heimlich setzt sich die Affäre von einst fort.

Doch der Krieg hat die Menschen verändert. Anders als zu Anfang bleibt nun unklar, ob Danijel tatsächlich aus Liebe handelt oder sich nur eine gefügige Lustsklavin hält. „Du bist mein Besitz“, sagt er einmal halb im Spaß oder klagt: „Wärst du doch nur als Serbin geboren!“. Umgekehrt bleibt auch die Motivation der stummen Ajla unscharf: Empfindet sie noch etwas, wie damals? Oder fügt sie sich in ihr Schicksal, um schlimmere Qualen zu vermeiden? Oder ist es banal das Stockholm-Syndrom, wonach die Opfer irgendwann mit ihren Peinigern sympathisieren? Diese Ambivalenz ist ein dramaturgisch geschickter Schachzug der Drehbuchautorin Jolie, der Diskussionen nach dem Abspann gelungen provoziert.

Ähnliches hätte man auch bei der Darstellung der Serben gewünscht, die allzu sehr zu blutrünstigen Bestien reduziert werden, Babys von Balkonen werfen oder als brandschatzende Banausen die Museen plündert. „Wir töten, damit unsere Kinder später nicht in den Krieg müssen“ mag der Hardliner-General fanatisch schwadronieren. Bei den einfachen Soldaten dürfte, aller Gräueltaten zum Trotz, die ideologische Verblendung indes kaum so schlicht und eindimensional ausfallen. So zwiespältig diese Art von plakativem Feindbild sein mag, ist auch das allemal für Diskussionen tauglich.

Filmisch überrascht das Regiedebüt mit erstaunlicher Stilsicherheit und inszeniert sehr souverän das Grauen des Kriegs. Statt heldenhaftem Mann-gegen-Mann-Duell à la Traumfabrik zeigt die Hollywood-Ikone sehr rigoros die ganz dreckige Seite des Krieges: Die Verrohung der Menschen. Die Opfer der Zivilisten. Die Vergewaltigung der Frauen. „Dreieinhalb Jahre hat die internationale Gemeinschaft nicht eingegriffen und diesen Krieg gestoppt. 50.000 Frauen vergewaltigt“ erinnert wütend der Abspann.
Wenngleich andere Erstlings-Filmer sich kaum den Luxus so erfahrener Kameraleute, Cutter, Ausstatter oder Dutzender Assistenten leisten können, ist der Star-Ikone, die nebenbei sechsfache Mutter ist, ein rigoroser Politfilm-Kraftakt gelungen, mit dem sie in der ambitionierten George Clooney-Liga spielt. 

Dieter Oßwald

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