Informant, Der

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Was zunächst klingt wie der übliche Kampf eines einzelnen mutigen Angestellten gegen einen übermächtigen, multinationalen Konzern, entwickelt sich alsbald zu einer absurden Komödie, die mit den Abläufen bekannter David-gegen-Goliath-Konstellationen bricht. Basierend auf dem wahren Fall des Informanten Marc Whitacre erzählt Oscar-Preisträger Steven Soderbergh einen etwas anderen Wirtschaftskrimi. Unter seiner Regie wird aus Action-Star Matt Damon die personifizierte Selbstüberschätzung in Nadelstreifen.

Webseite: www.DerInformant-derFilm.de

USA 2009
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns nach dem Roman von Kurt Eichenwald
Kamera: Steven Soderbergh
Musik: Marvin Hamlisch
Darsteller: Matt Damon, Scott Bakula, Joel McHale, Melanie Lynskey, Eddie Jemison, Tom Papa, Rick Overton
Laufzeit: 108 Minuten
Kinostart: 5.11.09
Verleih: Warner
 

PRESSESTIMMEN:

...mit sardonischem Humor ...überaus vergnüglich.
DER SPIEGEL

FILMKRITIK:

Filme, die auf einer wahren Geschichte basieren und den Kampf eines Einzelnen gegen eine scheinbar übermächtige Institution schildern, setzen gemeinhin auf die dramatische Zuspitzung ihrer David-gegen-Goliath-Konstellation. Ganz anders verhält es sich da mit Steven Soderberghs „Der Informant!“. Einen der größten Wirtschafskrimis der letzten Jahrzehnte wählte er als Hintergrund für eine zunehmend absurde Komödie, bei der man desöfteren nicht genau weiß, ob man laut lachen oder angesichts von soviel Irrsinn nur noch den Kopf schütteln soll. Offenbar war dem Oscar-Preisträger nach seinem viereinhalb Stunden Biopicture „Che“ an einem radikalen Genre- wie Stimmungswechsel gelegen.

Soderberghs Informant heißt Marc Whitacre (Matt Damon). Der junge Mann hat beim Agrarkonzern Archer Daniels Midland eigentlich eine viel versprechende Karriere vor sich. Doch die rückt plötzlich in weite Ferne, als er sich dem FBI anvertraut und den beiden, für ihn zuständigen Agents (Scott Bakula, Joel McHale) über illegale, im großen Stil laufende Preisabsprachen berichtet. Whitacre wird daraufhin vom FBI als Informant verpflichtet, verkabelt und mit einem in seinem Aktenkoffer versteckten Rekorder ausgestattet. Er soll die Gespräche zwischen der Führungsspitze von ADM und der ausländischen Konkurrenz aufzeichnen. Was das FBI anfangs jedoch nicht ahnt: Dieser Marc Whitacre ist nicht der, der er zu sein vorgibt. Nicht nur leidet er an einer bipolaren Persönlichkeitsstörung, aus einem unerfindlichen Grund ist er sogar felsenfest davon überzeugt, für seine Zusammenarbeit am Ende mit einer Beförderung belohnt zu werden.

So ungewöhnlich Soderberghs komödiantischer Ansatz anfangs auch erscheint, mit jeder neuen, abstrusen Wendung, die der Fall nimmt und die allesamt Whitacre zuzuschreiben sind, zeigt sich, dass man diese Geschichte vermutlich nur auf diese Weise erzählen konnte. In gewisser Weise funktioniert der Film daher auch als ironischer Kommentar auf konventionelle White-Collar-Thriller wie Michael Manns themenverwandten „Insider“. Whitacres fast schon pathologische Selbstüberschätzung, seine Unbeirrbarkeit und intellektuelle Sprunghaftigkeit, all das kommt in den eingestreuten Off-Kommentaren zum Ausdruck. In den entscheidenden Augenblicken, immer dann, wenn vermutlich gerade etwas wirklich Wichtiges besprochen wird, schweifen Whitacres Gedanken ab, um über so Banales wie Belangloses zu sinnieren („Brioni-Krawatten werden nie heruntergesetzt. Ich sollte mir alle Krawatten in Paris kaufen und sie in eine Dutyfree-Tasche stopfen.“).

Gerade aus dieser ironischen Distanz zum Geschehen entwickelt „Der Informant!“ einen über weite Strecken beachtlichen Unterhaltungswert. Beachtlich deshalb, weil die Themen, die Soderberghs Wirtschafts-Farce verhandelt, auf den ersten Blick wenig „sexy“ erscheinen. Da ist die Rede von Marktversagen, Preisabsprachen, Unterschlagung und Industriespionage. In diesem Fall färbt jedoch die bunte, verspielte Verpackung auf den spröden Inhalt ab. Soderbergh verwendet neben pinken Jahreszahlen einen durchgängig etwas muffigen Retro-Look, der ebenso wie Marvin Hamlischs kitschiger Score wohl nicht ganz zufällig auf die 1970er Jahre verweist (und das obwohl die Handlung des Films in den 90er Jahren spielt). Im Verlauf dieser Dekade brachte Hollywood bis heute prägende Polit-Thriller wie Alan J. Pakulas Watergate-Abrechnung „Die Unbestechlichen“ hervor.

Die größte Trumpfkarte des Films ist aber Matt Damon. Der Hollywood-Star war vermutlich noch nie so gut. Mit einigen zusätzlichen Kilos, abschreckender Föhnfrisur, Schnurrbart und Buchhalter-Brille verwandelt sich der ansonsten für seine Physis bekannte Damon in einen pummeligen Möchtegern-Agenten. Schon bald vergisst man, dass wir es hier mit demselben Schauspieler zu tun haben, der sich einst als durchtrainierter Geheimagent Jason Bourne um die Nachfolge eines gewissen James Bond bewarb. Umso grotesker erscheint es, wenn der Schreibtischtäter Marc Whitacre plötzlich als „0014“ auftritt. Seine Begründung, er sei schließlich auch „doppelt so schlau wie 007“, ist mindestens so verrückt wie der gesamte Film.

Marcus Wessel

Soderbergh hat sich hier an eine wahre Geschichte angelehnt. Rein „kinomäßig“, also was Handlung, Bilder, Effekte und Gefühle betrifft, ist nicht allzu viel drin – nur Unterredungen, Konferenzen, Geheimnistuereien, Gerede, Getäusche, Reisen, Hotels.

Aber thematisch ist das interessant, vor allem in einer Zeit der Krise, da offenbar geworden ist, wie bestimmte Kreise und Unternehmen falsch, riskant und betrügerisch gespielt und damit einen Absturz verursacht haben.

Mark Whitacre hat eine ziemlich hohe Stellung in einem riesigen Agrarkonzern. Er könnte mit einer Frau an seiner Seite zufrieden sein und Karriere machen. Doch eines Tages laust ihn der Affe. Er kommt verbotenen Preisabsprachen seiner Firma mit den Japanern auf die Schliche – und in dem aberwitzigen Glauben, er könne nach der Aufdeckung des Skandals selbst an die Spitze der Firma treten, setzt er sich mit dem FBI in Verbindung. Er macht sich zum Spitzel, zeichnet für die Behörde Firmengespräche auf. Jahrelang.

Die Beweislage ist allerdings dünn, so dass das FBI von ihm verlangen muss, den Kronzeugen zu machen, was Whitacre natürlich nicht erwartet hatte und ihn vor Gericht in ein schweres Dilemma versetzt.

Und etwas Erstaunliches stellt sich plötzlich heraus: Der Herr Spitzel und Kronzeuge hat nämlich selbst Dreck am Stecken; er unterschlug nicht weniger als neun oder sogar elf Millionen Dollar.

Der Traum ist ausgeträumt. Whitacre verheddert sich in Widersprüche, Ausflüchte, Märchen, Lügen. Das Ergebnis: Gefängnis.

Die Positiva: Soderbergh bringt den Film zum bestmöglichen Zeitpunkt heraus – scheinbare Krise, Krise, Krise überall. Der Routinier hat das durch die Wirklichkeit belegte Drama (90er Jahre) außerdem sehr flüssig und flott inszeniert. Und er wählte sich mit Matt Damon einen Protagonisten aus, der den halbschlauen, verdrückten, spießigen, vom Größenwahn gestreiften Whitacre wirklich glänzend wiedergibt.

Thomas Engel