Schachspielerin, Die

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Emanzipation am Schachbrett: Mit viel Feingefühl schafft es Regisseurin Caroline Bottaro in ihrem Regiedebüt eine einfache Frau unter der mediterranen Sonne in eine moderne Heldin zu verwandeln. Die Profilstudie eines Frauenlebens nach dem erfolgreichen Erstlingsroman von Bertina Henrich wirkt auch auf der Leinwand überzeugend. Nicht zuletzt durch die Ikone des französischen Autorenkinos Sandrine Bonnaire in der Hauptrolle avanciert diese Kleine Rochade des Lebens zum Kinovergnügen.

Webseite: www.concorde.de

Frankreich/ Deutschland 2008
Regie: Caroline Bottaro
Buch: Caroline Bottaro
Darsteller: Kevin Kline, Sandrine Bonnaire, Valerie Lagrange, Francis Renaud, Alexandra Gentil, Jennifer Beals
Länge: 97 Minuten
Verleih: Concorde Film
Kinostart: 07.01.2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Lernen sie doch lieber Patience“, herrscht Dr. Kröger (Kevin Kline) Hélène (Sandrine Bonnaire) verwundert an. Dass seine Putzfrau Schach spielen will und er sie auch noch unterrichten soll geht dem verschrobenen Arzt nicht in den Kopf. Doch längst ist die Mutter einer 15jährigen Tochter der Magie des Königspiels verfallen. Nächtelang übt sie heimlich allein in ihrer kleinen Küche am Schachcomputer. Ihr monotoner Berufs- und Ehealltag in einem Dorf auf Korsika beginnt sich langsam zu verändern.

Angefangen hat alles im Hotel Les Roches Rouges. Dort beobachtet sie als Zimmermädchen fasziniert ein amerikanisches Pärchen auf dem Balkon. Beim Schachspielen tauschen die beiden Zärtlichkeiten aus. Ein romantisches Bild, das die stille Frau verfolgt. Zum Geburtstag schenkt die bescheidene 42jährige ihrem Mann Ange (Francis Renaud) deshalb ein Schachspiel. Doch der einfache Schiffsmonteur kann damit nichts anfangen. Irritiert betrachtet Ange „das originelle Geschenk“. Aus Liebe zu ihm zog Hélène vor Jahren auf die französische Insel.

Im überschaubaren Dorfkosmos sorgt Hélènes merkwürdige Leidenschaft inzwischen für einigen Wirbel. Die Schachbegeisterung eines Zimmermädchens scheint allen mehr als suspekt. Ange, in seiner Mannesehre gekränkt, zeigt sich wutentbrannt als sie ihre hausfraulichen Pflichten vernachlässigt. Sein Essen nicht mehr rechtzeitig auf dem Tisch steht, seine sonst ordentliche Frau sogar vergisst ihre Tochter vom Schulausflug abzuholen. Auch die Hotelchefin versteht die Welt nicht mehr, als die Fügsame zum ersten Mal mit einem klaren „Nein“ Überstunden ablehnt.

Einzig Dr. Kröger freut sich über seine strebsame Schülerin. Denn als er aus einer Laune heraus das erste Mal gegen Hélène antritt, erkennt er ihr schlummerndes Talent. Bald schon überflügelt die Ehrgeizige ihren Lehrmeister. Kröger ermutigt sie sich zu einem Schachturnier anzumelden. Ein folgenschwerer Schritt, mit dem Hélène ihr bisheriges Leben im wahrsten Sinn des Wortes aufs Spiel setzt.

Unspektakulär erzählt das einfühlsame Feel-Good-Drama von der Verwandlung einer einfachen Frau, die bisher brav funktionierte ohne eigenen Ansprüche zu stellen, zur selbstbewussten Siegerin mit neu entdeckter Weiblichkeit. Dabei entpuppt sich der Debütfilm von Caroline Bottaro als gelungene Parabel über Toleranz und mutig gelebte Leidenschaft. Geradezu voyeuristisch fängt die Kamera jede kleine Geste ihrer Protagonistin ein, deren Metamorphose die charismatische Sandrine Bonnaire souverän Glaubwürdigkeit verleiht. Mit einem Blick oder einer Handbewegung macht die fragile Schauspielerin das Innenleben ihrer Figur sichtbar und überstrahlt dabei fast das gesamte Ensemble.

Luitgard Koch

Ein kleines Hotel auf Korsika. Hélène ist dort Putzfrau. Ihr Mann arbeitet bei einer Schiffswerft, die Tochter Lisa geht noch zur Schule.

Hélène sieht, wie zwei Gäste Schach spielen. Ist dieses Spiel eine Geistesangelegenheit, eine Geschicklichkeitsübung oder ein Sport? Kann man Schach spielen lernen, oder ist es eine Sache der besonderen Begabung?

Für Hélène scheint Letzteres zuzutreffen. Bei ihr hat sich ein Funke entzündet. Sie hat jetzt das Bedürfnis, immer wieder Schach zu spielen. Ganze Nächte lang.

Sie kümmert sich auch um den Haushalt von Dr. Kröger. Der ist ein kranker, reservierter, kauziger Mann, dessen Frau verstorben ist. Ihn bringt Hélène dazu, mit ihr Schach zu spielen. Er wird ihr Lehrer. Dann geschieht, was zu erwarten war: Sie ist so gut geworden, dass sie immer gewinnt.

Kröger ist nicht nur ihr Schach-Lehrer. Er bringt sie auch dazu, ihre Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden, an sich selbst zu glauben, ein eigenes Leben zu gestalten, ihrer Leidenschaft nachzugeben, aus ihrem ärmlichen Milieu herauszuwachsen.

Natürlich kostet das einen Preis. Die Ehe wankt. Die Leute im Dorf tuscheln. Hélène gerät ins Grübeln. Sie fühlt sich von Kröger angezogen, bleibt aber wie selbstverständlich ihrem Mann treu.

Und dann gewinnt sie gar ein Amateurtournier.

Sieht man einmal von der etwas fraglichen Roman- und Grundvorstellung ab, dass eine einfache Frau, die nebenher als Zimmermädchen und Haushälterin arbeitet, mit einer solchen Verve und Leidenschaft dem Schachspiel frönt, ist das doch ein sehr feiner und nobler Film geworden. Das Verhältnis zwischen Kröger und seiner „Schülerin“ wird subtil und geistig durchaus bemerkenswert dargestellt. Und auch das Familienmilieu, dem Hélène entstammt, ist stimmig. Aus der literarischen Vorlage haben Caroline Bottaro und ihre Mitstreiter (in tadelloser Regie) einen schönen Film zustande gebracht.

Möglich war das aber auch, weil zwei Darstellerkoryphäen beteiligt sind. Sandrine Bonnaire gibt die Hélène auf die differenzierteste Weise wieder. Kevin Kleine spielt den Kröger in einem Stil, der bewundernswert ist.

Thomas Engel