Into the wild – In die Wildnis

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Sean Penn erzählt in seiner vierten Regiearbeit das auf wahren Begebenheiten beruhende Schicksal des erst 22-jährigen Christopher McCandless. Der zog nach erfolgtem Collegeabschluss aus, das Leben ganz auf sich gestellt in der winterlichen Wildnis Alaskas auf eine harte Probe zu stellen. Penn adaptierte dazu das von Bestseller-Autor Jon Krakauer nachgezeichnete Außenseiterdrama als Mischung aus Abenteuerreise und Selbstfindungsgeschichte. Emile Hirsch überzeugt darin in der Rolle des jungen Aussteigers.

Webseite: www.intothewild-derfilm.de

USA 2007
Regie: Sean Penn
Darsteller: Emile Hirsch, Catherine Keener, Vince Vaughn, William Hurt, Marcia Gay Harden, Hal Holbrook, Kristen Stewart
148 Minuten
Verleih: Tobis
Kinostart am 31.1.08

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ein wenig leichtsinnig, denkt man sich, ist dieser junge Mann schon, als man ihn durch die lausig kalte Winterlandschaft stapfend seine Mütze am Weg zurücklassen sieht. Dieser Christopher McCandless, so lernt man in den 140 folgenden Minuten, schreckt jedoch weder vor kalten Ohren noch der ihn erwartenden Einsamkeit in der unwirtlichen winterlichen Weite Alaskas zurück. Hier, ganz allein mit sich und fernab jeglicher Zivilisation, scheint der sich selbst nach W.H. Davies‘ „Autobiographie eines Vagabunden“ Alexander Supertramp nennende Held am Ziel seines teilweise selbstzerstörerischen Selbstfindungstrips angelangt zu sein.   
Sean Penn folgt in seinem auf dem fesselnden Tatsachenroman „In die Wildnis. Allein nach Alaska“ von Jon Krakauer beruhenden Film nicht nur den zwei Jahren, in denen der 22-jährige McCandless die Vereinigten Staaten zunächst von Ost nach West und später weiter Nordwärts durchquerte. Penn blickt immer wieder auch zurück in das Leben des Außenseiters, sein Film ist entsprechend in Kapitel wie Geburt, Kindheit, Mannesalter, Familie und Weisheit gegliedert, wobei versucht wird, auch die psychologischen Beweggründe für die Entscheidung des selbstgewählten Vagabundenlebens zu verdeutlichen. Obwohl zwischendurch die Schwester des von Leo Tolstoi, Henry David Thoreau und Jack London inspirierten Sinnsuchers als Off-Erzählerin auftritt, verzichtet Penn auf eine erzählerische Distanz und folgt den Gedanken seiner Hauptfigur bedingungslos. Die offensichtliche Sympathie für McCandless und die Faszination für diesen hochdramatischen Filmstoff, der dem Zuschauer immer auch Zeit lässt, die eigene Position in Bezug auf dieses Abenteuer zu hinterfragen, mag dabei   Motivation genug gewesen sein, sich der Geschichte nicht doch etwas distanzierter genähert zu haben. 

„Into the Wild“ zeichnet nach, wer dieser Christopher McCandless war, aus welchem Umfeld er kam und welchen ihn prägenden Menschen er begegnete, nachdem er seine eigentlich fürs Jurastudium vorgesehenen Ersparnisse in Höhe von 24.000 Dollar einer Hilfsorganisation vermachte und sich auf eine Reise ohne Wiederkehr begab. Neben dem den Abnabelungsprozess mit allen Konsequenzen grandios verkörpernden Emile Hirsch treten in kleinen Nebenrollen u.a. Catherine Keener als Immer-noch-Hippie-on-the-road, Vince Vaughn als Farmer, Kristen Stewart als jugendliche Verführerin, der es aber doch nicht gelingt, den asketischen jungen Mann in ein Liebesabenteuer zu drängen, als Eltern William Hurt und Marcia Gay Harden und schließlich Hal Holbrook als Witwer, der McCandless gerne zum Sohn hätte, auf.

Gleichwohl lässt Penn, wie auch Krakauer im Buch, nie so tief blicken als dass man das Verhalten des mutigen, vielleicht auch etwas blauäugigen Idealisten und Freiheitssuchers gänzlich entschlüsseln könnte. Genau dies aber macht letztendlich auch den Reiz dieses Films aus, der mit seinen rockig-melancholischen Folksongs von Eddie Vedder („Pearl Jam“) und den wie Postkartenmotiven wirkenden Landschaftsansichten von Eric Gautier („Die Reise des jungen Che“) einen ersten filmischen Höhepunkt des Jahres 2008 markiert.

Thomas Volkmann

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Ein Film wie wenig andere. Sean Penn hat ihn koproduziert und dabei Regie geführt, nachdem er das Projekt jahrelang mit sich herumgetragen hatte. Das gleichnamige Buch von Jon Krakauer hatte ihn fasziniert und natürlich auch das darin beschriebene kurze, nur 22 Jahre zählende Leben des Christopher McCandless.

Christopher (Emile Hirsch) lebte mit seinem Vater Walt (William Hurt), einem Raumfahrt-Ingenieur, seiner Mutter Billie (Marcia Gay Harden) und seiner Schwester Carine (Jena Malone), die ihn sehr liebte. Das Verhältnis zu seinen Eltern war eher gespannt. Trotzdem machte er einen gut bürgerlichen College-Abschluss.

Doch seine Ideen waren alles andere als bürgerlich. Sein Drang nach der Natur, nach einem Leben ohne Lüge, nach einer Befreiung von allem Zivilisationsmüll und nicht zuletzt nach einer Entfernung von den Eltern, vom Vater vor allem, war so stark, dass er ausbrechen musste.

Und das tat er denn auch. Er spendete sein Erspartes einer Hilfsorganisation, zog mit einem Minimum an Gepäck im Rucksack los, trampte durch halb Amerika, traf die verschiedensten und originellsten Leute, lehnte jede ständige Beziehung und Bindung ab, nahm Rückschläge hin und rappelte sich wieder auf, blieb seinen Ideen treu. Autostop, Kanufahrt, gelegentliche Arbeiten für das Nötigste – so ging das ein paar Jahre.

Dann wollte er, um mit sich abschließend spirituell ins Reine zu kommen, eine letzte, lange, einsame Tour durch das verlassene und winterliche Alaska unternehmen. Aber das Unglück stand schon vor der Tür.

Der Film fußt auf den zwei Jahre umfassenden Aufzeichnungen von Christopher sowie auf Krakauers Bericht. Mit dem ausgezeichnet spielenden Emile Hirsch zeigt er ausführlich Christophers (alias Alexander Supertramps) Reisen, seine Begegnungen mit dem Abenteuer-Tramper Rainey (Brian Dierker) und dessen Geliebter (Catherine Keener), dem sympathischen Wayne (Vince Vaughn), der ihm auf einem Mähdrescher Arbeit gibt, der aparten Tracy (Kristen Stewart), die ihn für sich haben möchte, oder dem väterlichen Ratgeber Ron Franz (Hal Holbrook), nicht zu vergessen das bunte Volk der jedem Konformismus fremden Slab City oder den Felsenmaler Leonard Knight.

Ein Film, der sich Zeit lässt, der schöne Landschaftsaufnahmen bietet, der allerhand besondere Locations streift, der dem jungen Hauptdarsteller immer und nah auf den Fersen bleibt, der aber vor allem auch das geistige Leben Christophers spürbar macht, der seinen bis zum Ende durchgehaltenen Kampf mit sich selbst zeigt, der den Idealen des jungen Mannes folgt und der in seiner Art konsequent ist – bis zur Tragödie.

Thomas Engel