Kein großes Ding

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So unangepasst und anarchisch wie Klaus Lemkes Filme sind seine Helden. Hier heißen sie Mahmoud und Henning, zwei Chaoten, immer auf der Jagd nach Spaß, Kohle, einem sicheren Coup oder wenigstens nach ein bisschen Remmidemmi. Sie improvisieren sich freudvoll durch ein ziemlich kaputtes, quirliges Berlin – der perfekte Hintergrund für zwei aufstrebende Jungs mit kreativen Ideen.
Ein neuer, kleiner Berlin-Film für Fans des subversiven Minimal-Kinos, also eine echte Low Budget-Produktion – ohne Drehbuch und ohne großes Team entstanden, aber mit demselben jugendlichen Feuer, mit dem Klaus Lemke schon in den 60er Jahren für Furore sorgte.

Webseite: www.facebook-klauslemke.de

Deutschland 2013
Drehbuch und Regie: Klaus Lemke
Kamera: Paulo da Silva
Darsteller: Thomas Mahmoud, Henning Gronkowski, Tini Bönig, Leila Lowfire, Tom Laterveer
Musik: Malakoff Kowalski
90 Minuten
Verleih: Eigenverleih Klaus Lemke (Kontakt: Karin Kleibel, Media Office; auch für Kinoanfragen)
Kinostart: „auf Wunsch demnächst in Ihrem Qualitätskino“

FILMKRITIK:

Klaus Lemke, der vermutlich älteste Jungfilmer der Welt, präsentiert auch in seinem zweiten Berlin-Film ein Kaleidoskop origineller Typen, angeführt von zwei Helden der besonderen Art. Der eine glaubt, der neue James Brown zu sein, kann aber nicht singen. Der andere will als Pirat in einer Stripnummer auftreten und weigert sich, die Unterhose auszuziehen. Da sind gewisse kleinere und größere Schwierigkeiten vorprogrammiert, und es kommt, wie es kommen muss: Alles, was Mahmoud (Thomas Mahmoud) und Henning (Henning Gronkowski) anfangen, geht irgendwie schief. Und Mahmoud, der gerade aus dem Knast gekommen ist, muss aufpassen, dass er nicht gleich wieder einfährt. Aber jetzt ist er ja schlauer, sagt er, jetzt weiß er ja, wie es geht. Sagt er. Und dann ist da ja auch noch die geheimnisvolle Plastiktüte …
 
Dieses Berlin ist eine Stadt für Träumer, Zocker und Fantasten, ein Ort, wo alles möglich scheint, obwohl es klare Vorgaben gibt. Hier sind nämlich die Underdogs immer die Guten, die Frauen sexy und die Gangster halbseiden. Andere Filmemacher lieben Landschaften, Lemke scheint die Städte besonders zu lieben, diese Landschaften aus Beton, in denen er das Leben erforscht. Insgesamt sind die Menschen nämlich deutlich wichtiger – und interessanter – als die kleine Story. Im Vordergrund stehen zwei typische Lemke-Loser, die sich irgendwie durchwurschteln. Henning Gronkowski gibt den lässig coolen Mann von Welt, der vom Marihuana-Pflanzer zum Agenten seines Freundes aufsteigt. Denn schließlich braucht doch jeder Sänger einen Agenten, oder? Dabei lässt er sich von Quasselstrippe Mahmoud wenig beeindrucken. Thomas Mahmoud spielt seine Rolle mit geradezu aggressiver Aufdringlichkeit. Er wirkt dabei nicht besonders sympathisch, aber das passt ganz gut zu diesem Möchtegern-Gangster, der mindestens genauso dämlich wie anstrengend ist. Hier wird aber nicht gewertet, nichts erklärt oder begründet, denn dies ist schließlich ein Film von Klaus Lemke, dem Meister des gehobenen Untergrundfilms.
 
Einige Berliner Originale dürfen ab und an durchs Bild stromern, und ein paar Damen beleben die Szenerie. Mit sparsamsten Mitteln wird hier Atmosphäre erzeugt – eine besondere Kunst der improvisierten Imperfektion, die Klaus Lemke beinahe perfekt beherrscht. Immerhin. Und wo findet man schon deutsche Filme, in denen so großartige Dialogsätze gesprochen werden wie: „Wir brauchen definitiv mehr Feuerkraft.“

Gaby Sikorski