Lifelong

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Ein Drama ohne Drama: In „Lifelong“ erzählt Filmemacherin Asli Özge mit überraschend leisen Tönen die Geschichte einer Ehekrise. Anstelle von Kleinkrieg und Diskussionen zeigt sie Bilder von Entfremdung und sterbenden Gefühlen, deren Ruhe zwar beeindruckt, jedoch nicht immer berühren kann.

Webseite: www.peripherfilm.de

Türkei/Deutschland/Niederlande 2013
Regie und Drehbuch: Asli Özge
Darsteller: Defne Halman, Hakan Çimenser, Gizem Akman, Onur Dikmen
Länge: 102 min.
Verleih: Peripher
Kinostart: 22. Mai 2014
Verleih-Info hier...

PRESSESTIMMEN:

“Begrenzter Raum perfekt genutzt als visuelle Metapher für Beziehungselend – meisterlich.”
(Der Tagespiegel)

FILMKRITIK:

„Lifelong“ beginnt mit einer Sexszene, die jeglicher Leidenschaft entbehrt. Die postkoitale Pose der weiblichen Hauptfigur Ela (Defne Halman) enthüllt bereits ihre innere Abwehrhaltung gegenüber Can (Hakan Çimenser). Der intime Moment der Eheleute entbehrt jeglicher Nähe, das sterile Setting strahlt Kälte statt Wärme aus. Ohne ihre Figuren nur ein Wort sprechen zu lassen, erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Asli Özge im Grunde schon ihre gesamte Geschichte.

Ela und Can arbeiten mit Formen und Räumen: Ela ist Künstlerin, Can Architekt, die gemeinsame Tochter studiert Industriedesign. Die bewusste Ausgestaltung von Räumen und Objekten spielt in „Lifelong“ eine Hauptrolle. Die Arbeitsplätze von Can und Ela spiegeln Gefühle von Isolation und Einsamkeit, das gemeinsame Haus ist ein barrierefreies Gefängnis, das sich durch Glas und offene Räume auszeichnet. Selbst das Bad ist nur durch eine Glasscheibe vom gemeinsamen Schlafzimmer getrennt. Eine Privatsphäre gibt es nicht. Trotz oder vielleicht gerade wegen der erzwungenen Offenheit des Hauses, die ihren Bewohnern kein Geheimnis lässt, beginnen sich Ela und Can voneinander zu entfernen. Unausgesprochenes schiebt sich zwischen die vertrauten Ehepartner.

Die vermeintliche Affäre Cans ist nicht nur zwischen den Eheleuten, sondern auch in Özges Film unausgesprochen. Wenn Ela die Telefonate ihres Mannes belauscht, darf der Zuschauer niemals mithören. Lange tragen Ela und Can ihre Krise subtil und zwischen den Zeilen aus, deuten einander Misstrauen und Entfremdung nur an, ohne sich jemals offen auszutauschen. Dennoch brodeln hier keine Aggressionen, die ein Ventil suchten, vielmehr zeigt Özge die Unfähigkeit zweier Menschen, sich in gegenseitiger Ehrlichkeit wahrhaft nahe zu kommen. All die Transparenz ihres gemeinsamen Heims ändert nichts daran, dass Ela und Can verlernt haben, einander zu sehen.

Während es Asli Özge in der ersten dreiviertel Stunde ihres Films gelingt, diese Gefühle von Entfremdung und Isolation geschickt durch die Inszenierung von Körpern im Raum zu erzählen, beginnt „Lifelong“ in der zweiten Hälfte an Zugkraft zu verlieren. Die subtilen Andeutungen werden konkreter, ohne dass das anvisierte Drama jemals stattfände. Die Zurückhaltung der Protagonisten ist nicht mehr ohne Weiteres nachzuvollziehen und die Entwicklung ihrer Beziehung wirft mehr und mehr Fragen auf.

Während Defne Halman zu Beginn allein mit ihrem Charisma zu fesseln vermag, entwickelt sich ihre Figur zunehmend zum Opfer. Die Frau ist hier nicht nur die Gehörnte, sie ist auch die Schwache, die auf die Last der Situation mit Krankheit reagiert.  Während Ela ihre Energie verliert, schaltet auch der Film fühlbar einen Gang zurück. Beeindruckt „Lifelong“ zunächst noch durch die Spannung der ungewohnt subtil und ruhig verhandelten Beziehungskrise, entwickelt sich Özges Films zu einem zunehmend langatmigen Drama um die Vergänglichkeit der Liebe. Der Interpretationsspielraum, der durch die narrativen Ellipsen entsteht, wird zu groß, ist nicht mehr zu füllen und verliert damit an Attraktivität. Der Zuschauer kapituliert bei dem Versuch, die Geschichte von Ela und Can rational oder emotional zu durchdringen und bleibt letztlich unbeteiligt, ebenso distanziert von den Protagonisten wie diese voneinander.
 
Sophie Charlotte Rieger