Kill Your Darlings – Junge Wilde

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Als Schriftsteller prägten William S. Burroughs, Jack Kerouac und Allen Ginsberg gleich mehrere Generationen von Lesern und Autoren. In „Kill Your Darlings“ beleuchtet John Krokidas die Anfänge der Beat Generation, das mitunter wilde Campusleben im New York der 1940er Jahre und einen besonders tragischen Zwischenfall, der von vielen als Urknall der Beatniks betrachtet wird. Dabei konzentriert sich sein Film auf die Freundschaft zwischen Ginsberg und dem jungen, rebellischen Lucien Carr. Die großartigen Daniel „Harry Potter“ Radcliffe und Dane DeHaan sind sicherlich Krokidas’ beste, aber bei weitem nicht einzige Argumente.

Webseite: www.neuevisionen.de

USA 2013
Regie: John Krokidas
Drehbuch: John Krokidas, Austin Bunn
Darsteller: Daniel Radcliffe, Dane DeHaan, Michael C. Hall, Ben Foster, Jack Huston, David Cross, Jennifer Jason Leigh
Laufzeit: 104 Minuten
Verleih: Koch Media, Vertrieb: Neue Visionen
Kinostart: 30.1.2014

PRESSESTIMMEN:

"Visuell dynamisches, atmosphärisches Regiedebüt mit einem souveränen Daniel Radcliffe als Allen Ginsberg."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

In der Welt da draußen tobt ein mörderischer Krieg, doch davon bekommt der junge Allen Ginsberg (Daniel Radcliffe) im ländlichen New Jersey kaum etwas mit. Wirklich interessiert scheint er nicht am Weltgeschehen, dafür umso mehr an Literatur, Poesie und der Kunst des Schreibens. Groß ist daher die Freude, als er zum Studium an der renommierten New Yorker Columbia Universität zugelassen wird. Voller Entdeckergeist stürzt er sich im Spätsommer des Jahres 1944 in sein neues Studentenleben. Auf dem Campus lernt er schon bald den rebellischen, charismatischen Lucien Carr (Dane DeHaan) kennen, der ihn in die lebendige New Yorker Literaten- und Intellektuellenszene einführt. Dort wird nicht nur kontrovers über Kunst diskutiert, man pflegt auch einen durchaus ausschweifenden Lebensstil, zu dem scheinbar selbstverständlich Drogen, Partys und wechselnde Sexkontakte gehören.

Die Mitglieder der späteren Beat Generation – neben Ginsberg waren das „Naked Lunch“-Autor William S. Burroughs und Jack Kerouac – üben bis heute nicht nur mit ihrem literarischen Erbe auf junge Künstler eine ungebrochene Faszination aus. Erst vergangenes Jahr versuchte sich Walter Salles an der Umsetzung des autobiografischen Kerouac-Romans „On the Road – Unterwegs“ – mit eher mäßigem Erfolg. So schwierig es auch ist, sich den komplexen Werken der „Beatniks“ zu nähern, so sehr scheinen sich ihr Lebensstil und ihre seinerzeit zum Teil revolutionären Ansichten als Stoff eines packenden Kinofilmes zu eignen. Dass sich mit John Krokidas ein Debütant an ein solches Porträt wagte, welches uns Ginsberg, Burroughs und Kerouac vor ihrer eigentlichen Schriftstellerkarriere vorstellt, ist hierbei besonders bemerkenswert.

Aus dem bekannten Trio wird in „Kill Your Darlings“ ein Quartett, zusammengehalten von der faszinierenden Person Lucien Carrs, der nicht allein Ginsberg in seinen Bann zog. Da gibt es mit dem Enddreißiger David Kammerer (Michael C. Hall) einen deutlich älteren Verehrer, der für Lucien offenkundig mehr als nur Freundschaft empfindet. Um stets in dessen Nähe zu sein, hat dieser sogar seine gut bezahlte Professorenstelle aufgegeben und gegen einen Hausmeisterposten auf dem Campus-Gelände eingetauscht. Aus dieser ambivalenten Beziehung entwickelt Krokidas eine zunehmend bedrohliche Grundstimmung, die sich eines Abends in einem gleichermaßen tragischen wie dramatischen Vorfall entlädt. In einer furios geschnitten Parallelmontage, in der neben Luciens und Davids Schicksal Allens erster Sex und einer von Burroughs’ (Ben Foster) berüchtigten Drogentrips miteinander verschmelzen, findet der Film zu einer bemerkenswerten Dynamik.

Aber auch ansonsten mischt Krokidas in das stilecht nachempfundene New York der 1940er Jahre durchaus moderne Elemente des Kinos und einer zeitgemäßen Narration. Schon den Filmtitel haut er uns regelrecht um die Ohren. Krokidas spielt mit Rückblenden, Zeitlupen und Zeitraffer. In einem Jazzclub friert er kurzerhand das Bild ein, während er Allen und Lucien zwischen den versteinerten Gästen umherwandeln lässt. Eine Schlüsselszene wird dramaturgisch geschickt erst nach und nach aufgelöst.

Diese Lust am Experiment spiegelt sich vielleicht am deutlichsten in der musikalischen Untermalung. Neben älteren Jazz-Songs fanden auch viele moderne Stücke Eingang in den Film, der weniger Künstler-Biopic als Coming-of-Age-Story sein möchte. Die eigentliche Karriere der Beat Generation, ihr Einfluss auf die moderne Literatur, all das spielt sich in „Kill your Darlings“ erst weit nach Ende des Abspanns ab. Dennoch bekommt man als Zuschauer einen Eindruck davon, was diese jungen Männer bewegte und wie sie die Welt wahrnahmen.

Letzteres ist auch das Verdienst des großartigen Cast. Mag Daniel Radcliffe für seine überzeugende Ginsberg-Darstellung berechtigerweise viel Lob einsammeln, so wird er doch von Kollege Dane DeHaan („The Place beyond the Pines“) in praktisch jeder Szene übertrumpft. Sein energiegeladenes Spiel bleibt ebenso wie seine Leinwandpräsenz in Erinnerung und lässt vermuten, dass wir hier den nächsten Schritt einer schon bald ganz großen Schauspielkarriere miterleben durften.

Marcus Wessel