One Zero One

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„One Zero One – Die Geschichte von Cybersissy und BayBjane“ ist ein lebensbejahender Film über die Vielfalt in der Kunst und im Leben. Regisseur Tim Lienhard portraitiert in seinem Dokumentarfilm die Dragkünstler Cybersissy und BayBjane, die durch ihre außergewöhnlichen Performances und ihr Selbstbewusstsein gleichsam begeistern wie auch dazu herausfordern, gesellschaftliche Normen in Frage zu stellen.

Webseite: www.missingfilms.de
               www.onezeroonemovie.com

Deutschland 2013
Regie: Tim Lienhard
Drehbuch: Tim Lienhard
Darsteller: Antoine Zimmerman (Cybersissy), Mourad Z. (BayBjane)
Länge: 90 Minuten
Filverleih: Missingfilms
Kinostart: 2. Januar 20013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Eins Null Eins – drei Zahlen, die aussehen wir ein Loch und zwei Beine. Für den Dragkünstler Antoine Zimmermans symbolisieren diese Ziffern sein Schaffen, sie sind ein Motiv, ein Ausdruck seiner Homosexualität wie auch des digitalen Zeitalters. Unter dem Künstlernamen Cybersissy hat er so manche Bühne erobert und schließlich den kleinwüchsigen Mourad, nun bekannt als BayBjane, unter seine Fittiche genommen. Gemeinsam verkörpern sie „das Andere“ auf verschiedenen Ebenen: durch sexuelle Orientierung, ausgefallene Kleidung, körperliche Behinderung und psychische Krankheit. Cybersissy und Baybjane zelebrieren die Abweichung von der Norm, ernennen jeden sogenannten Makel zur Kunst und hinterfragen damit gesetzte Kategorien von Schönheit und Ästhetik.

Dokumentarfilmer Tim Lienhard, der sich in seiner Arbeit für das Fernsehen zuvor schon anderen exzentrischen Charakteren gewidmet hat, nimmt sich in seinem ersten Kinofilm „„One Zero One – Die Geschichte von Cybersissy und BayBjane“ den zwei Performancekünstlern an und lässt sie in mehreren Interviews ihre eigene Geschichte erzählen. Lienhard bleibt jedoch nicht in der Position des Beobachters, lässt die Kamera nicht nur bei Gesprächen und Auftritten mitlaufen, sondern gibt seinen Protagonisten eine Bühne. Das Ergebnis sind opulente Inszenierungen, Performances in beeindruckenden Kostümen vor ehrwürdiger Kulisse und begleitet von atmosphärischer Musik. Opernarien verleihen der Darstellung Theatralik, elektronische Klänge verorten die Bilder zeitlich im 21. Jahrhundert. Manchmal mag das eine nicht zum anderen passen, dann aber wieder transportiert eben jener vermeintliche Widerspruch den Geist der beiden Künstler.

Insbesondere Mourad alias BayBjane beeindruckt durch sein Selbstbewusstsein, durch seine Fähigkeit, die in seiner Behinderung wurzelnden Schwächen in Stärken zu verwandeln. Beide Künstler artikulieren ein erfrischendes Gegengewicht zum stark normierten Schönheitswahn unserer Zeit. „Ich sehe meinen Körper als Kunst“, sagt Mourad und meint damit, dass seine Attraktivität eben nicht in der Konformität, sondern in der Abweichung besteht – nicht nur von gängigen Schönheitsidealen, sondern auch von der allgemein akzeptierten Definition eines „normalen“ Körpers. Mit dem Satz „Ich bin doch nicht anders, nur weil ich anders aussehe“, macht Mourad Mut, zu sich selbst zu stehen und fordert gleichzeitig den Zuschauer dazu heraus, seine eigene Definition von Normalität zu überdenken.

„One Zero One – Die Geschichte von Cybersissy und BayBjane“ ist wie seine Protagonisten - ein Film, der die Vielfalt zelebriert und seine Zuschauer vorübergehend in einen Rausch versetzt, nach dem die Welt grau und langweilig erscheint. Ein Film, der nicht nur Mut, sondern auch Lust macht, anders zu sein, der dabei aber niemals die gesellschaftlichen Hürden außer Acht lässt, die hierzu überwunden werden müssen. Trotzdem klagt Tim Lienhard niemals an. Er will nicht von den Problemen anders aussehender, sprechender oder denkender Menschen berichten, sondern von der Vielseitigkeit des Lebens und seiner Akteure und von den Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, wenn wir beginnen, Normen zu hinterfragen, oder – wie Antoine Zimmermans es formuliert – uns zu „reprogrammieren“. Er will außerdem – und das ist seinem Film deutlich anzumerken – zwei Menschen vorstellen, die ihn beeindruckt haben, in der Hoffnung, dass sie auch uns beeindrucken. Und das tun sie.

Sophie Charlotte Rieger