Kreuzweg

Zum Vergrößern klicken

Die 14-jährige Maria (Lea van Acken), streng katholisch erzogen, will sich für ihren vierjährigen Bruder opfern. In streng komponierten Kapiteln, die den Stationen des Kreuzweges Jesu folgen, beobachtet Brüggemann dieses Martyrium bis zum wunderbar schrecklichen Ende. Ein faszinierender und verstörender Film.

Webseite: www.kreuzweg-derfilm.de

Deutschland 2014
Regie: Dietrich Brüggemann
Buch: Anna & Dietrich Brüggemann, Alexander Sass
Darsteller: Lea van Acken, Franziska Weisz, Florian Stetter, Lucie Aron, Moritz Knapp, Klaus Michael Kamp, Hanns Zischler, Birge Schade
Länge: 107 Minuten
Verleih: Camino
Kinostart: 20. März 2014

PRESSESTIMMEN:

"Erzählt in 14 statischen, grandios komponierten Einstellungen, angelehnt an die Passion Christi. Eine Offenbarung."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Der äußerst talentierte Autor und Regisseur Dietrich Brüggemann brachte bei der diesjährigen Berlinale mit seinem „Kreuzweg“ einen dieser unangenehmen Stoffe auf die Leinwand, die brennen und polarisieren: Die 14-jährige Maria (Lea van Acken) lebt mit ihren Eltern und drei Geschwistern in einer süddeutschen Kleinstadt. Die streng katholische Mutter ist ein Familientyrann und macht vor allem Maria bei jeder Gelegenheit fertig. Selbstverständlich werden dem Teenager „satanische Musiken“ wie Funk und Soul, sowie „schlimme Filme“ verboten. Doch im Firmunterricht eines extremistischen Kirchenablegers (Florian Stetter), erweist sich Maria selbst als glühende Verehrerin von Gott und Jesus. Begeistert bringt sie persönliche Opfer, um als „Soldatin Gottes“ im eigenen Herzen den Kampf gegen Satan zu führen. So weist sie empört das sympathische und freundliche Interesse des Mitschülers Christian (sic!) zurück. Dann setzt sich das zierliche Mädchen in den Kopf, für den vierjährigen Bruder, der noch nicht spricht, ihr eigenes Leben „hingeben“ zu wollen. Nicht ganz ohne Zweifel magert Maria ab, bis sie ein Arzt - noch gegen den Willen der Mutter - ins Krankenhaus einweisen lässt. Doch auch dort will Maria nicht mehr essen.
 
In streng komponierten 14 Kapiteln, die den Stationen des Kreuzweges Jesu folgen, beobachtet Brüggemann dieses entsetzliche und erstaunliche Martyrium. Dabei gibt es - fast - nur 14 starre Einstellungen, in denen die ausgezeichneten Akteure die Szenen tragen. Während die Kamera im ganzen Film also nur einmal schwenkt und dann zum Schluss gen Himmel fährt, bewegte das intensiv gespielte Drama so sehr, dass sich in Bewunderung auch Ablehnung mischte.
 
Denn Katholizismus unterscheidet sich hier keineswegs von dem, was man gerne als „Muslimus“ verteufelt. Maria darf nicht allein mit dem Arzt in einem Zimmer bleiben, im Sportunterricht nicht zu teuflischen Rhythmen hüpfen. Das alles im heiligen Geiste einer, so tatsächlich existierenden, katholischen Extremisten-Gruppe, welche die Beschlüsse des 20. Vatikanischen Konzils ablegt und noch in Latein mit dem Rücken zur Gemeinde betet. So unglaublich das für moderne Menschen klingen mag, so glaubwürdig schrieb (zusammen mit seiner Schwester Anna und Alexander Sass) und inszenierte Dietrich Brüggemann diesen religiös verbrämten Leidensweg. Man darf dabei ruhig den mit Religion ringenden Lars von Trier in „Breaking the Waves“ als Referenz erwähnen. Dabei bleibt Brüggemann durchgehend ernsthafter als etwas Ulrich Seidl mit seinem auch formal weiterem „Paradies: Glaube“. Vor allem dass die schreckliche Mutter nicht ganz in die Karikatur abgleitet, ist zum Gelingen von „Kreuzweg“ wichtig. Ein guter, provokanter und wichtiger Film.
 
Günter H. Jekubzik